Zola Jesus „Conatus“ (Souterrain Transmissions)
Nicht selten schlagen Menschen, denen man im Gespräch mit dem Thema New Goth, sprich dem Revival trübe gelaunter Finstermucke kommt, genervt die Hände überm Kopf zusammen, manch einer täuscht sogar allergische Abwehrreaktionen wie Schnappatmung oder nervöse Zuckungen vor – die Angst vor der Wiedererweckung dieses übel beleumundeten Genres ist weitverbreitet und groß.
Und doch gibt es für Furcht nicht den geringsten Anlass. Hatte man noch Mitte der achtziger Jahre das Gefühl, das Haupterkennungsmerkmal dieser Musik wäre eine grabestiefe Stimme, welche sich stets jaulend aus einem modrigen Laubhaufen erhebt (und die Protagonisten gaben dieser Theorie auch optisch genügend Futter), so kann man jetzt erleichtert konstatieren, dass die aktuellen Wiedergänger wie Esben & The Witch oder Cold Cave, viel mehr aber noch die weiblichen Hauptdarstellerinnen bei Planningtorock, Austra, Fever Ray und EMA, der variantenreichen Musik auch wieder Ästhetik, Stilbewußtsein und Eleganz beigefügt haben. Und natürlich spielt Nika Roza Danilova alias Zola Jesus seit ihrem Debüt „Stridulum“ in dieser Liga ganz vorn mit.
Daran wird sich mit dem neuen Album auch nichts ändern, Danilova bleibt mit „Conatus“ auf dem von ihr eingeschlagenen Weg. Wieder kombiniert sie geschickt ihre barmend vorgetragenen, tieftraurigen Texte mit hypnotischen und relativ einfach strukturierten Melodien und verhaltenem, dunkel pochendem Beat, wobei auffällt, dass sie die Bandbreite ihrer Stimme deutlich mehr ausschöpft als noch beim Vorgänger. Das geht hin bis zu bloßer Lautmalerei wie bei „Ixode“, wo der Gesang nicht mehr und nicht weniger ist als eine mehrspurige Textur. Den größten Sog, das vollkommenste Leuchten erzeugen „Vessel“ und das Schlußstück „Collapse“. Ersteres habe sie, so Danilova, in dreißig Minuten geschrieben, eine betörende, technoide Klangkulisse, letzteres ein tranceartiger Trauergesang voller Schmerz und Hilflosigkeit: „And I would be nothing without your fear, because I've got no war the day it grows thin, I've got no war the day you go away. It hurts to let you in."
Vieles mehr noch ließe sich erwähnen – das trockene Schlagwerk von “Avalanche”, das überraschend helle und tanzbare „Seekir“, das recht gegensätzliche, weil poppige Ohnmachtsbekenntnis „In Your Nature“ („If it’s still in your nature, you’ll never win“) oder die sanfte Pianoballade „Skin“. Das mag verrückt klingen, aber mit etwas Fantasie entdeckt man mit der Zeit Parallelen zu Kate Bush („Hounds Of Love“) oder gar Jennifer Rush („The Power Of Love“), denn trotz der düsteren Einfärbung ihrer Songs ist Zola Jesus auf „Conatus“ mehr und mehr bereit für den großen, den gefühlvollen, gern auch pathetisch überhöhten Moment. Und da gilt dann: ein Lovesong ist ein Lovesong ist ein … naja, das ist dann vielleicht doch eine zu exklusive Sicht der Dinge. Unterschreiben muß das niemand, belassen wir es dabei, dass es eine großartige Platte geworden ist, vor- und fürsorglich für die ungemütlichen Tage gemacht, die jetzt bald anstehen.
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