"Heute geht es mir schlecht"

"Heute geht es mir schlecht" - na, da bin ich aber einmal hochgradig gespannt, ob angesichts dieses tristen Titels überhaupt irgendjemand diesen meinen Blog klickt, geschweige denn auch noch liest. Denn wer möchte sich schon schlecht mit-fühlen oder gar von anderen hören, beziehungsweise lesen, dass ihnen das Leben den obligatorischen Glücksbonus entzogen hat. Auf der anderen Seite: vielleicht ist gerade dieser Titel hier extrem hitverdächtig. Ich hole mal ein bisschen aus, im Sommer bekomme ich immer wieder bundesdeutsche Zeitschriften geschenkt. Darüber freue ich mich sehr, denn sonst wäre beispielsweise die jüngste königliche Hochzeit komplett an mir vorübergerauscht wie der Schleier der Braut, muss ich gestehen. So durfte ich anhand zahlreicher bunter Bildchen noch Wochen später fröhlich miterleben, wie schrecklich kurz ein Hochzeitskuss sein kann (schade, schade), und wer auf der Hochzeit eine unförmige Figur gemacht hat (lästerläster), wer sich daneben benahm (peinlich aber auch) und wer gesundheitlich angeschlagen aussah (oh Schreck). Nun, eben das ganze negative Zeug drumherum, was ich mir erst einmal gar nicht unter der Headline "Just Married" vorgestellt hätte. Es geht noch weiter: während dann also ein paar dieser Blättchen bei uns Zuhause verteilt herumlagen, merkte ich nach ein paar Tagen tatsächlich einen Hauch von Depression in mir aufsteigen. "Wie das?", so meine Frage in mich hinein, und als just in diesem Moment mein bis dato getrübter, weil verirrter Blick auf ein Titelbild fiel, erkannte ich meine fatale Neu-Modifikation. Kein Wunder, dass es einem schlecht geht, wenn man ständig liest: "M. und L. - alles aus", "R.B.: sein einsamer Tod", "trauriger Abschied von XY", "T.J. - so qualvoll war ihr Leiden" - ja hallo? Ich dachte, ich wäre in der Unterhaltungsabteilung der Printmedien gelandet! Soll denn eine Zeitschrift nicht Spaß und Freude machen? Also, diese Überzahl an Negativ-Meldungen! Und ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht, im Innenteil nachzublättern, was denn unsere Stars und Sternchen für Kummer und Sorgen erdulden müssen. Wie sich glücklicherweise herausstellte: alles halb so schlimm! Die Überschriften auf dem Zeitschriftendeckblatt waren - oh Wunder - maßlos übertrieben. Wer also glaubt, allein sex sells, hat die Rechnung ohne das Elend der Menschheit gemacht. Außerdem ist leider erwiesen, dass sich viele Menschen besser fühlen, wenn es anderen schlechter geht. Oh Energiedrama! Worauf ich aber eigentlich hinaus möchte: will es denn jemand tatsächlich wissen, wenn es mir heute wirklich schlecht geht? Im Idealfall mein geliebter Ehemann, sogar die Tiere haben ein Gefühl dafür, dann ist da noch meine Freundin .... und weiter? Auf Mallorca wird gerne und grenzwertig oft gefragt, wie es einem denn so geht. Das ist eine standartisierte Begrüßungsfloskel, wie mancherorts auf der Welt. Nur wehe, man sagt nicht "gut". Oder: Würde das überhaupt jemand mitbekommen? Ich darf "ja" sagen, den einen oder anderen gibt es tatsächlich. Ich habe sogar jemanden getroffen. In Can Picafort läuft nämlich ein Mensch durch die Gegend, von dem andere behaupten: "der spinnt". Er sei verrückt, seltsam, blöd und doof und was auch immer. Es erkundigt sich immer und immer und bei jeder und jedem, wie es gehen würde. Auch bei mir wieder einmal vor ein paar Tagen. Ganz ehrlich: Mir war insgesamt schräg zumute in jenen Minuten, doch ich sagte natürlich, es gehe mir gut. Sein Stutzen zeigte spontan an, dass ich gnadenlos enttarnt war. Kurze Pause - "Wirklich?" kam die zögerliche Nachfrage, ein ganz feinfühliger Mensch hatte seine Sensoren ausgefahren. Und ich war beeindruckt. In diesem Moment ging es mir tatsächlich auf der Stelle besser, denn diese eine ehrliche Nachfrage war wie ein globaler Hoffnungsschimmer am neblig-trüben Horizont der menschlichen Anteilnahme.

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