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Auf der Suche nach einer Erklärung für das Fiasko der anstehenden Schlecker-Insolvenz – es kann auch so gewesen sein:
Mitte der 1970er Jahre schließt Anton Schlecker mit einem Freund eine heimliche Wette ab. Er wettet, aus seinem Krämerladen in der süddeutschen Provinz innerhalb seines Beruflebens ein Imperium mit mehreren tausend Filialen aufzubauen – und am Ende wieder abzuwickeln. Es ist die revolutionäre Idee, ein Anti-Unternehmen zu gründen – quasi eine anarchistische Langzeitstudie über die Auswirkungen unternehmerischer Fehlentscheidungen.
Dafür gelobt er, jegliche Regeln der Entwicklung erfolgreichen Einzelhandels zu ignorieren und auf Innovationen gänzlich zu verzichten. Zudem, so Herrn Schleckers Vision, will er alles daran setzen, den Sympathiefaktor seines Unternehmens auf ein Minimum zu reduzieren. Seine Strategie: lieblose und schmuddelige Verkaufsräume, Knebelverträge mit Zulieferern und Vermietern, denkbar schlechteste Behandlung der Mitarbeiter.
Natürlich sind auch die Marketing-Massnahmen auf das Projektziel ausgerichtet: Regelmäßig lancierte redaktionelle Pressemeldungen über Drangsalierungen der Filialmitarbeiter, leere Regale, Filialschließungen… Die Strategie gipfelt nun plangemäß am Ende darin, die eigenen engagierten Kinder mit ihren Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen vor aller Augen scheitern zu lassen. Das ist nur konsequent.
Es ist Herrn Schlecker hoch anzurechnen, daß er den ökonomischen Geschichtsbüchern eine umfassende Sammlung unternehmerischer „don’ts“ hinterlässt, die für nachfolgende Unternehmer-Generationen sicher hilfreich sein wird. Dabei gilt es vor allem, seiner Uneigennützigkeit Dank zu zollen – hat er es doch geschafft, die selbst verordnete unternehmerische Unvernunft über Jahrzehnte durchzuhalten, zielorientiert und beratungsresistent. Im Vergleich zu diesem Dienst an der Gesellschaft sind abertausende geprellte Mitarbeiter und Geschäftspartner bestenfalls ein Kollateralschaden. Und Herr Schlecker hat seine Wette gewonnen.