Theodore (Joaquin Phoenix) ist mit Operating System Samantha wieder glücklich
Wer hätte gedacht dass Filmemacher Spike Jonze eine so unkonventionelle Liebesgeschichte inszenieren könnte, wie er es mit Her getan hat. Zum ersten Mal stammt das Drehbuch von ihm allein, noch für Wo die wilden Kerle wohnen arbeitete er mit Dave Eggers zusammen, die bisherigen Jackass-Filme sind zumeist eine Kollaborationsarbeit von gleich mehreren Personen gewesen. Und nun erzählt Jonze diese Boy meets Girl Geschichte mit besonderen Twist. Denn eigentlich ist es nur eine One Person Love Story, zugleich eine traurige Spiegelung unserer Realität – der perfekte Science-Fiction Film irgendwo zwischen Ryan Goslings Schnauzbart-Auftritt in Lars und die Frauen und Jake Schreiers ruhigen Zukunftsszenario Robot & Frank.
Hier verbringen wir die nahe Zukunft in Los Angeles, wo Joaquin Phoenix als Theodore lebt. Er ist professioneller Briefeschreiber, eine Zunft die sich damit befasst, die romantisch antiquierte Form des persönlichen Briefeschreibens beruflich auszuüben. Hier ist er einfach nur Briefeschreiber 612, der mit Schnauzbart ein einsames Leben fristet, nachdem seine Ehefrau (Rooney Mara) ihn verlassen hat. Er könne einfach nicht mit realen Emotionen umgehen, wirft sie ihm später im Film vor. Die Trennung hat ihm das Herz gebrochen, er ist eine einsame Seele, die sich in Erinnerungen an bessere Tage flüchtet – sonnendurchflutete Rückblenden auf eine Zeit, in der er noch ohne Schnauzbart fröhlich die wahre wirkliche Liebe genießen durfte.
In trauter Zweisamkeit: Theodore und Samantha
Dann widmet er sich dem neuen OS1 – dem Operating System – mit dem nun jeder herumläuft, eine intuitive, eigenständige Persönlichkeit, nur eben ohne Körper, rein Computer, auf einer Art Smartphone gespeichert. Und hier wird schnell die Science-Fiction deutlich, die ganz nahe an der Realität ist. Sowohl Theodore als auch viele seiner Mitmenschen reden gar nicht mehr miteinander, sondern mit ihrem Operating System. Sie rennen mit einem Stöpsel im Ohr durch die Welt und unterhalten sich mit ihrem besten Freund, ihrer Geliebten, ihrem Kameraden, ihrer Tratschgefährtin – und doch reden alle nur mit ihrem technischen Utensil.
Es ist die – im Original – starke Leistung von Scarlett Johansson, die Theodores Operating System ihre Stimme leiht, die diese Liebesgeschichte zwischen Mensch und Maschine so wirklich erscheinen lässt. Vom ersten „Hallo, da bin ich“, als haben wir gerade an ihrer Geburt teilhaben dürfen, über sämtliche Gefühlsregungen von Neid, Eifersucht, Liebe und Zuneigung tritt Johansson niemals in Erscheinung und ist doch eine so immense Präsenz. Das Smartphone ähnliche Gerät, auf dem Samantha – so der Name des OS1 – gespeichert ist, wird fortan immer mitgenommen, mal in Theodores Hemdtasche, so dass das herausschauende Kameraauge dafür sorgt, dass Samantha sehen kann, was Theodore sieht, meistens aber in den Händen ihres Besitzers, der gar nicht genug von seiner großen Liebe bekommen kann. Schnell fühlt man sich an all die Menschen erinnert, denen man morgens in der U-Bahn oder im Bus begegnet, stur auf ihr eigenes Smartphone starrend, als befänden sie sich ebenso gerade im Dialog mit ihrem Liebsten.
Romantische Abende zu Zweit vor der Kulisse des Zukunfts-L.A.
So sehr Sam ihrem Theo über dessen Trennungsschmerz hinweg hilft, so traurig ist sein Schicksal aber auch, eben nicht nur vor dem fiktiven Hintergrund, dass dieser Mann offenbar wirklich nicht in der Lage ist, mit echten Emotionen umzugehen, sondern dann auch als ein Blick auf unsere Umwelt, in der es tatsächlich so scheint, als haben die Menschen – mit den Blicken auf ihre Smartphones gerichtet –kein Interesse mehr an ihrer wirklichen Umwelt. Scarlett Johanssons Stimme, die beständig aus dem Off erscheint, könnte ebenso die Schizophrenie eines Mannes darstellen, der mit sich selbst lebt und doch nicht vereinsamt. Eine egozentrisch auf sich selbst zentrierte Welt, in der die Menschen um einen herum keine große Bedeutung mehr haben. Theodore hat noch einige wenige reale Freunde, darunter Amy Adams (als Amy), die aber auch einem solchen OS verfällt.
Abstruse, aber nicht unvorstellbare Züge, nimmt das Ganze in dem Moment an, wenn Samantha eine Dame ausfindig macht, die ihren Körper für Liebe zwischen Mensch und Maschine anbietet. Die ihren Körper quasi als Avatar für das Operating System anbietet. So hört Theo zwar Samanthas Stimme, wenn er mit ihr Sex haben möchte, hat aber den Körper einer anderen, ganz realen Frau vor sich, die keinen Ton sagt, weil sie sich ja nur als Hülle der Computerdame empfindet. Der Mensch ordnet sich also plötzlich der Technik unter. Auch kein Gedanke der so fremd erscheint.
Spike Jonze spielt mit der Science-Fiction, schafft diese merkwürdige Liebe wirklich aufblühen zu lassen, obgleich ihm nur Joaquin Phoenix – der grandios weltfremd verschroben spielt – und eine Stimme – immerhin von Scarlett Johansson – zur Verfügung stehen. So hat er aber der Boy meets Girl Story eine neue Richtung gegeben, vielleicht eine, die durchaus unserem jetzigen Zeitgeist entspricht. Man stelle sich vor, bei What’s App oder welcher Alternative auch immer, würde nicht ein menschliches Gegenüber antworten, sondern das eigene, denkende Telefon – dann wären wir schon da, in der „Zukunft“ von Her.
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 126 Minuten
Regie: Spike Jonze
Darsteller: Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Chris Pratt, Scarlett Johansson (voice), Bill Hader (voice), Kristen Wiig (voice), Spike Jonze (voice)
Kinostart: 27. März 2014
Im Netz: herthemovie.com