Es ist ein Jammer. Mein Lieblings-Kaffeebecher hat einen Sprung und der Inhalt ist kalt geworden, weil ich das Tochterkind nun gefühlte 100 Mal wieder in ihr Bett zurück befördert habe. Wenn ich mir das Wetter draußen so ansehe, dann könnte ich direkt weitermachen mit dem Jammern. Und wenn ich ein Resümee ziehe, was ich heute eigentlich geschafft oder vielmehr nicht geschafft habe, dann könnte ich erst recht jammern. Ich weiß, ich sollte aufhören zu jammern, aber es hat Jahre gedauert, bis ich so gut darin geworden bin. (Dieser Spruch stammt aber nicht von mir, sondern aus einem wunderbaren Cartoon zum Thema “Frauen jammern”) Mein einziger Trotz ist die Gewissheit, dass ich soeben auf wunderbare Weise Burnout-Prävention betrieben habe. Und schon fühle ich mich ein Stück weit besser.
Das hört sich komisch an? Liest man aber dieses kleine Netzfundstück aus einer Südtiroler Zeitung, dann steht das Jammern schon in einem anderen Licht. Im Artikel geht es um das Burnout-Syndrom und die Tatsache, dass bei Frauen Burnout am häufigsten dadurch entsteht, dass sie grundsätzlich bereitwillig mehrere Rollen einnehmen und einen blinden Fleck für die daraus resultierenden Belastungen entwickeln. Viele Frauen seien Mütter, Partnerinnen, Hausfrauen und Berufstätige zugleich heißt es. Dr. Psycha (der Psychologe ist und wirklich so heißt) erklärt darin zum Jammern: „Menschen mit Burnout sind der Meinung, dass man über Belastungen nicht reden und schon gar nicht klagen kann. Interessanterweise wäre aber genau das der erste Schritt: Erst wenn ich anfange zu jammern, merke ich, was ich alles zu tragen habe.“
Hand auf’s Herz, liebe Mütter! Wann haben wir denn zuletzt so richtig herzhaft und ausgiebig gejammert? Ich meine damit nicht die Momente, in denen wir still und heimlich unser Leid in uns hinein klagen, sondern eine Gelegenheit, bei der wir die Dinge beim Namen nennen. Also wirklich aussprechen. Mein Mann und ich haben da eine Abmachung: Ich darf ihn gern als meine Entsorgungsstation für Seelenballast und allerhand Jammervolles benutzen. Wichtig ist nur, dass ich ihm vorher sage, wenn ich keine Lösungsvorschläge möchte, sondern einfach mal nur herzhaft jammern will. Das tut so gut und ist besser als jedes leise Jammern bei einem kalten Kaffee aus deinem Kaffeebecher mit Sprung. Ich schwöre!
Nun habe ich aber gelesen, dass man lieber klagen soll, anstatt zu jammern. Ja, das Leben ist schwer. Eben noch stolz, dass Jammern der Vorbeugung dient, schon könnte man wieder jammern, dass man’s wieder verkehrt macht. Zum Glück hat die Dame, die zum Klagen statt Jammern aufruft, jede Menge Humor. Kommunikationstrainerin Margit Hertlein sagt, dass wir uns einen schönen tiefen Jammersumpf anlegen, wenn wir immer auf der Stelle herumtrampeln und ewig über die selben Dinge nörgeln.
Von Margit Hertlein habe ich ein Video zum Jammersumpf gefunden. Es ist ein Mitschnitt eines Vortrages vom 15. Münchener Intensivpflegetag, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich nicht nur Mütter in Pflegeberufen in so mancher Szene wiedererkennen. Ich werde auf jeden Fall den Tipp mit dem Spiegel (ab Minute 4:05) wieder öfter beherzigen.
Und wann habt ihr das letzte Mal so richtig schön gejammert geklagt?