Triste Zustände herrschen in dem fiktiven Krankenhaus vor, in welchem das Ensemble des „Jungen Salons“ in ihrem Stück „Geister“ versucht, dem Spuk in einem Hospital auf den Grund zu gehen.
“Geister” ist im Moment im Brick-5 zu sehen (Fotos: Junger Salon, Tanja Gruber)
Die Reise hinter die Mauern des Hospitals und in die seelischen Abgründe des dort arbeitenden Personals beginnt für die Zusehenden mit dem Bild der jugendlichen Schauspieler, wie diese sich ihre Kostüme anlegen. Es ist interessant, den Prozess zu beobachten, wie aus jungen Menschen Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern werden. Unterstrichen wird diese Verwandlung durch trance-artige Musik, das Licht ist warm, die Atmosphäre entspannt – dies ändert sich ab der ersten Szene. Das Publikum befindet sich nun in einer anderen Welt – ein Krankenhaus mit schwingenden weißen Arztkitteln und violetten Putzuniformen, von Schimmel überzogenen Zimmerdecken, kaltem Neonröhrenlicht und einer Gruppe von Reiningungskräften, die in einer ganz eigenen Welt zu leben scheinen und die Ereignisse an ihrem Arbeitsplatz ganz anders wahrnehmen, als der Rest der Protagonisten.
Schimmel, Holzwurm, Abriss!
„Tropf, tropf, tropf“ ist durchgehend zu hören, wenn das Publikum für rund zwei Stunden in den Wahnsinn und die merkwürdigen Geschehnisse eintaucht, die sich in einem abbruchreifen Wiener Krankenhaus abspielen. Ein Installateur gibt den fachkundigen Rat, sich die Renovierung des Hospitals zu sparen, ganz klar: Das Gebäude gleich abzureißen wäre sinnvoller, denn dort ist wahrlich der Wurm drinnen: Hier ist das Holz morsch, da tropft es von der Decke – alles undicht, alt, baufällig. Doch nicht alle Personen, die in dieser Anstalt ein und aus gehen, teilen die Meinung des Fachmanns. Leiterin des Hospitals, Doktor Moosgarten ist der festen Überzeugung, dass sich das Blatt noch wenden lässt und versucht durch das Projekt „Operation Morgenluft“ die Gunst der Ministerin Stöger zu gewinnen, damit diese sich gegen die Schließung des Hospitals einsetzt. Auch Dr. Krone und die Putztruppe zweifeln an den kaputten Rohren: „Unser Haus weint!“ – aber könnte es sich hier nicht um den Geist eines Mädchens handeln, der ziellos durch die langen Gänge streift und mit Vorliebe den Fahrstuhl benutzt?
Beerdigen? Ist das Ihr Ernst?
Die angesehene Ärztin Dr. Helmer soll wegen einer missglückten Operation an der kleinen Mona verklagt werden und um dies zu verhindern, ist ihr jedes Mittel recht. Für das Schicksal der nun geistig und körperlich behinderten Mona fühlt sich in dem Hospital niemand richtig verantwortlich, einzig die stets präsente Putztruppe scheint Veränderungen in Monas Verhalten wahrzunehmen. Die Ärztin Dr. Arnsberg würde für ein besonders schönes Kropfexemplar in ihrer persönlichen Sammlung alles tun und verlässt den Weg der Moral, rettet sich so letztendlich selbst aus einem Lügengespinst. Unterdessen begibt sich die wiederkehrende Simulantin Suse Melchior heimlich auf die Suche nach dem Geist des kleinen Mädchens. Als einziger optischer Farbtupfen auf der Bühne in einem gemütlichen Pyjama schart sie andere nervöse Patienten um sich und dringt immer tiefer in die Geheimnisse des Krankenhauses und dessen Ärzte vor.
Wo ist denn hier der Infopoint?
Den Weg aller Beteiligten kreuzt eine topmotivierte Angestellte der SVA, die ebenfalls in das Chaos der Protagonisten eingesogen wird und verzweifelt nach einem Ausgang sucht. Doch hier wird den Zuschauenden klar, dass niemand in diesem Hospital wirklich weiß, wo und ob es einen Ausweg aus dem Wahnsinn gibt.
Im Laufe dieses Zweiteilers durchlaufen die Charaktere eine Wandlung und beginnen Anzeichen des brodelnden Irrsinns zu zeigen: Das normalerweise verlassene und sicher verschlossene Archiv im Keller des Hospitals kann regen Besuch vorweisen, es werden Beruhigungstabletten durcheinander und en masse geschluckt, Brandy vor dem Operieren konsumiert, Seancen abgehalten, hastig Rosenkränze gebetet und einfache Installateure werden zu bewunderten Ärzten.
