Heute Frage ich: Ursula Dittmer, Claudia Toman, Andrea Kossmann und Karl-Heinz Witzko

Von Alexandra @Alexandra71

So, und ab in die nächste Runde!! Dieses mal ist sie etwas länger, denn dieses mal Hab ich 4 Autoren die auf meine Frage antwort geben. Da hat sich was gekreuzt und da ich es schade fände zu warten bis diese Person zu der Frage kommt, mach ich jetzt mal eine Quartett-Runde.

Dieses Mal hab ich mir über die Bücher an sich Gedanken gemacht, oder doch eher über die Autoren? Nun, über die Bücher kamm ich dann auf die Autoren und zwar, welche Zielgruppe möchte der Autor oder die Autorin mit ihren Büchern ansprechen? Ich denke, die haben ja schon ein klares Bild davon, aber ob das dann immer so zutrifft wage ich mal zu bezweifen. Also lautet meine nächste Frage auch wie folgt... 


Welche Zielgruppe möchtest du mit deinen Büchern erreichen?

Dazu hab ich also folgende 4 Autoren befragt...

Ursula Dittmer

Eigentlich wäre das mit ein, zwei Worten erklärt. Ich habe meinen Zyklus für fantasybegeisterte Erwachsene und Würzburger geschrieben. Nun, da zwei Bände meiner Trilogie seit einiger Zeit auf dem Markt sind, merke ich, dass ich auch andere LeserInnen erreiche als ursprünglich gedacht. Jugendliche gehören genauso dazu wie Senioren, Freunde und Freunde von Freunden. Da kann man inzwischen nicht mehr von meiner Zielgruppe reden. Wem mein Schreibstil gefällt, der liest meine Bücher, auch wenn er / sie nie zuvor einen Fantasyroman gelesen hat. Als ich zu schreiben begann, tat ich das für mich und eine Gruppe von Freunden. An eine Veröffentlichung hatte ich zunächst nicht gedacht. Als ich mich entschloss, zu publizieren, wusste ich zwar, welche Zielgruppe sich für mein Buch interessieren wird, aber ich habe nicht bewusst für diese Zielgruppe gearbeitet. Ich schrieb in erster Linie für mich selbst. Kann man sagen, dass ich jetzt, bei der Arbeit an Band 3 meine Leserschaft eher im Auge habe als vorher? Möglicherweise. Jetzt würde ich meine Zielgruppe um die Gruppe der Drachenfans erweitern. In Band 1 haben die Drachen nämlich eine große Rolle gespielt, in Band 2 kamen sie nur am Rand vor. Das hat vielen LeserInnen nicht gefallen. Also werden in Band 3 die Drachen erneut Schwerpunkt sein.

Claudia Toman

Man schreibt immer das, was man selbst gerne lesen möchte. Insofern glaube ich, dass meine Zielgruppe aus Menschen besteht, die ähnlich ticken wie ich. Menschen, denen der Gedanke Vergnügen bereitet, steinerne Statuen auf belebten Plätzen könnten plötzlich mit ihnen sprechen, Katzen hätten große Geheimnisse oder die Welt würde in Wahrheit von sonderbaren Organisationen gelenkt. Abenteuerlustige Menschen, die immer schon zum träumen und phantasieren geneigt haben, die mit Frodo Mittelerde bereist oder mit Harry Hogwarts besucht haben. Märchen- und Hexenentdecker. Leser, die sich nicht oft und tief genug in Geschichten fallen lassen können. Das kann eigentlich jeder Mensch da draußen sein, dem die Realität ohnehin viel zu real ist, der Lust hat, mal etwas ganz Anderes zu erfahren und der keine Scheu vor Grenzüberschreitung hat. Denn meine Romane übertreten viele Grenzen, sie passen in kein Schema, keine Schublade und in Buchläden oft in kein Regal. Ich würde sagen, es ist so etwas wie eine moderne Unendliche Geschichte, und ich stelle mir gerne vor, dass meine Leser die Bücher in kleinen, dunklen, staubigen Buchgeschäften mit kauzigen Besitzern ganz oben, ganz hinten in einem Regal finden und fragen: "Was ist denn das?" Und dann streicht der uralte Buchhändler mit leberfleckigen Fingern über das Cover von "Hexendreimaldrei" und flüstert: "Hüten Sie sich vor diesem Buch! Es ist wie kein anderes. Es ist gefährlich, es zu lesen." Solche Leser, würde ich sagen, wären meine Zielgruppe. :-)

