Heruntergekommen: Ins Tal des Lot

Tag 64. Sonntag 7. Juli 2013. Von St.-Chély-d’Aubrac nach Espalion.

Schon um 8.15 Uhr, als ich vom Ferienhaus zum Frühstück ins Hotel gehe, wuselt es in den Straßen von St.-Chély von Pilgern. Die Frühaufsteher sind wohl bereits auf dem Weg. Das Frühstück gibt es heute vom Buffett. Sehr viel umfangreicher als sonst ist es allerdings nicht. Gegen 9.15 Uhr starte ich und gehe etwas hinunter zum Dorfplatz, wo ich den Pilger aus der Normandie im Café sitzen sehe;er ist also schon von Aubrac (1307 m) auf 808 m abgestiegen. Wir unterhalten uns eine Weile bevor ich weiter dem GR 65 folge, hinunter zur uralten historischen Pilgerbrücke. Auch sie steht – wie so vieles entlang dieses eindrucksvollen Wegstückes – unter UNESCO-Schutz. Auf dem Gegenhang zieht sich der Weg hinter dem Friedhof hinauf und bietet damit einen schönen Blick auf St.-Chély zurück. Parallel zur Landstraße verläuft der Wanderweg zwischen Steinmauern und Weiden nach oben. Ein letzter Blick zurück. Bis auf 910 Meter hat der GR 65 sich hier hinaufgeschwungen – die Aussicht ist faszinierend. Auf dem Bergrücken sucht sich der Weg nun die Trasse für den langsamen Abstieg ins Tal des Lot. Noch sind wir auf 800 Metern. Der Ginster ist hier längst verblüht und es wird spürbar wärmer. Mit meinen neuen Wanderschuhen läuft es heute geradezu atemberaubend gut. Das liegt zum einen am sanften Gefälle – da schiebt der Rucksack. Und zum andern haben sich Schuhe und Füße offenbar aneinander gewöhnt. Ich treffe Erika aus Würzburg wieder, die eine einzelne Pilgerin aus Frankreich kennengelernt hat. Sie unterhalten sich auf Englisch und nebenbei werden einige Worte vom Französischen übersetzt. Der steinige Weg erfordert volle Konzentration. Der Jakobsweg überquert ein kleines Seitental. Eine breit dimensionierte historische romanische Brücke erspart uns viele Meter Ab- und Aufstieg. 
Und schon geht es wieder aufwärts den Gegenhang hoch. Damit wir dann wieder auf der nächsten Bergnase allmählich tiefer steigen können. Hinweisschilder werben für einen Pilgerstop ¨Chez Murielle¨, der aber eine Dreiviertelstunde auf sich warten lässt. Die französische Pilgerin, die hier schon zum dritten Mal wandert, hat bereits von Murielle geschwärmt. Gegen 13.15 habe ich dann das kleine Haus am Hang erreicht und setze mich unter einen Sonnenschirm und genieße die Aussicht. Durst! Heute probiere ich Sirop de citron. Und noch einen! Murielles Spezialität sind Farçous, das sind Crèpes avec oignon, persil, blette – mangold-grüne Pfannkuchen mit Zwiebeln drin und mit Salat garniert. Hmmm! Noch 9 Kilometer bis Espalion. Da kann man auch einen Salade de fruits genießen, den sie mit reifen Früchten selbst macht. Hinterm Haus planschen Kleinkinder in einem aufblasbaren Swimmingpool. Fast möchte man neidisch werden…
Nach etwa einer halben Stunde bin ich unten im breiten heißen Tal des Lot.
St.-Côme-d’Olt liegt auf 385 m und zeigt sich schon von weitem als graue Dachlandschaft mit einem eigenartig gekrümmten Kirchturm, der eine Flamme darstellen soll. Das Dörfchen selbst ist ein Gedicht, da hier (fast) alles noch mittelalterlich erhalten geblieben ist: kleine Plätze, enge Gassen, alte Häuser sind hier seit gut 600 Jahren unverändert! Die Eingangstür der Kirche ist aus Eiche gearbeitet, Figuren und Jahreszahlen sind zu sehen und die Tür ist mit zahlreichen Nägeln verstärkt. Ich schaue in die Kirche und mache eine Reihe von Fotos vom Vorplatz. Am Café in der Nähe komme ich nicht vorbei ohne ein großes Panaché. Das lindert den Durst ein wenig. Weiter durch alte Gässchen und ein Tor. Hinunter zur Brücke über den Lot. Unten im trägen Wasser des Flusses baden Kinder und picknicken Familien.
Fünf Kilometer weiter – stets parallel zum Lot – habe ich dann Espalion erreicht. Es liegt auf 342 m direkt am Fluss. Mit der alten geschwungenen Bogenbrücke aus dem 13./14. Jahrhundert und den Gerberhäusern bietet sich ein eindrucksvolles altes Stadtbild. Und hoch über allem thront das Schloss der Herren von Calmont d’Olt. Am Ufer ist ein Flohmarkt (Brocante). Ich wandere über die neue Brücke und finde im Hotel Eaux vives Unterkunft.

23,1 km sind heute zusammen gekommen. 940 Höhenmeter Abstieg waren dabei. Insgesamt nähere ich mich der Hälfte: 1243 km sind geschafft.


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