Die Anzahl der Schauplätze ist groß, zwischen beinahe jeder Szene wird im Halbdunkeln nahtlos und zügig umgebaut – es ist offensichtlich, dass es sich bei dem Ensemble um ein gut eingespieltes Team handelt. Die Umbauten sind in keinster Weise störend, sondern den Zuschauern und Zuschauerinnen wird Zeit gegeben, die vorherige Szene besser mit der komplexen Handlung zu verbinden.
Als besonders faszinierender Schauplatz sticht hier das Arbeitszimmer von Dr. Arnsberg hervor, in welchem sich ihre Kropf-Sammlung befindet – wunderschön installiert durch Bühnenbildnerin Anna Feilkas durch Porträtfotos von Frauenköpfen, die einzeln beleuchtet werden und an den Bühnenwänden verteilt sind. Weiters wurde bei „Geister“ viel mit Video-Installationen gearbeitet, die mit einem Teil des Ensembles in einem Wiener Krankenhaus gedreht wurden und die gruselige Atmosphäre des Krankenhauses wunderbar unterstreichen. Auch die Rolle des Geistermädchens wird so wesentlich verständlicher gemacht, da das Publikum hier immer wieder den „Geist“ eines Mädchens durch die langen Gänge im Bild gehen sieht. Interessant gewirkt hat dies auch als visuelle Vergrößerung der Bühne, der Fahrstuhl konnte so ebenfalls gezeigt werden.
Unterstützt werden diese gruseligen Elemente durch die musikalische Untermalung von Felix Pöchhacker und Benedict Schlögl, deren Kompositionen unter anderem die Umbauten im „Black“ begleiten. Besonders das Licht wurde in dieser Produktion interessant eingesetzt und so hebt das kalte, bläuliche Neonröhrenlicht die abweisende, unheimliche Atmosphäre der Hospitalflure hervor, ein anderes Mal dient eine flackernde Neonröhre als Kommunikationsmittel zur Totenwelt.
Unter der Regie von Isabella Wolf bringen hier 13 Jugendliche eine spannende und amüsante Satire über den menschlichen Wahnsinn auf die Bühne und porträtieren überarbeitete, nervlich überstrapazierte Gestalten eines Krankenhauses, die im Laufe der Handlung den Bezug zur Wirklichkeit allmählich verlieren und sich den Spuk in ihrem Hospital nicht mehr mit Halluzinationen erklären können.
Trotz des jungen Alters der Mitwirkenden werden die seelischen Abgründe der Charaktere überzeugend und originell herausgearbeitet gespielt. Der Spuk und die Angst der Menschen werden gut gezeigt, die in sich geschlossene Geschichte wird flüssig und verständlich erklärt. Einzig die Rolle der immer wiederkehrenden Putztruppe mit ihren poetischen Einschüben über den menschlichen Charakter des Gebäudes wird nicht wirklich ersichtlich, lässt es den Zusehenden aber frei, dies als weiteres Gruselelement oder als Reflexion über die innere Verwirrtheit und Verzweiflung der Protagonisten zu interpretieren. Allerdings stören diese Szenen den Fluss der Geschichte nicht unbedingt und geben dem Publikum die Möglichkeit, das interessante Zusammenspiel der Video-Installationen, der Musik, des kalten Lichts und der liebevoll-kreativ gestalteten Bühne auf sich wirken zu lassen.
Nach dem endgültigen Abgang der SchauspielerInnen ist man durchaus erleichtert, nicht selbst in so einem Krankenhaus zu arbeiten und beschließt, sich von kompletter Überarbeitung und dunklen Archiven auch in Zukunft fernzuhalten und: Um größere Gruppen von Reinigungstruppen herum einen großen Bogen zu machen.
Diese Produktion des Jugendclubs des „Salon 5“, der im 15. Wiener Gemeindebezirk in der Fünfhausgasse 5 ansässig ist, kann noch am 30.4, 1.5 und 2.5, jeweils um 19:30 besucht werden. Reservierungen an jungersalon.tickets@gmx.at.
Der Trailer ist hier zu sehen: http://vimeo.com/92386771
Kritik von Michaela Preiner: Gott geht auf Weltreise
Der Junge Salon im Brick-5 gibt theaterbegeisterten Jugendlichen die Möglichkeit, unter Anleitung von Profis aktiv ein Theaterstück zu erarbeiten. European Cultural News findet dieses Idee großartig und unterstützt sie mit einer adäquaten Aktion. Drei schreibbegeisterte junge Menschen wagen hier ihr erstes öffentliches Auftreten als Kritikerinnen und Kritiker. Sie als Lesende haben dabei die seltene Möglichkeit eines Kritikvergleiches in einem einzigen Medium. Theaterspielen muss erlernt werden, Kritiken schreiben auch. Es ist wunderbar zu sehen, wie sehr sich die Kritiken voneinander unterscheiden und wie stark jeweils die „persönliche Handschrift“ lesbar wird. Unser Dank gilt Benedikt Müller, Fabienne Sigaud und Katharina Godler – deren Kritik erst ab Donnerstag zu lesen sein wird.