Hexen, weise Frauen, frühe Feministinnen?

Von Nicsbloghaus @_nbh

Es ist eine Vorstellung, die sich hart­nä­ckig in den Köpfen hält, weil sie so schein­bar ein­leuch­tend ist: Hexen, das waren beson­ders eman­zi­pierte Frauen, die im fins­te­ren Mittelalter von unter­drü­ck­eri­schen Männern, vor­nehm­lich der Kirche ver­brannt wur­den, das waren Hebammen, weise Frauen und frühe Feministinnen, die auf ihre Weise gegen die Über­macht des Patriarchats kämpf­ten und eigent­lich Schwestern im Geiste mit heu­ti­gen Feministinnen sind. Leider stimmt davon so gut wie gar nichts.

von Mira Sigel

All das wurde in den ver­gan­ge­nen zwan­zig Jahren auch schon in einer Vielzahl von Forschungen wider­legt – doch die Mythe von der Hexe als weise Frau mit dem Urwissen, vor dem sich die patri­ar­chale Kirche fürch­tete und die sie des­halb auf dem Scheiterhaufen ver­brannte, hält sich den­noch wei­ter.

Sie ist nicht nur falsch, sie ist auch gefähr­lich, weil sie auch von der völ­ki­schen Bewegung bis heute auf­recht erhal­ten wird.

Hexen waren keine wei­sen Frauen. Sie waren Opfer einer Massenhysterie. Die These, Hexen seien weise Frauen gewe­sen, deren Kräuterwissen sys­te­ma­tisch ver­nich­tet wer­den musste, wurde erst­mals von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger ent­wi­ckelt und wurde von der Forschung bis heute viel­fach wider­legt. Auch die Zahl der Opfer ist nicht rich­tig. Es wur­den nicht Millionen ver­brannt, ver­mut­lich star­ben in Deutschland rund 100.000 Menschen durch Hexenverbrennungen, von den etwa zwei Drittel Frauen waren. Als jüngst die Stadt Datteln erklärte, dass sie 130 ver­ur­teilte Hexen und Zauberer reha­bi­li­tie­ren wolle, brach in femi­nis­ti­schen Foren fre­ne­ti­scher Jubel aus. Das Unheimliche: Das glei­che geschah auch in rech­ten und völ­ki­schen Foren. Dieser Zusammenhang sollte im Umgang mit der euro­päi­schen Hexenverfolgung zu den­ken geben.

Hexenglauben – Fakten, Aberglauben und Universalie

Zunächst stimmt der Zeitpunkt nicht: Das Zeitalter der Hexenverbrennung war nicht das Mittelalter, son­dern die Frühe Neuzeit. Die Hexenverfolgungen begin­nen in Europa etwa um 1430 und enden um 1780 – übri­gens im Zeitalter von Goethe, Schiller und Mozart. 1782 wurde auf dem Gebiet der heu­ti­gen Schweiz die Hexe Anna Göldi hin­ge­rich­tet. Ihren Höhepunkt haben sie etwa in den Jahren zwi­schen 1560 und 1630.

Dabei muss stark zwi­schen regio­na­len Ausprägungen unter­schie­den wer­den. In Europa gibt es Länder, die kaum von Hexenverfolgungen betrof­fen waren, auch in Deutschland gab es Gebiete mit beson­ders star­ker Hexenverfolgung, wäh­rend andere davon kaum berührt wur­den. Das zeigt, dass Hexenprozesse kein gesamt­ge­sell­schaft­li­ches Phänomen jener Epoche waren, son­dern eng ver­knüpft waren mit den regio­na­len Begebenheiten.

Auch ist Hexerei und Hexenverfolgung kein euro­päi­sches Phänomen, es fin­det sich fast über­all auf der Welt. Der Glaube daran, dass der Nachbar, der Nächste Böses im Schilde füh­ren könnte und dies mit magi­schen Mitteln ver­sucht, scheint so etwas wie eine mensch­li­che Universalie zu sein und fin­det sich in Afrika, auf Papua-Neuginea, in Südamerika und Nordamerika. Und dabei zeigt sich, dass die weib­li­che Hexe eine euro­päi­sche Besonderheit ist, in ande­ren Kulturen ist Hexerei kei­nes­wegs geschlecht­lich gebun­den oder es fin­den sich je nach Region und Kultur sogar fast aus­schließ­lich männ­li­che Hexen.

