USA 2013
Mit Joaquin Phoenix, Scarlett Johansson, Amy Adams, Rooney Mara, Chris Pratt u.a.
Drehbuch und Regie: Spike Jonze
Spike Jonze hat mit Her einen klugen und feinfühligen Film über unsere Faszination für High-Tech-Geräte geschaffen. Unsere Welt voller Smartphones, Tablets und Videospiele macht menschliche Beziehungen scheinbar überflüssig. Ein Trugschluss, den uns Her in poetischer Weise vor Augen führt.
-Gaby Tscharner auf „cineman.ch“-
Inhalt:
Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) arbeitet als Autor persönlicher Briefe, die in der nahen Zukunft eine Seltenheit geworden sind. Während er sein Geld also damit verdient, wildfremden Auftraggebern zu privatem Glück zu verhelfen, fühlt sich Theodore nach der Scheidung von seiner Frau Catherine (Rooney Mara) selbst allein und einsam. Beeindruckt von einer Werbung kauft er sich ein neues Betriebssystem, das mit einer artifiziellen Intelligenz ausgestattet ist und ihn von nun an auf allen seinen Geräten begleitet. Nachdem Theodore einige persönliche Fragen beantwortet hat, bekommt das Programm eine Stimme und einen Namen: Die charmante Samantha (Stimme: Scarlett Johansson) ordnet nicht nur Theodores Mails und sucht den besten Song für jede Stimmung aus, sondern entpuppt sich auch als perfekte Gesprächspartnerin, mit der Theodore über Gott und die Welt reden kann. Durch Samanthas humorvolle und einfühlsame Art beginnt der deprimierte Mann, langsam wieder Freude zu empfinden – und sich in das Programm zu verlieben…
(filmstarts.de)
Science-Fiction-Filme werden oft belächelt und als „zweitrangig“ eingestuft – kein Wunder, sind sie doch meist abgehoben, kindisch, belanglos, eskapistisch (jüngstes Beisipel: Luc Bessons Valerian). Selten bedient sich jemand des Genres in ernsthafter Art und Weise; dass dabei wahre Meisterwerke entstehen können, zeigt Spike Jonzes Film Her.
„Träumen Androiden von elektrischen Schafen“, so fragte noch 1968 der bekannte Science-Fiction-Autor Philip K. Dick im Titel seines Kult-Romans, der u.a. die verschwimmenden Grenzen zwischen Mensch und Maschine thematisierte. Ridley Scott hatte 1982 einen bahnbrechenden Film daraus gemacht: Blade Runner
In Her macht sich Regisseur Spike Jonze (Being John Malkovich) auf Dicks Spuren und fragt: „Können künstliche Intelligenzen lieben“?
In diesem seinem bisher letzten langen Film entwirft Jonze keine bizarren Zukunfts-Welten; die Protagonisten in Her befinden sich nur wenige Jahre oder Jahrzehnte von unserer Zeit entfernt, in einer städtischen Umgebung, die sich von den unseren nur minimal unterscheidet. Die „kleinen Unterschiede“ platziert Jonze klug und pointiert, als logische Fortsetzungen unseres heutigen Lebens, doch sie sprechen Bände über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und über eine durchaus vorstellbare künftige Welt.
Weitere Kommentare verkneift Jonze sich – wohltuenderweise! Her ist keine gallige Brandrede gegen die Entmenschlichung der modernen Welt à la Brazil, kein Zeigefinger schwingendes Aufklärungsstück eines intellektuellen Mahnapostels. Spike Jonze, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, zeigt gänzlich unaufgeregt, mit der Ruhe eines Trauernden, in welche Katastrophe die menschliche Gesellschaft driftet. Seine Liebesgeschichte zwischen einem einsamen Mann und einer Computer-Intelligenz ist in ihrer schlichten Schönheit derart abgründig, in seiner Konsequenz derart erschreckend, dass einen das nackte Entsetzen packt, sobald man realisiert, worauf sie hinausläuft. Und es lässt einen nicht mehr los.
Jonze kleidet seine Gesellschaftskritik ins schöne Gewand des Liebesdramas und konterkariert das Entsetzliche, das er zu erzählen hat (anfänglich) mit dem Glück der Protagonisten und der Schönheit der Bilder. Nebenbei wirft er eine ganze Reihe ernsthafter Themen auf, wie etwa jenes der reinen, nicht an einen Körper gebundenen Liebe. Auch das Nachdenken über die Frage, was denn wahre Liebe ausmache, wird angeregt. Die Einsamkeit des modernen Menschen wird behandelt.
Für all das braucht Jonze Bilder statt Worte – eindringliche Bilder, die liebevoll und behutsam eingestreut werden – und nachwirken, viel stärker als elaborierte Thesen, weil über ihnen die Trauer liegt über den Wandel, den Jonze beobachtet, den Wandel der zwischenmenschlichen Beziehungen. Was den Film über allem anderen auszeichnet, ist seine Unaufdringlichkeit; wer sich darauf einlässt, entdeckt unter der schönen Oberfläche eine Dringlichkeit, die im Kino Seltenheitswert hat. Ein Widerspruch? Man muss es erleben.
Her ist von einer seltenen Stimmigkeit. Jonzes Konzept überzeugt bis ins kleinste Detail – man glaubt, was man sieht („Genauso könnte unsere Zukunft aussehen!“). Die Wahl der Schauspieler ist grandios – allen voran jene Scarlett Johanssons, die körperlich im Film nicht präsent ist. Sie spricht „Samantha“, die künstliche Intelligenz und hat die schwierige Aufgabe, allein durch ihre Stimme ein (artifizielles) Wesen zu erschaffen, mit dem man mitfühlt. Es ist erstaunlich, wie sie kraft ihrer Stimme sämtliche Schattierungen der menschlichen Emotionen auf den Zuschauer überträgt und das Publikum schliesslich zu Tränen rührt!
Fazit: Her gehört zu den Werken der jüngeren US-Filmproduktion, die man gesehen haben sollte.
Die Regie: 10 / 10
Das Drehbuch: 10 / 10
Die Schauspieler: 10 / 10
Gesamtnote: 10 / 10
Verfügbarkeit: Her gibt es im deutschsprachigen Raum auf DVD und auf Blu-ray. Gestreamt werden kann er zudem bei amazon, iTunes, Google Play, Rakuten TV, Microsoft und Videoload.
Wer den Film gerne in der Originalfassung mit (oder ohne) dt. Untertiteln sehen möchte (dringend empfohlen!), sollte ihn sich bei iTunes ansehen. amazone und Videoload bieten den Filme alle auch in der Originalfassung an (allerdings ohne dt.Untertitel).
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