Hercules And Love Affair: Zuviel verschenkt

Hercules And Love Affair: Zuviel verschenktHercules And Love Affair
„The Feast Of The Broken Heart“
(Pias/Moshi Moshi)
Eigentlich sollte man sich freuen, dass im Zuge der allgegenwärtigen Gender-Debatte auch das queere Musik-Kollektiv um Andy Butler, also Hercules And Love Affair, mehr und mehr aus der Nische treten und die Aufmerksamkeit bekommen, die sie seit Jahren verdienen. Als sie 2008 mit ihrem Debüt und den grandiosen Kollaborationen mit Antony Hegarty, namentlich “Blind” und “Raise Me Up”, in die Clubszene platzten, war die Begeisterung groß und selbst mit geschärftem Fokus konnte drei Jahre später auch das Nachfolgewerk “Blue Songs” mühelos überzeugen. Die Mischung auf beiden Platten war einfach zu faszinierend, als dass man sie hätte ernsthaft ignorieren können – House, Disco, Funk, Synthpop, an Abwechslung herrschte so wenig Mangel wie an honorigen Gaststars, war klug arrangiert und produziert und schrie förmlich nach dem Tanzboden.
Das Dumme ist nun, dass ihnen gerade jetzt, mit der Veröffentlichung des dritten Albums, diese Vielseitigkeit abhanden gekommen ist. “The Feast Of The Broken Heart” pumpt und vibriert natürlich noch immer gewaltig, klingt allerdings, als hätte man es in einem Stück aufgenommen und die Pausen zwischen den einzelnen Tracks erst nachträglich gesetzt. Das ist erfreulich für alle House-Puristen, ärgerlich für all jene, die abseits vom Feierbefehl nach Überraschungen suchen. Wo früher noch ein paar gezupfte Saiten oder das eine oder andere Bläserset den Unterschied machten, wo mit Soul- und RnB-Anleihen gespielt wurde, da wummert es jetzt im Gleichschritt und bei angezogenem Standardtempo über die komplette Spiellänge.
Das wäre vielleicht gar nicht so schlimm (solange die Puste für einen Durchlauf reicht), wenn man nicht im Zuge dieser Nivellierung auch das eigentliche Pfund der Hercules-Platten, die ansprechende Gästeliste, unter Wert herschenken würde. Krystle Warren, Rouge Mary, selbst Gustaph sind da vielleicht zu verschmerzen, aber einem John Grant kann man auf diese Weise wohl kaum gerecht werden. Der Mann hat ja eine Vita, die nach Memoiren verlangt, er hat mit Gott und der Welt musiziert und gilt weniger als schillernde denn als interessante Persönlichkeit. Nachdem aber sowohl Butler als auch Grant, wie man hört, vom Ergebnis, also “I Try To Talk To You” und “Liberty”, begeistert sind, liegt es wohl eher am reichlich eindimensionalen Umfeld der Stücke – für sich allein stehend sind sie möglicherweise deutlich reizvoller, im DJ-Set gehen sie unter. Fazit: Besser für die Beine als für den Kopf ...
Der Komplettstream des Albums steht gerade bei Pitchfork Advance.

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