Mit den Sentimentalitäten ist es schnell vorbei. Während ich mal wieder auf Karla warte, sitze ich in der Frühlingssonne, lese den Abschnitt über den nach Titos Tod aufflammenden Nationalismus in Jugoslawien, inklusive der immer gleichen nationalistischen Mechanismen. Eine Zusammenfassung die ich einrahmen und für jeden sichtbar aufhängen werde. Während dessen heulen die Wolfshunde.
Ich überlege wie ich weiter vorgehe. Ständig steigen Bilder in mir auf von Ereignissen, stark emotional eingefärbt, die mich aber das Buch nicht wirklich erfassen lassen. Das Denken kommt nicht zum Zug. Ein Weg wäre es so nehmen wie es ist. Ich lasse die Bilder aufsteigen, lese ausschließlich in Bezug auf mich selbst, verblogge das und lese dann noch ein zweites Mal.
Erinnerung Reise Zagreb-Deva (vermutlich 92):
Ich rechne nach: im Juli 89 kam ich in Heidelberg an. Erst Übersiedlerlager, dann gediegene Behausung in der Innenstadt, später ein Zimmer ohne Wasser und Toilette. 1990 Schottland. 1992 Frühling Rückkehr. War es 1992? Wir fuhren mit einer Gruppe Jugendlicher nach Kroatien, ich selbst hatte gegen Ende der Fahrt ein Bewerbungsgespräch in Deva/ Rumänien. Ich weiß noch, dass ich in Zagreb abends strandete in einem beklemmend anmutenden Hotel mit Stahltüren und mit dem 4. 00 Uhr Zug Richtung Budapest weiterfuhr.
Im Abteil saß ein übergewichtiger Mann in den Fünfzigern und ein ´Jugendlicher/junger Erwachsener. Ich habe die Geschichte hier schon mal erzählt. Der junge Typ (südländischer Typus) bekam Besuch, ein Freund der aber kein Ticket für diese Preisklasse hatte. Er konnte deutsch. Der übergewichtige war Serbe und in kürzester Zeit entbrannte ein Konflikt, der sich in Wut und Zorn entlud. „Ich will hier nur kurz stehen und sprechen“, erklärte er mir noch, er ist Serbe und hat ein Problem mit mir. Ich weiß noch, er witzelte herum, während der Serbe mit hochroten Gesicht den Schaffner verständigte. Beim nächsten Halt wurden dem Jugendlichen von der Polizei die Arme auf den Rücken gedreht und aus dem Zug gebracht. Im Abteil schwieg man. In Budapest stiegt ich aus. Die Beklemmung wich erst, als ich auf meinen alten Wegen in Budapest herumlief und an die Übergangszeit dort dachte. Ich war noch einmal in Jugoslawien, auf einem kleinen Hof wurde ich in die Geheimnisse des Käse machens eingeweiht, während der Pianist in Subotica ein Konzert gab. Wir sangen Schto si lenno, Aide Jano und Magla padnala dolina.
Meine Eltern verehrten Tito.