Andrea Kossman

nGanz automatisch wird die Zielgruppe meines Romans "Männertaxi" sicher in erster Linie die von Frauen sein, die sich gerne durch ein Buch lustig unterhalten lassen möchten. Das sind Frauen, die gerne Frau sind und die vielleicht den ein oder anderen Faux-Pas mit Männern erlebt haben, die aber am Ende doch über die männliche Hälfte der Menschheit lachen können. Frauen, die sich gerne mit einem Buch und einer schönen Tasse Tee im Herbst in die Decke einkuscheln und sich die Herbstdepression von der Seele weglesen. Und dabei vielleicht ein Stück Schokolade genießen. Oder zwei. Oder Häagen-Dasz-Eis.

Vielleicht werden es auch Frauen sein, die beim Lesen denken "Och ... so ein Männertaxi wäre irgendwie gar nicht so übel!", aber natürlich ist es einfacher und auch lustiger, so eine Geschichte zu lesen, als selber den Mut aufzubringen, ein Männertaxi in die Realität umzusetzen.
Eine Altersgrenze besteht meiner Meinung nach nicht. Es werden sicher junge Frauen genauso gerne lesen wie ältere. Denn jede jüngere Frau wird mal älter und jede ältere Frau war mal jung.
Während des Schreibens aber habe ich ehrlich gesagt nie an eine bestimmte Zielgruppe gedacht.
Denn, warum sollten nicht auch Männer "solche" Bücher lesen? Vielleicht sollten sie sogar öfter mal in dieses Genre schauen, um die Frauen ein wenig besser zu verstehen?
Natürlich werde ich nicht die Gruppe von Lesern erreichen, die fernab vom Mainstream liest. Also Menschen, die sich überwiegend gerne Klassiker zu Gemüte führen. Die können ganz sicher mit meinem Roman nichts anfangen. Dabei ist gerade das, was man in solch humorvollen Büchern liest, das reale Leben, das der Autor widerspiegelt. Die besten Geschichten schreibt nämlich immer noch das Leben selber und Situationen, die tagtäglich in dieser Welt passieren, werden meist erst dann lustig, wenn man im Nachhinein drüber schreibt.
Resumeé: Ich will gar keine Zielgruppe erreichen, sondern ich freue mich, wenn ganz viele verschiedene Menschen über meinen Roman lachen können und ich ihnen damit ein paar schöne Lesestunden bescheren kann.
Wenn ich aber nun doch eine Zielgruppe nennen muss, dann wäre es wohl diese:
Menschen, die gerne lesen und die wissen, dass man zwischen zwei Buchdeckeln Geschichten finden kann. Man muss sie nur entdecken!