Doch auch bei uns ist der Hexenglaube leben­dig: Noch in den 1990er Jahren zeigte eine Umfrage in Deutschland, dass jeder dritte Deutsche es zumin­dest für mög­lich hielt, dass Hexerei exis­tiert. Das erklärt viel­leicht die große Faszination für das Thema Hexerei. Wir fin­den Hexen in Romanen, in Kinderbüchern, auf Faschingsumzügen, es gibt sogar moderne Hexen, die für sich in Anspruch neh­men, das Erbe jener Hexen fort­zu­füh­ren, die auf den Scheiterhaufen ver­brannt wur­den.

Schon die gro­ßen Künstler der Neuzeit, von Lucas Cranach bis Dürer waren von der Figur der Hexe fas­zi­niert und mal­ten sie und Shakespeare und Goethe ver­ewig­ten sie in ihren Werken.

Die Forschung ist sich jedoch sicher: Es gab weder jene Hexensekte, die Inquisitoren und Volkshysterie ver­folg­ten noch gab es einen »Frauengenozid«, den man­che Feministinnen in den euro­päi­schen Hexenverfolgungen gese­hen haben. Vielmehr sind Hexenverfolgungen eng in ihren regio­na­len Kontexten zu sehen.

Krisen, eine schwa­che Zentralgewalt, ob kirch­lich oder welt­lich sowie die Dynamiken von Massenhysterien spie­len dabei eine große Rolle. Es waren nicht die schö­nen, rot­haa­ri­gen Frauen, die auf den Scheiterhaufen ver­brannt wur­den, son­dern eher alte Frauen oder gesell­schaft­li­che Feinde, es waren nicht die Hebammen, son­dern wohl­ha­bende Frauen, doch auch Männer und Kinder fan­den den Tod. Und nicht immer war es die Kirche, die den Tod der angeb­li­chen Hexen voran trieb – oft war es die Bevölkerung, die die jewei­lige Autorität zwang, einen Hexenprozess zu initi­ie­ren. Oft spiel­ten aber auch gesell­schaft­li­cher Neid oder ein sim­pler Nachbarschaftsstreit eine Rolle.

Untersuchungen zei­gen, dass beson­ders oft adlige und ein­fluss­rei­che Frauen Opfer von Hexereianschuldigungen wur­den und nicht nur alte Frauen.

Das Christentum und der Hexereidelikt

In ihren anti­ken Anfängen war sich die christ­li­che Kirche nicht ganz einig dar­über, ob es so etwas wie Zauberei wirk­lich gibt, man war sich aber sicher, dass schon der Versuch zu zau­bern bedeu­tete, dass man an den Teufel glaubte und sich von Gott abwandte. Diese Vorstellung wurde von Kirchenvater Augustinus spä­ter theo­re­tisch aus­ge­ar­bei­tet und fand Eingang in das Römische Recht, das im Mittelalter Grundlage für alle gän­gi­gen Rechtsvorstellungen wurde.

Ansonsten betrach­tete man den völ­ki­schen Aberglauben an Hexerei und Zauberei eher als etwas, dass es zu bekämp­fen als zu beför­dern galt. Das änderte sich mit Thomas von Aquin. Er ging davon aus, dass man, wenn man ein magi­sches Ritual aus­führte, nicht nur an den Teufel glaubte, son­dern ihn tat­säch­lich beschwö­ren konnte und die ver­langte Wirkung tat­säch­lich ein­tre­ten konnte. Damit war der Teufel und die Hexerei in der Welt der aka­de­mi­schen Kirchenväter.

