Herbstattacke von Nataly Savina

Herbstattacke von Nataly Savina

Durch einen Umzug wird Leo gezwungen auf eine neue Schule zu gehen. Keine schöne Situation wie sich wohl jeder denken kann, wenn man an seine eigene Schulzeit zurückdenkt. Leo wird von allen ignoriert. Bestenfalls. Nur die Gang von Malik wird schnell auf den Neuling aufmerksam und Leo gerät in die Schusslinie ihrer kleinkriminellen Machenschaften. Leo weiß sich jedoch zu wehren und als er auf Farsaneh, die hübsche Schwester von Malik aufmerksam wird, hat Leo nur noch ein Ziel: Er will zu Maliks Clique dazugehören, um sie kennenzulernen.
Und das scheint ihm sogar zu gelingen, nur das Malik und Farsaneh einer anderen Kultur angehören. Einer, die es Leo strikt verbietet, sich Farsaneh zu nähern. Leo gerät in einen Zwiespalt und als ob seine Schwärmerei und die „Freundschaft“ mit Maliks Gang noch nicht aufregend und gefährlich genug wären, so hat Leo von Haus aus schon ein eigenes, ganz anständiges Päckchen zu tragen.

Das Buch hat mir gut gefallen, da es genau die heutige Zeit wiederspiegelt. Der Sprachstil ist jugendlich, sehr umgangssprachlich und trotzdem nicht zu extrem oder vulgär, was das Lesen wiederum schwer gemacht hätte. Ich will nichts lesen, was ich mir in zwanzig Minuten U-Bahn Fahren auch aus allen Ecken anhören könnte. Einen gewissen Sprachstil muss ein Buch schon haben und den hat dieses Debut von Nataly Savina zweifelsohne. Der Ton passt genau zur Geschichte, die Wortwahl zu den Szenen. Die Figuren wirken dadurch authentisch und real, genau diese Clique könnte es so irgendwo geben.

Es werden viele Dinge angesprochen und angedeutet, die in unserem Alltag allgegenwärtig sind. Gewalt, Vandalismus, Ausgrenzung, Rassismus und Teenager, bei denen sich so viel Wut anstaut, dass sie schlussendlich nicht mehr wissen wohin damit. Leider wird, sofern ich mich erinnern kann, im Buch nicht genau gesagt wie alt Leo, Farsaneh, Malik und Co. sind. Ich schätze sie auf sechszehn oder siebzehn. Wie schwierig dieses Alter ist, daran kann sich wohl jeder von uns zurückerinnern. Noch schwieriger wird es eben dann, wenn man mit so vielen unterschiedlichen Kulturen in Kontakt kommt, die man teilweise einfach nicht versteht.

In Herbstattacke hätte ich mir noch mehr Hintergrundwissen zu Farsanehs Herkunft und Lebensstil gewünscht. Es wird gesagt, dass Leo nicht mit ihr zusammen sein kann, es wird gezeigt wie Malik sie mit Argusaugen bewacht aber es wird nicht erläutert warum. Wir wissen, dass es so ist, für einige unter uns es so sein muss aber wirklich verstehen tut es niemand. Eine Lösung kann man von diesem Buch natürlich nicht erwarten, denn die bekommt man auch nicht. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass nicht immer alles nur mit „So ist es eben“ abgehakt wird; dass vielleicht auch die Figuren selbst Dinge mehr hinterfragt oder sich sogar gegenseitig mit Fragen konfrontiert hätten.

Der Punkt, der mich an diesem Buch jedoch am meisten gestört hat, ist der Schreibstil. Die Autorin beschreibt ihn selber als „spielen mit der Linearität der Erzählung.“ Wieso man jedoch nicht nur kontinuierlich die Perspektive sondern auch die Zeit wechseln muss, hat sich mir nicht ganz erschlossen und ich fand es beim Lesen arg anstrengend.
Mal erzählt Leo aus der ersten Person im Präsens, dann folgt die Vogelperspektive aus der Vergangenheit und schließlich wieder Leo, wie er fast in der 3. Person über sich selbst und seinem Alltag erzählt. Auch die vielen Kapitel, die damit beginnen, dass Leo Farsaneh etwas „erzählen muss“ ließen das Buch stilistisch etwas durcheinander, fast schon chaotisch wirken. Hinzu kommen noch gewisse Details, die ich persönlich nicht begriffen habe und auf die überhaupt nicht eingegangen wird z.B. warum Leo seine eigene Mutter beim Vornamen nennt.

Herbstattacke ist eine Kurzgeschichte, die aus dem wahren Leben gerissen sein könnte. Das Buch ist kurz gehalten, daher nehme ich an, dass es vor allem als Lektüre für Schulklassen dienen soll. Die Figuren und die Story wirken sehr real, es wird nichts überdramatisiert und auch nichts verharmlost oder verurteilt. Dadurch, dass aber wenig kulturelles Hintergrundwissen vermittelt wird, dürfte gerade eben jüngeren Lesern der entscheidende Denkanstoß fehlen. Trotzdem ist es ein Buch über einen Teenager, dem alles zu viel wird. Einen Teenager, wie es ihn millionenfach auf der Welt gibt und ein Gefühl, das wohl jeder von uns kennen dürfte.

Gang! Wir sind doch nicht in Brooklyn.

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★★★☆☆



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