Karl-Heinz Witzko

Als ich noch als Rollenspielautor tätig war, war die Antwort auf diese Frage relativ einfach, da sie  praktisch vorgegeben war: Rollenspieler und zwar die eines ganz bestimmten Spieles. Diese Spieler gab es allerdings auch damals in unterschiedlicher Ausführung: Manche waren zwölf Jahre alt, andere sechzig. Manche waren Schüler oder Auszubildende und Studenten, andere arbeiten in Call Centern, als Polizisten, Richter oder Ärzte. Eine ziemlich heterogene Gruppe, die jedoch die Gemeinsamkeit aufwies, sich für eine ganze spezielle Fantasywelt mit ihren unterschiedlichen Völkern und Kulturen zu interessieren, in der dann die jeweiligen Autoren ihre Geschichten ansiedeln konnten. Wenn ich heutzutage schreibe, dann ist meine potenzielle Leserschaft zwar immer noch sehr heterogen bezüglich Alter, Bildung und sozialer Struktur, aber das einzige, was ihr zunächst gemein ist, ist dass sie sich aus Menschen zusammensetzt, die Fantasy lesen. Das ist noch nicht viel, denn was ist schon Fantasy? Das ist ein ziemlich weites Feld. Fantasy kann blutrünstig und düster sein, episch, romantisch, märchenhaft oder humorvoll.Es erscheint damit naheliegend, die Gemeinsamkeit innerhalb seiner Leserschaft zu vergrößern, indem man sich auf eine ganz bestimmte Teilgruppe festlegt. Allerdings muss man dazu einiges über sie und ihre Lesegewohnheiten wissen, denn sonst hilft einem diese Festlegung gar nichts. Woher bekommt man dieses Wissen? Man könnte die Leute vom Verlag fragen, die einem jedoch nur allgemeine Trends benennen können, also etwa dass eine gewisse Sorte von Romanen sich momentan gut verkauft und die Erfahrung dafür spricht, dass der Trend noch ein Weilchen anhält – aber niemand garantieren kann, dass es wirklich so ist. Aber damit erfährt man nur sehr Allgemeines und nichts über etwaige Zielgruppen. Besser wäre es, Buchhändler zu fragen, weil sie direkten Publikumskontakt haben und zumindest rein äußerlich einschätzen können, wer welche Bücher kauft. Realistischerweise erfährt man hierdurch etwas über ein Dutzend Kunden in ein oder zwei Buchhandlungen und erhält gratis noch sämtliche Probleme einer völlig planlosen statistischen Erhebung frei Haus: Verhalten sich diese paar Kunden genauso wie die, die in der Bahnhofsbuchandlung ihre Lektüre erwerben, im Kaufhaus oder im Internet?Da scheint es schon fast vielversprechender zu sein, darauf zu hoffen, dass an gängigen Klischees irgendetwas Wahres ist. Etwa: männliche Leser zwischen zwölf und zweiundzwanzig sind eher action- und gewaltorientiert, weibliche eher romantisch. Meine persönliche Erfahrung stützt solche Aussagen nicht so ganz. Eine meiner Leserinnen schwärmt in ihrem Blog genauso begeistert von meinen Koboldgeschichten wie vom letzten Splatterfilm, den sie gesehen hat, und eine meiner populärsten, frühen Figuren, nämlich ein Auftragsmörder, war seinerzeit überraschend beliebt beim weiblichen Teil meiner Leserschaft. Im Nachhinein gibt mir das etwas zu denken. Auf der anderen Seite erfreut sich Riette, die mittelschwer verhaltensgestörte Koboldin aus den Koboldromanen, gerade bei den männlichen Lesern einer starken Popularität. Auch das gibt mir zu denken.So richtig weiter sind wir damit also noch nicht, und wenn ich jetzt als Beispiel einer stärker eingegrenzten potenziellen Zielgruppe spezifiziere - Frauen, vierzig Jahre alt, erfolgreich im Beruf, schwieriges Privatleben –, dann fallen mir im Sinne von Alexandras Ausgangsfrage nur drei Wörter zu meiner Einschätzung von deren Leseverhalten ein, nämlich ichstehe, wiederochs und vormbergGenug der Kaffeesatzleserei!Wenn ich einen neuen Roman beginne, dann schreibe ich ihn so, wie ich denke, dass es die Geschichte erfordert und wie es meinen aktuellen Bedürfnissen und handwerklichen Fertigkeiten entspricht. Ich überlege mir, was den nicht näher spezifizierten, ominösen Leser (NNSOL), interessieren und erfreuen könnte, da ich ihn ja möglichst langfristig an mich als Autor binden will. Ich mache mir keine expliziten Gedanken, welcher Zielgruppe er oder sie angehören soll, was nicht bedeutet, dass ich nicht stillschweigend einige Erwartungen an ihn hätte. Etwa die Bereitschaft, sich auf eine Reise mitnehmen zu lassen und nicht gleich Zeter und Mordio zu schreien, wenn ihm nicht bereits auf der ersten Seite lückenlos dargelegt wird, wohin die Reise geht. Oder sich in Geduld zu üben, wenn er zwischen den geschilderten Szenen nicht gleich einen Zusammenhang erkennt. Manchmal ähnelt eine Geschichte nämlichen einem Gemälde von Lichtenstein oder Seurat: Erst wenn man einen Schritt zurücktritt erkennt man, dass die scheinbar wahllos verteilten Farbkleckse ein Gesicht darstellen.