In den Dörfern, den Wäldern und auf den Straßen gab es die Vorstellung von Hexen und Magiern seit der Antike, sie war Teil des vor­christ­li­chen Volksglaubens, der jedoch durch eine ganze Reihe von Antihexerei und Schutzzaubern in der Waage gehal­ten wurde und die par­al­lel zum Christentum exis­tier­ten, ohne dass es je zu Konflikten gekom­men war.  Doch im 12. Jahrhundert tauch­ten im heu­ti­gen Südfrankreich zwei Sekten auf, die der Kirche das Leben schwer mach­ten, denn sie ver­lang­ten eine Abkehr von Prunk und Reichtum der Kirche in Rom und eine Rückkehr zu Armut und Urchristum: Die Katharer und die Waldenser. Die Kirche rea­gierte auf diese Bedrohung mit har­ter Gewalt und berief die ers­ten Inquisitoren, die Angehörige der Sekten des Glaubensverrats über­füh­ren soll­ten. Dafür wurde auch die Folter ein­ge­setzt.

Die Strafe für die Ketzerei, wie man das neue Verbrechen nannte, war der Tod auf dem Scheiterhaufen. Interessant ist an die­ser Stelle, dass man den Vorwurf der Häresie nicht nur gegen die Waldenser und Katharer erhob, son­dern beson­ders auch gegen die Juden, die zu die­sem Zeitpunkt über­all in Europa leb­ten. Über­haupt sind die Anfänge der Hexenverfolgung eng ver­bun­den mit Judenfeindlichkeit – so nannte man den Hexensabbat ursprüng­lich »Synagoga Satanae« – und viele Verbrechen, die man spä­ter den Hexen anlas­tete, wie zum Beispiel kleine Kinder zu töten oder Brunnen zu ver­gif­ten, warf man zuerst den Juden vor.

Aus bis­her nicht ganz geklär­ten Gründen ent­wi­ckelte sich aus den Vorwürfen gegen die Sekten der Waldenser und Katharer und die Judenprogrome die Vorstellung, es gäbe eine wei­tere, geheime Sekte, eine Teufelssekte. Sie wird 1409 auf einem Konzil in Pisa erst­mals urkund­lich erwähnt. Das Ziel die­ser Sekte: Die Vernichtung der römi­schen Kirche, der gesam­ten Christenheit durch einen Pakt mit dem Teufel.

Die Geburt der Teufelssekte

Die Angehörigen die­ser Sekte leb­ten, so hieß es, uner­kannt unter den Christen. Sie ver­gif­te­ten, hex­ten Krankheiten, Unfruchtbarkeit, Tod und Unfälle. Es dau­erte nicht lange, und die ers­ten Abhandlungen zu die­ser neuen Sekte und ihren Verbrechen wur­den ver­fasst. Von einer »Frauensekte« ist an die­ser Stelle übri­gens nicht die Rede.

Das berühm­teste jener Traktate ist der soge­nannte Hexenhammer oder Malleus male­fi­carum von Jakob Sprenger und Heinrich Institoris. Es fin­den sich darin cha­rak­te­ris­ti­sche Merkmale des Hexenverbrechens: Der Nachtflug, der Hexensabbat, der Teufelspakt, der Wetterzauber.

Heinrich Institoris war Inquisitor und ihm gelang es, Papst Innozenz VIII. von der Existenz jener Verbrechen zu über­zeu­gen. Dieser erließ die Bulle Summis desi­de­r­an­tes – die erklärte, dass es not­wen­dig war, auf dem Gebiet des heu­ti­gen Deutschlands Hexenprozesse durch­zu­füh­ren, um die Angehörigen jener Sekte aus­fin­dig zu machen.

