Da mein Entschluss, den Kurs an dieser Stelle zu beenden, auf sehr viel Unverständnis gestoßen ist, und ich von einigen Seiten dafür sogar regelrecht verurteilt wurde, möchte ich mit einem Bild versuchen, es für jeden verständlich zu machen.
Stellt Euch einmal vor, Ihr seid eine begnadete Köchin (oder vielleicht auch Koch!) und habt für Samstagabend 10 Gäste zum Dinner eingeladen. Schon am Anfang der Woche überlegt Ihr Euch, was Ihr ihnen servieren könntet. Dann geht Ihr einkaufen und besorgt die köstlichsten Leckereien, ohne auf den Preis zu schauen. Ihr geht sogar in ein besonderes Feinkostgeschäft, weil Euch für die Krönung Eures Menüs noch eine spezielle Zutat fehlt.
Dann habt Ihr alles beisammen und steht den ganzen Samstag in der Küche, um für Eure lieben Gäste ein 5-Gänge-Menü vom Feinsten zu zaubern. Und abends ist es dann endlich soweit: Nach und nach treffen Eure Freunde ein. Ein kurzer Smalltalk beim Aperitif und dann bittet Ihr zu Tisch, den Ihr festlich und farbenfroh gedeckt habt.
Das Essen selbst läuft dann relativ ruhig ab. Hin und wieder erzählt jemand einen Schwank aus seinem Leben, vom Urlaub, vom Geschäft, von den Kindern. Eine Freundin, die ebenfalls leidenschaftlich gerne kocht, erzählt, wie SIE dieses Hauptgericht am liebsten zubereitet, das Ihr für den heutigen Abend ausgewählt habt. Der Rest sitzt nur schweigend vor seinem Teller, verzieht keine Miene und lässt sich höchstens von dem einen oder anderen Gang noch etwas nachlegen. Nur einer lässt mal ein hörbares “Mmmh” oder sogar ein leises “Das ist lecker” vernehmen.
Während Ihr in der Küche den nächsten Gang vorbereitet, kommt einer der Gäste herein und fragt Euch, ob Ihr ihm etwas von der speziellen Zutat schenken würdet, die Ihr da verwendet habt. Und vielleicht könntet Ihr ihm auch noch ein paar Tipps geben, zu welchen Gerichten sie am besten passt und wie er sie verwenden kann. Ihr gebt ihm gerne etwas ab und nehmt Euch auch die Zeit, ihm ein paar Dinge aufzuschreiben. Dann geht ihr zusammen wieder zu den übrigen Gästen, doch Euer Freund denkt gar nicht daran, zu erwähnen, wie sehr Ihr ihm geholfen habt. Stattdessen widmet er sich wieder seiner Tischnachbarin, und Ihr hört “zufällig”, wie er damit angibt, dass er mindestens so gut kochen kann wie Ihr.
Ihr nehmt all Euren Mut zusammen und fragt während des Nachtisches, wie es denn geschmeckt hätte. Doch alle scheinen viel zu sehr mit der verführerischen Süßigkeit vor sich beschäftigt zu sein. Nur eine sagt, dass es ganz ausgezeichnet war und sie selten so gut gegessen hätte. Ihr freut Euch sehr über diese positive Reaktion und fragt sie in Eurer Begeisterung, ob sie die Rezepte haben will. Doch darauf erwidert sie nur: “Oh nein, meine Liebe, SO lecker war es nun auch wieder nicht!”
Mal ehrlich: Würdet Ihr diese Leute am nächsten Wochenende wieder einladen? Nur, weil Ihr so gerne kocht und weil es Euch einfach Freude macht, mit den Zutaten zu experimentieren? Würdet Ihr wirklich Eure Kochkünste hinterfragen, von denen Ihr überzeugt seid? Und würdet Ihr Euch wirklich fragen, wie oft Ihr selbst in der Vergangenheit ein Essen nicht gelobt habt oder wann Ihr das letzte Mal undankbar wart? Oder würdet Ihr stattdessen am nächsten Samstag vielleicht lieber etwas mit Eurer Familie unternehmen, die Euer Essen über alles liebt und noch viel, viel mehr das Zusammensein mit Euch?
leben-lernen-lieben.de ist nicht tot. Der Spruch mit dem Pferd galt nur für den Kurs in seiner jetzigen Form. Es wird irgendwann weitergehen, dann aber ganz ohne die Pflicht, jede Woche etwas zu liefern (die ich mir ja selbst auferlegt hatte). Ich werde nur noch tun, was ich aus eigenem Antrieb und von ganzem Herzen tun möchte, ganz gleich, ob jemand zuschaut. So habe ich das in den 8 Jahren, in denen es diese Seite gibt, meistens gehalten, und es war gut. Dann habe ich mich von dem Erfolg, den dieser Kurs im vergangenen Jahr hatte, blenden lassen. Jetzt muss ich erst einmal zurück bis zu der Weggabelung, an der ich falsch abgebogen bin.
Alles Liebe,
Euer Jürgen
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