Heute frage ich: Lea Korte, Karl-Heinz Witzko und Eva Lirot

Von Alexandra @Alexandra71
Ich muss gestehen, ich hab noch nie ein klassisches Buch gelesen, weder Schiller, noch Goethe oder Hess, und wie die alle heissen. Irgendwie hat das bis jetzt noch nie wirklich geklappt. Aber mal sehen, vielleicht findet mal ein solches Werk in meine Hände. Und daher war dieses mal die Frage für mich leicht, denn ich wollte von den Autoren wissen ob sie vielleicht...
Liest du klassische Literatur? Ja, welche? Nein, warum nicht?

Und nun last euch mal überraschen was ich da für Antworten bekommen habe.
Lea KorteJa, ich lese (auch) klassische Literatur, allerdings heute aus Zeitmangel weit weniger als früher. Ich muss für die historischen Romane so viel Fachliteratur studieren, dass ich derzeit überhaupt nur wenig Belletristik lesen kann. Meine Lieblingsbücher unter den Klassikern sind z.B.Madame Bovary (Flaubert)
Effi Briest (Fontane)
Rot und Schwarz (Stendal)
Die Buddenbrooks (Thomas Mann)


Karl-Heinz Witzko Ich bin ein großer Bewunderer klassischer Literaten und zwar immer dann, wenn ich mich in einer fremden Stadt orientieren muss und auf den Straßenschildern lese: Hölderlinweg, Herderallee, Adalbert-Stifter-Gasse oder Theodor-von-Storm-Deich. Nein, ernsthaft: Überhaupt nicht, aber das hängt mit meiner Lesebiographie zusammen und den daraus entstandenen Vorlieben und Vorurteilen. Als ich ein Kind war, wurde bei uns zu Hause so gut wie gar nicht gelesen, allerdings wurde es gut geheißen und gefördert, dass ich damals die Ausnahme bildete und sehr gerne las. Wenn ich mich recht erinnere, so bestand die Lektüre meiner Kindheit und frühen Jugend aus einer Mischung aus diversen Heldensagen, Karl-May-Romanen und den Biographien prominenter Indianerhäuptlinge, in die sich dann ab und zu Romane von einzelnen Vertretern des 19. Jahrhunderts mogelten, die mit etwas Wohlwollen als Jugendliteratur durchgehen konnten, also etwa von Robert Louis Stevenson, Mark Twain, James F. Cooper, Alexandre Dumas oder Charles Dickens. Während meiner Schulzeit machte ich zwangsläufig Bekanntschaft mit dem einen oder anderen deutschsprachigen Klassiker im Sinne deiner Frage, aber gleichzeitig auch die Erfahrung, dass wenn man jemandem etwas auf die richtige Weise nahe bringt, man damit durchaus erreichen kann, dass er nie wieder etwas damit zu tun haben will. Diese Erfahrung habe ich gründlich verinnerlicht, womit deine Frage eigentlich schon beantwortet wäre. Als ich mit sechzehn oder siebzehn dachte, ich müsse nun seriösere und erwachsenere Literatur lesen,   landete ich zunächst bei Sartre und Tennessee Williams und dem zu der Zeit unausweichlichen Salinger, den ich aber nicht so beeindruckend fand wie andere Leute damals. Nach einiger Zeit bin ich ganz zur angelsächsischen Literatur abgewandert und habe mich dann im Laufe der Jahre durch das zwanzigste Jahrhundert durchgearbeitet. Um einige Autoren zu nennen, von denen ich teilweise wirklich viel gelesen habe:  H. G. Wells,  George Bernhard Shaw, Upton Sinclair (ein enorm produktiver Mensch, der nicht nur Romane und Theaterstücke schrieb, sondern auch recht dezidierte Ansichten über Literatur hatte), sein Landsmann Sinclair Lewis, Aldous Huxley, George Orwell (die beide sehr viel mehr geschrieben haben als nur ihre berühmten Dystopien), D. H. Lawrence, der bereits erwähnte Williams, John Irving, David Lodge, Julian Barnes, Hanif Kureishi.  Kurz und gut: Meine „Klassik“ befindet sich sehr deutlich im zwanzigsten Jahrhundert und ihre Autoren sind überwiegend englischsprachig. Ich habe zwar gelegentlich Ausflüge in andere Sprachräume und Epochen unternommen, aber das ergab sich dann meistens aus einem aktuellen Zusammenhang heraus. Wenn etwa im fünften SF-Roman in Folge und der zweiten Agentenserie im Fernsehen Sun-Tzu erwähnt wird, will man eben mal wissen, was der Kerl wirklich geschrieben hat, so wie man nach den x-ten Hören einer der unzähligen Versionen von „Jerusalem“ vielleicht zu William Blake findet oder bei einer Schwäche für gewisse Epochen der Malerei dann eben auch einmal Gedichte von Tennyson oder Garcia Lorca liest. Eva Lirot Für mich ist er einer der wenigen Geschichtsgrößen, vor denen ich noch Respekt habe, NACHDEM ich mich näher mit ihnen beschäftigt hatte ;-)
In seinen Werken habe ich also nicht nur während des Studiums gelesen, sondern mache das heute noch - freiwillig ;-)
Und besonders empfehlen kann ich seinen Roman "Candide oder der Optimismus". Total witzig!
Um den Humor zu verstehen, muss man allerdings wissen, dass die Macht der kirchlichen Institutionen im 18. Jahrhundert zu bröckeln begann - nicht zuletzt dank des Engagements des französischen Aufklärers Voltaire. Und man muss wissen, wer Leibniz war: ein deutscher Philosoph (17. Jhr.), der die Frage, warum der "allmächtige" und "gütige" Gott denn soviel Übles und Böses in der Welt zulassen würde, damit beantwortete, das dies eben in Einklang mit Gottes Allmacht, Weisheit und Güte stünde - so nach dem Motto: Alles ist "gut", so wie es ist.
Und dann lese ich ab und an noch ein bisschen Shakespeare.
Seine Theaterstücke leben rein von den Dialogen, da kann man als Autorin viel lernen. Denn nichts ist schlimmer als ein Dialog, bei dem ständig ein erklärender Halbsatz angefügt wird - zum Beispiel: "sagte er wütend", "klärte sie auf", "gab er ihr zu verstehen" usw.. Die Emotionen der Romanfiguren sollen nämlich nicht erklärt, sondern dargestellt werden. Und das erreicht man durch die entsprechende Wortwahl IM Dialog ;-)
Es war wieder serh interessant und ich bedanke mich von ganzem Herzen für die ausführlichen Antworten, hat wie immer Spass gemacht sie zu lesen!