Vorschusslorbeeren können Segen und Fluch zu gleich sein. Mit Hexxen 1733 folgt der Nachfolger des kostenlosen Vorgängersystems Hexxen 1700 erstmalig als Printversion. Und auf die hat die deutsche Rollenspielcommunity scheinbar gewartet, denn das Projekt ist gleichzeitig das bis dahin erfolgreichste durch Crowdsourcing finanzierte Rollenspiel in Deutschland. Im Verlauf dieser Rezension stellen wir heraus, ob sich das Projekt für Backer und andere Käufer gelohnt hat.
Das Setting: Geschichtsunterricht plusAngesiedelt ist das ganze System dabei in der Zeit des Barock. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges öffnet eine Gruppe Söldner im Schwarzwald versehentlich ein Tor zur Hölle und verändert damit die Welt und die Geschichte, wie wir sie heute kennen.
Das Höllentor bringt nämlich allerlei Dämonen und Ungeheuer hervor. In Folge dessen wird auch Holland durch einen magischen Sturm geflutet und zu einer Sumpflandschaft, England vom Festland abgeschnitten und eine fortschreitende Eiszeit zieht über Skandinavien weiter nach Süden.
Ziemlich grimmige Aussichten, aber die Welt ist noch nicht verloren, denn dem sich ausbreitenden Chaos stellen sich ausgewählte Helden entgegen. Diese sogenannten Jäger operieren in der Regel in unabhängigen Zellen und versuchen dort Widerstand zu leisten, wo ihre Handlungen sich nachhaltig auswirken.
Selbstverständlich schlüpfen die Spieler in die Rolle der Jäger und die wissen sich zu wehren, denn Hexxen 1733 ist ein kampflastiges System mit einem inhärenten Drang zur Action. Die Autoren berufen sich in ihrem Regelbuch auf Inspirationen wie die kurzweiligen, aber durchaus trashigen Filme Hänsel & Gretel - Hexenjäger und Van Helsing. Damit ist der Weg also klar, denn dem Bösen wird sprichwörtlich der Kampf angesagt!
BOOM, Hexxshot! - Das Regelwerk im KreuzverhörDas Spiel in Hexxen 1733 soll schnell und dynamisch ablaufen und um das zu erreichen haben sich die Autoren für bewährte Methoden mit einem kleinen Twist entschieden.
Die Grundmechanik, die dem Spiel zugrunde liegt erinnert zunächst an Shadowrun oder die aktuellen Star Wars RPGs, wenn auch deutlich entschlackter. Legt man eine Probe ab vergleicht man in der Regel die Werte für körperliche Attribute, sowie seine jeweiligen Fertigkeiten und generiert so seinen Würfelpool. Die Würfel sind dabei Spezialwürfel, die extra für das Spiel hergestellt werden. Dabei handelt es sich um verschiedenfarbige, sechsseitige Würfel, die mit verschiedenen Symbolen ausgestattet sind und den Spielern so vermitteln, wie viele Erfolge sie bei einer Probe erwürfeln. Dabei gilt es möglichst viele Erfolge zu erhalten, um entweder einen festgelegten Schwellenwert oder das Ergebnis eines Gegners zu übertreffen. Natürlich werden die Würfelpools durch bestimmte äußere Einflüsse oder Fähigkeiten erweitert, so dass Würfelpools zwar oft ähnlich, aber selten gleich ausfallen.
Dabei fällt schnell auf, dass viele Details vergleichsweise simpel sind. Inbesondere fallen hier die Werte für Waffen und Rüstungen auf, denn in Hexxen 1733 sind alle Schwerter grundsätzlich gleich, es wird nicht zwischen einem Breitschwert und einem Bastardschwert unterschieden, wie man es aus verschiedenen anderen Systemen kennt. Persönlich gefällt mir der Ansatz sehr gut, denn letztendlich macht es kaum einen Unterschied, welche Art von geschärfte Stahlklinge auf den Gegner eindrischt, der zu erwartende Schaden sollte ähnlich sein. Fans von Realismus und minutiösen Details werden hier aber enttäuscht ihre Spreadsheets und Wikipedia-Ausdrucke zu Hause lassen müssen.
Dazu kommen noch Coups & Ideen, zusätzliche Optionen, die einem zusätzliche Würfel generieren, jeweils in Abhängigkeit von geistigen oder körperlichen Attributen. Das System erinnert an die blauen Bonuswürfel bei Star Wars oder Inspiration bei D&D 5e, erscheint aber unnötig stark aufgeteilt. Es macht eigentlich keinen Sinn Coups & Ideen überhaupt zu trennen, ein Bonus für beide Werte hätte das Spiel schneller gemacht, ohne den Regeln Tiefe zu nehmen.