Hier han­delt es sich aber um kirch­li­ches Recht – Kaiser Karl V. wollte von dem Verbrechen nichts wis­sen. In sei­ner Peinlichen Halsgerichtsordnung fin­det sich nur das Delikt des Schadenszaubers – die­ses genügte den Hexenjägern jedoch, um die Hexen zu ver­haf­ten und zu fol­tern. Das Geständnis unter der Folter genügte als Beweis. Der Hexenhammer bot grund­le­gende Beschreibungen dafür, wie eine Hexe zu erken­nen war, er beschrieb die ver­schie­de­nen Erkennungsmerkmale und Hexenproben. So legte die Halsgerichtsordnung fest, dass ein Gefangener nur ein­mal der Folter unter­zo­gen wer­den durfte – der Hexenhammer emp­fahl, die Folter dann eben nur zu »unter­bre­chen« und zu einem ande­ren Zeitpunkt »fort­zu­füh­ren«. Auf diese Weise konn­ten die Gefangenen belie­big oft gefol­tert wer­den.

Die Verbrechen und die Folter

Die Verbrechen, die man den ver­meint­li­chen Hexen anlas­tete, waren immer ein­deu­tig: So wur­den sie ver­däch­tig, wäh­rend der Nacht geflo­gen zu sein. Daher stammt unser heu­ti­ges Bild der Hexe, die auf einem Besen rei­tet. Das Ziel die­ses Nachtflugs war der Hexensabbat, eine heim­li­che Zusammenkunft mit ande­ren Hexen und dem Teufel, wo sie eine Art nega­tive Umkehrung des Gottesdienstes betrie­ben. Sie tanz­ten nackt, küss­ten den Anus des Teufels, opfer­ten Kinder und betrie­ben Magie.

Ein wei­te­res Merkmal war der Teufelspakt. Die ver­meint­li­che Hexe musste mit dem Teufel einen Pakt ein­ge­gan­gen sein. Unter der Folter wurde sie gezwun­gen, die ande­ren Anwesenden auf dem Hexensabbat zu ver­ra­ten. So wurde aus einer Angeklagten immer mehr Opfer.

Generell waren welt­li­che Fürsten für Hexenverfolgungen nicht so anfäl­lig wie kirch­li­che, freie Städte wie Frankfurt oder Amsterdam blie­ben so gut wie unbe­rührt davon. Die freie Bürgerluft schien vor der Massenhysterie zu schüt­zen.

Entscheidend für Hexenprozesse war die Bereitschaft, eine Hexe zu denun­zie­ren. Das zeigt sich auch bei der gro­ßen Anzahl von Kinderhexen, die für viele Hexereiprozesse ver­ant­wort­lich waren. Es waren zumeist Kinder, die Erwachsene beschul­dig­ten, sie mit auf den Hexensabbat genom­men zu haben. Dieser Hinweis genügte oft, um einen Erwachsenen der Folter und dem Tod auf dem Scheiterhaufen aus­zu­lie­fern.

Man kannte dar­über hin­aus gerade im pro­tes­tan­ti­schen Raum ver­schie­dene soge­nannte Hexenproben. So wurde die Hexen mit zusam­men­ge­bun­de­nen Händen und Füßen ins Wasser gewor­fen. Schwamm sie oben, so war sie als Hexe iden­ti­fi­ziert. Ging sie unter, war sie keine Hexe, aber ertrank oft. Auch das Stechen lan­ger Nadeln in Muttermale, um zu sehen, ob sie blu­te­ten, war ein belieb­ter Hexentest, ebenso wie die Hexenwaage und andere Mittel. Über­haupt zeigte man sich bei der Erfindung von Foltermethoden über­aus fan­ta­sie­reich.

Es ist durch­aus rich­tig, dass viele die­ser Szenen eine por­no­gra­fi­sche bis sexu­elle Ebene habe. Der nackte Frauenkörper, der der Folter aus­ge­lie­fert ist, die von den Inquisitoren beob­ach­tet wird, ist nicht los­ge­löst zu betrach­ten von der unter­drück­ten Sexualität und dem Frauenbild jener Zeit. Dennoch muss betont wer­den, dass auch Männer unter der Hexereianklage gefol­tert wur­den.

Hexenjäger in Deutschland

Es gab bei den Hexenverfolgungen, wie zuvor erwähnt, große regio­nale Unterschiede. Wir fin­den sie in England und Frankreich ab 1560, in Deutschland setzt sie mit eini­ger zeit­li­cher Verzögerung ein.

