«Aïe! aïe!», gesprochen «Ayèye», das ist ein wohlgegründeter Schrei, der, indem er seine Energie aus der Lunge und seinen Schwung aus der Kehle nimmt, sich schreiend erhebt bis an die fernsten Horizonte der Zeit, des Raums und des Commonsense, die intime Botschaft des algerischen Beduinensangs.
Bevor ich auf die Volkspoesie, die Quasida, zu sprechen komme, hier gesungen von Cheïkh El hâdj Khelifi Ahmed und in einem Booklet transkribiert, zusammengestellt von Abdelkader Bendamèche, muß ich unterstreichen, daß jede unserer Regionen ihre eigene Seele hat, wie sie sich aus den Falten unserer Geschichte herausgebildet hat. Die Volksdichtung unseres Landes bietet Beispiele gesungener Poesie, bei der das artikulierte Wort durch eine der ersten Silben konstituiert wird, in welcher sich, sage ich, der Gemütszustand der algerischen Identität überträgt.
Die wiederholt vorgetragene Interjektion «aïe!» hat ein eigenes Genre hervorgebracht, die «ayèye», eine Art chanson de geste (Heldenlied), in dem der Dichter-Sänger seinen körperlichen oder seelischen Schmerz ausdrückt, aber auch seine Begeisterung für alles, was ihn in der göttlichen, menschlichen oder physischen Natur anzieht.
Ist das lyrische Poesie? Zweifellos. Ebenso zweifellos epische Poesie. Liebespoesie auch. Die Liebe ist hier von islamischer Mystik gefärbt, von Ritterschaft, Moral, Weisheit…, selten von Erotik.
Übrigens lasse ich mir nicht ausreden, daß das französische Epos – das mittelalterliche «Chanson de geste» – von den Dichtern der karolingischen Zeit seit Karl Martel, «dem Bezwinger der Sarrasins [Sarrazenen, in Wirklichkeit der «Mauren»]», wiederbelebt wurde. Zum Beispiel könnte es sein, daß Wesensmerkmale arabisch-andalusischer Erzählungen in vereinfachter Form das Rolandslied von 1080 angeregt haben. Der Dichter heißt Trouvère in Langue d’oïl oder Troubadour in Langue d’oc, Arabisch «târab ad-doûr» (Spieler eines runden Instruments, dem tambour [bendîr?]).
/ Kaddour M’HAMSADJI, L’Expression
ECH-CHEÏKH EL HÂDJ KHELIFI AHMED: HUIT CD DE POÉSIES POPULAIRES CHANTÉES (PUBLICATION CONÇUE ET RÉALISÉE PAR ABDELKADER BENDAMÈCHE)