Persönlich finde ich, dass man das Spiel genauso auch mit normalen Würfeln hätte entwerfen können, zumal die dunklen Symbole auf den dunklen Farben erstaunlich schwer zu lesen sind. Auf der anderen Seite kommt die gesamte Spielrunde auch problemlos mit einem Satz Würfel aus, so dass sich die Einstiegskosten noch im Rahmen halten.
Peinliche Befragung: Vom Startcharakter zum MeisterjägerHexxen 1733 bietet mit 10 als Rollen bezeichneten Klassen fast alles, was das Herz begehrt. Mit Alchemisten und Konstrukteuren sind sogar ein paar Rollen abgedeckt, die im „klassischen" Fantasysetting selten anzutreffen sind. Auffällig ist dabei, dass es sich bei der Welt von Hexxen 1733 um ein Setting mit wenig Magie handelt. Reine Magier gibt es daher für Spieler nicht. Rollen wie der Eiferer und Priester haben aber, ähnlich wie in der Welt von Game of Thrones, magische Fähigkeiten mit denen sie beispielsweise die Klingen ihrer Waffen entzünden können. Charaktere, die levitierend Feuerbälle um sich schmeißen bleibt aber anderen Systemen vorbehalten. Auch bei der Charaktergenese bleiben sich die Autoren treu und versuchen den Prozess simpel zu halten, denn die Rolle gibt auch gleich die Startausrüstung vor.
Ähnlich kompakt läuft der weitere Verlauf der Charaktererstellung, denn nachdem man sich für eine Rolle entschieden hat, wählt man sogenannte Ausbaukräfte, die ähnlich wie in einem Skilltree bei Levelaufstiegen aufgewertet oder neugewählt werden und so die Fähigkeiten des Jägers bestimmen. Manchmal gibt es auch direkt Ausrüstung dazu. Wählt man so beispielsweise die Kraft Musketen-Meisterschaft erhält man die dazu nötige Muskete gleich dazu.
Als nächstes verteilt man Attribute, aus denen sich dann Fertigkeiten, Lebenspunkte und Coups/Ideen ableiten. Hier gibt es keine Überraschungen, denn die Autoren bleiben bei diesen Werten ziemlich konservativ. Man muss aber auch das Rad nicht bei jeder Gelegenheit neu erfinden, denn das Balancing macht einen soliden Eindruck.
Zum Abschluss gibt es noch 100 Gulden und vorgefertigte Startausrüstung, falls dem Charakter über die Ausbaukräfte etc. noch nicht mindestens eine Nah- und eine Fernkampfwaffe, sowie eine Rüstung zugänglich gemacht wurden.
Sollten die ersten Abenteuer erfolgreich gewesen sein, gibt es natürlich auch die Möglichkeit im Level aufzusteigen. Neben den obligatorischen Verbesserungen der Lebenspunkte, Fähigkeiten und (bei bestimmten Stufen) der Attribute gibt es bei Hexxen 1733 eine Besonderheit. Der Clou bei Hexxen 1733 sind die sogenannten Professionen, denn wenn ihr die richtige Kombination aus Rollen und Ausbaukräften gewählt habt, könnt ihr sie zu einer neuen Profession zusammenlegen und so weitere, einzigartige Vorteile freischalten.
AufmachungHexxen 1733 sieht klasse aus, da findet auch der eifrigste Inquisitor keine Mängel. Speziell die Printversion ist ein echter Hingucker und macht sich durch ihren Ledereinband gut in jedem Nerdregal. Aber auch die digitale Version weiß zu überzeugen. Das Artwork ist vermutlich eines der schönsten im deutschsprachigen Rollenspielraum und überzeugt sowohl handwerklich, als auch atmosphärisch.
Gleichzeitig ist das Regelbuch gut strukturiert. Man kann durch das Inhaltsverzeichnis blitzschnell die nötigen Infos finden, die mit Flavourtexten versehen sind, aber dadurch nicht überlagert werden. Hin und wieder sind Kurzgeschichten oder Zitate in die Textblöcke eingefügt um das Layout aufzulockern, wodurch dem Leser wunderbar die Stimmung des Settings präsentiert wird.
Hinzu kommt der reine Umfang des Werks. Das Buch der Regeln bietet auf rund 250 Seiten wirklich alles, was Spieler & Spielleiter zum Start brauchen. Neben den reinen Regeln gehen die Autoren weit über den Pflichtteil hinaus und präsentieren komplett vorgefertigte Charaktere, inklusive tollen Hintergrundgeschichten, Tipps und NPC-Werte, sowie ein Bestiarium für den Spielleiter. Dieses ist meiner Meinung nach besonders gelungen, denn neben Bildern und den Werten der Kreaturen liefern die Autoren auch Hintergrundwissen, sowie typische Verhaltensweisen dieser Kreaturen.
Summary