Die größte auf deut­schem Raum war die im Kurtrierer Raum mit etwa 350 Opfern, die auf­grund ihrer Quellenlage beson­ders gut erforscht ist. Zu trau­ri­ger Berühmtheit gelangte der Kölner Kurfürst Ferdinand von Bayern (1577-1560), der für 2000 Hexenverbrennungen ver­ant­wort­lich ist.

Über­haupt sind gerade in klei­nen Bistümern und Hochstiften wie Würzburg, Bamburg, Augsburg und Fulda Hexenverbrennungen sehr häu­fig zu fin­den. Das hat aber, wie die Forschung in der Zwischenzeit deut­lich gemacht hat, nicht so sehr etwas mit der Kirche zu tun, als viel­mehr damit, dass der Wechsel der Zentralgewalt in Form des Bischofs zu einer Schwächung die­ser Region führte, die der jewei­lige Nachfolger mit ent­schlos­se­ner Gewalt auf­zu­fan­gen ver­suchte. Die Hexenprozesse waren eine Art Ventil. Auch lässt sich das Ausmaß der Hexenverfolgung nicht an der jewei­li­gen Konfession fest­ma­chen – auch unter den Protestanten waren eif­rige Hexenverfolger. So glaubte auch Martin Luther an die Hexensekte und war von der Hexenverfolgung über­zeugt.

Auch in Schweiz und Öster­reich wur­den Hexen ver­brannt, die spa­ni­sche Inquisition hin­ge­gen lehnte Hexenverbrennungen ab, auch auf ita­lie­ni­schem Gebiet fin­den sich nur wenige Hexenverbrennungen. Auch in den USA gab es nur wenige Hexenverbrennungen, auch wenn die Hexen von Salem zu beson­de­rer Berühmtheit gelangt sind. Deutschland nimmt bei den Hexenverfolgungen eine trau­rige Sonderrolle ein: Die Hälfte aller Opfer des früh­neu­zeit­li­chen Hexenwahns wur­den auf deut­schem Boden ver­brannt.

Ursachen für den Hexenwahn

Erklärungen für den Hexenwahn gibt es ver­schie­dene. So wer­den zum Beispiel die Folgen der Kleinen Eiszeit ver­ant­wort­lich gemacht, die zu Beginn der Frühen Neuzeit über Europa her­ein­brach und in der Folge schlechte Ernten und Hunger mit sich brachte. Für die­ses uner­war­tete Übel musste eine Erklärung gefun­den wer­den – und die Vorstellung einer Hexensekte bot sich da als Erklärungsmuster an. So zeigt sich ein Zusammenhang zwi­schen der Gewalt des 30jährigen Krieges und den kli­ma­ti­schen Veränderungen Anfang des 17. Jahrhunderts, wo es oft noch Schnee und Hagel im Mai gab. Dieses Zusammentreffen von krie­ge­ri­schen Ereignissen, die eine ganze Lebensspanne eines Menschen umfass­ten und man­che Regionen oft mehr­fach ver­wüs­te­ten in Verbindung mit Epidemien und Hunger gaben den Menschen das Gefühl, dass die­ses Ausmaß an Elend und Not keine natür­li­che Ursache hatte, son­dern durch Schadenszauber her­vor­ge­ru­fen wor­den war. Das Gebiet des heu­ti­gen Deutschland war vom Morden und Brandschatzen des 30jährigen Krieges beson­ders betrof­fen – was eine Erklärung für die Intensität der Hexenverfolgungen zu die­ser Zeit in die­ser Region lie­fern kann. Doch schon vor die­sem Höhepunkt der Hexenverfolgung regte sich Widerstand gegen den Hexenwahn. Bereits 1560 for­mu­lierte der Artz Johannes Weyer Kritik an den Hexenverbrennungen. Seiner Meinung nach waren die Hexen ein­fach melan­cho­lisch. Auf seine Kritik folg­ten viele wei­tere, die die Hexenverfolgung als rück­stän­dig und aber­gläu­bisch kri­ti­sier­ten. Thomas Hobbes ent­larvte in sei­nem Leviathan den Hexenglauben als lächer­lich und albern. Hexerei als Verbrechen ver­schwand schließ­lich aus der Strafgesetzgebung. Trotzdem kam es ver­ein­zelt immer noch zu Hexenpogromen.

