Helmut Schmidt (geb. 1919) war für die SPD Bundeskanzler von 1974 bis 1982.
Helmut Schmidt (Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F048808-0033 / Wienke, Ulrich / CC-BY-SA)Er war der Krisen-Kanzler mit dem kühlen Kopf: Helmut Schmidt. Eine Krise ist es, die den dreifach erfahrenen Bundesminister (Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft) 1974 ins Kanzleramt katapultiert. Willy Brandt ist zurückgetreten. Die sozialliberale Koalition ist führungslos und Schmidt springt ein. Vom ersten Tag an ist er auch im Amt ein Krisenmanager. Die Bundesrepublik laboriert an den Folgen der Ölkrise. Die deutsche Wirtschaft ist geschwächt und die vom Ehrhardschen Wirtschaftswunder verwöhnten Deutschen sind verunsichert. Da kommt der selbstsichere Schmidt gerade recht. Geboren 1918 in Hamburg saugt Helmut schon mit der Muttermilch Stolz und Selbstbewusstsein der Freien und Hansestadt in sich auf. Auf der reformpädagogischen Lichtwarkschule darf der Bürgerssohn seine künstlerischen Talente erforschen: Er malt und musiziert gerne. Obwohl er zeitlebens leidenschaftlich Klavier spielt (es gibt sogar eine CD), verdrängt vorerst der Krieg die schönen Künste. Schmidt zieht als disziplinierter aber unpolitischer Soldat an die Front. Dort entwickelt er seine Führungsqualitäten. In der Wehrmacht dient er zuletzt als Oberleutnant, die Bundeswehr befördert ihn später zum Hauptmann der Rerserve.
Privat liegen Freud und Leid nah beieinander. Helmut Schmidt heiratet seine Loki - aber die beiden verlieren viel. Erst ihr Hab und Gut in den Hamburger Bombennächten. Dann - wesentlich schlimmer - ihren Sohn, der noch vor seinem ersten Geburtstag stirbt. Loki und Helmut Schmidt halten zusammen und bauen ihr Leben von Neuem auf. Nach dem Krieg tritt Schmidt in die SPD ein und macht dort mit markigen Worten und kernigen Gesten rasch Parteikarriere. "Schmidt-Schnauze" wird Hamburger Polizeisenator. In diesem Amt bewährt sich Schmidt als Macher und Krisenstratege. In der Hamburger Flutkatastrophe von 1962 sind schnelle und klare Ansagen gefragt - und das kann Schmidt leisten. Gerade in heiklen Entscheidungssituationen (nichts anderes sind Krisen) behält er einen kühlen Kopf und dirigiert seine Mitstreiter. Dem überforderten Bürgermeister Paul Nevermann entzieht er kurzerhand das Kommando: "Paule, lass man, davon verstehst Du nichts..."
Schmidt und Schleyer (Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F044137-0029 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA)Die schwierigste Krise, die Schmidt in seiner langen Politikerlaufbahn zu bewältigen hat, steht ihm erst noch bevor. In seine Kanzlerschaft fällt der linke Terror der RAF. Spitzenbanker wie Jürgen Ponto (Dresdner Bank), Repräsentanten des Rechtsstaats wie Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Wirtschaftsfunktionäre wie Hanns Martin Schleyer werden ermordet. Schmidt ist ohnmächtig und stark zugleich. Auch wenn er persönlich darunter leidet, verhandelt er nicht mit den Terroristen. Der Staat, den er regiert, lässt sich nicht erpressen und genau das erklärt Schmidt den Deutschen (siehe Clip).
Selbst als als die Lufthansa-Maschine 'Landshut' gekapert wird und sich auf dem Flughafen von Mogadischu ein Entführungsdrama abspielt, behält Schmidt die Nerven (literweise Cola und Unmengen von Zigaretten helfen ihm dabei). Er schickt die neu gegründete Eliteeinheit GSG9, die die Geiselnahme (fast) unblutig beendet. Eine Krise ist es dann auch, die Schmidts Kanzlerschaft beendet: Eine Regierungskrise. Die eigenen Genossen teilen die bündnisstrategische Überzeugung des Kanzlers nicht: Anders als Helmut Schmidt ist sind seine Sozialdemokraten mit dem NATO-Doppelbeschluss nicht einverstanden. Dass auch die FDP längst wieder mit der CDU/CSU anbändelt, führt zum Kanzlersturz per konstruktivem Misstrauensvotum. Mit den Stimmen von Schwarz-Gelb wählt der Bundestag 1982 Helmut Kohl zum Kanzler. Schmidt geht hoch erhobenen Hauptes. Wie kein anderer Kanzler prägt er auch nach seiner Amtszeit die öffentliche Meinung - ob als ZEIT-Herausgeber oder als 'Elder Statesman'.