Die Hexe als roman­ti­sche Märchenfigur und poli­ti­sches Symbol

Ihre Wiederkehr erlebte die Hexe als roman­ti­sche Märchenfigur durch die Brüder Grimm. Sie mach­ten aus ihr so etwas wie eine »Mittlerin zwi­schen den Welten«. Jules Michelet griff diese Vorstellung mit dem Begriff der »Ärz­tin des Volkes« in den 1960er Jahren wie­der auf. Bei Carl Gustav Jung ent­spricht die Hexe dem Archetyp der »Großen Mutter«. Feministinnen der 1960er und auch spä­te­rer Jahre wit­ter­ten in der Hexenverfolgung eine »Frauenverfolgung« und ver­gli­chen es mit dem Holocaust. Sie nann­ten es einen Genozid an den Frauen durch das Patriarchat. Diese Sichtweise ist nach dem Stand der Forschung nicht halt­bar.

Die Hexen der Frühen Neuzeit waren bedau­erns­werte Opfer ihrer Zeit, die den Vorstellungen und Über­zeu­gun­gen ihrer Epoche zum Opfer fie­len. Es ist selt­sam, dass wir die »Hexe« als Figur heute so begrü­ßen und ver­harm­lo­sen und damit ein Stück weit auch diese Opfer ver­al­bern, die die­sen Über­zeu­gun­gen zum Opfer fie­len.

Das Schwierige an den Hexen als »weise Frauen« und »Ärz­tin­nen des Volkes« ist, dass diese Vorstellung heute ins­be­son­dere von völ­ki­schen und rech­ten Gemeinschaften über­nom­men wird, die behaup­ten, die Kirche habe eine Art ger­ma­ni­sches Urwissen um Kräuterheilung und Spiritualität mit den Hexen ver­nich­tet und es wie­der­be­le­ben wol­len. Aus die­sem Grund wer­den auch Nachrichten, in denen Städte ein­zelne Opfer von Hexenprozesse nach­träg­lich frei­spre­chen, in den ent­spre­chen­den Foren begeis­tert auf­ge­nom­men. Es ist selt­sam, dass diese Nachrichten ebenso in femi­nis­ti­schen Foren beju­belt wer­den.

Die Hexenopfer der euro­päi­schen Neuzeit waren nicht unsere Schwestern im Geiste, es ist falsch, sie für heu­tige poli­ti­sche Zwecke zu instru­men­ta­li­sie­ren. Sie ver­die­nen unsere Achtung und Aufmerksamkeit – im Kontext ihrer Zeit. Sobald wir sie aber benut­zen wol­len, um unse­ren Interessen heute Nachdruck zu ver­lei­hen, so wie es Feministinnen durch­aus schon getan haben, und behaup­ten, die Hexenverfolgung seien ein Ausdruck der gewalt­tä­ti­gen Vernichtung des weib­li­chen Urwissens durch das Patriarchat, bege­ben wir uns in ein fal­sches ideo­lo­gi­sches Fahrwasser, des­sen Nähe zu rech­ten Gruppen uns eine Warnung sein sollte.

Literatur zum Weiterlesen:

  • Wolfgang Behringer: Hexen. Glaube, Verfolgung und Vermarktung. München, 2009
  • Felix Wiedemann: Rassemutter und Rebellin – Hexenbilder in Romantik, völ­ki­scher Bewegung, Neuheidentum und Feminismus. Würzburg, 2007
  • Frauen- und geschlech­ter­ge­schicht­li­che Perspektiven der Hexenforschung

[Über­nahme von Die Freiheitsliebe]

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Nic Frank