Helgen – Debüt-Album »Halb oder gar nicht«

Wortgewandt kommen Helgen daher und schmeißen uns mal eben fünfzehn eingehende Songs entgegen. Das Trio überzeugt in ihrem Debüt-Album »Halb oder gar nicht« mit Laune fördernden Indie-Songs und tollen Texten.

Debüt-Album »Halb oder gar nicht«

Ich habe eine Menge übrig für das Dabüt-Album der Band Helgen. Deutsche Texte müssen schon was können, damit ich sie ernst nehmen und vor allem mögen kann. Helgen schafft das. Helgen weiß mit dem deutschen Wortschatz umzugehen und die Band spricht einen mit Alltagsthemen und Wortspielen direkt an. Die Band schüttelt ein sympathisches Indie-Album mit nicht zu wenig Klavier-Einsatz aus dem Ärmel und macht es mir unmöglich keine Track By Track Rezension über »Halb oder gar nicht« zu schreiben. Ich werde aus jedem Song meine Lieblings-Zeilen zitieren, denn ja, ich glaube in jedem der vielen Songs gibt es persönliche Lieblings-Zeilen.

Track By Track

»Anfang«

Am Anfang des Albums steht der Song »Anfang«. In diesem nicht mal eine Minute langem Intro wird ein C am Klavier gespielt. Okay, ein klein wenig mehr passiert schon, aber SO viel mehr nun auch wieder nicht.

»Fernsehturm«

»Fernsehturm« ist ein Song über eine offensichtlich unsympathische Person, für die der Sänger trotzdem etwas übrig hat.

»Du hast ein Sendebedürfnis wie ein Fernsehturm
Die Nachrichten sind meistens schlecht, außer Du berichtest über Dich
Und alle nehmen’s dir übel, nur ich irgendwie nicht«

– Helgen in »Fernsehturm«

Der Sound des Songs steht irgendwie ironisch dem Text gegenüber, indem man gedanklich zum Strand von Haiti katapultiert wird. Man liegt also im Liegestuhl, schlürft seinen Cocktail und hinter einem singt ein Chor über eine Person, die scheiße ist. Irgendwie ja genau mein Ding.

»Das Vergessnis«

Ein Lied über Vergesslichkeit, aber eigentlich ein Liebeslied, oder? »Das Vergessnis« startet textlich wieder mit wortgewandten Zeilen und Synonymen zur »Vergesslichkeit«. Alles wird vergessen nur DU bleibst im Gedächtnis.

»Ich hab ein löchriges Gedächtnis
Ein fotografisches Vergessnis
Ich vergess Namen, vergess Worte
Vergess Orte an denen ich war«

– Helgen in »Das Vergessnis«

Ein chilliger Song, der ein bisschen zum nachdenken anregt aber nicht unbedingt traurig stimmt. Helgen schafft es immer mit einem dezenten Humor auch ernstere Themen aufzulockern.

»Das Rätsel«

Mit »Das Rätsel« lässt Helgen seine Hörer und Hörerinnen erstmal ein bisschen grübeln.

»Es steht kerzengerade, wenn man es erwischt
Es spricht mit Dir, aber Du siehst es nicht
Es reimt sich auf nichts, was es wirklich gibt
Du weißt nicht, wie schön es eigentlich ist«

– Helgen in »Das Rätsel«

Wer nicht auf die Antwort kommt, muss das Lied wohl oder übel zu Ende hören. Die Auflösung folgt.

»Gator«

Hier passiert ein wenig Quatsch auf einer E-Gitarre. Wie nennt man das? Intro nur eben dazwischen? Zwischtro?

»Nackt«

»Nackt« ist wieder ein Song über die Liebe. Wenn ich das Lied richtig interpretiere, handelt es von der Unfähigkeit zu Lügen wenn man liebt. So schee.

»Ich bin nackt
Dafür brauch ich mich nicht auszuziehen
Denn Du siehst wenn ich lüge
Egal wie oft ich’s übe«

– Helgen in »Nackt«

»Hamburg und Amsterdam«

»Hamburg und Amsterdam« ist wieder ein Liebeslied, doch diesmal offensichtlich ein Trauriger zum in die Decke kuscheln, Eis essen und zum Song weinen. Ja ja, die Tücken einer Fernbeziehung, wie es auch schon AnnenMayKantereit immer gesagt hat. Nee Moment, die Haupstädte kamen in dem oft gefragten Song über die Mutter vor und die Fernbeziehung im 3. Stock war wieder ein anderes Lied.

»Und die Wahrheit ist, dass ich Dich vermiss
Und dass es gelogen war, dass es mich nicht trifft«

– Helgen in »Hamburg & Amsterdam«

»Schlecht«

»Schlecht« ist ein Song bei dem man schnell mal mit der Interpretation daneben greifen kann. Dezente Ironie und schräge Aussagen machen aber genau das aus, was ich an deutschen Texten so mag. Wenn ich das Lied richtig verstehe, geht es um das vermeintlich schlimme Single-Dasein. In einer Beziehung geht es einem ja immer gut und die armen Singles haben den Kürzeren gezogen. Stimmt nur nicht ganz, wenn man endlich den ätzenden Partner los wird und wieder frei und glücklich sein kann. 

»Endlich mach ich wieder das, was ich wegen dir gelassen hab
Endlich geht’s mir nicht mehr gut.«

– Helgen in »Schlecht«

»Lass uns Feinde sein«

Dieser Song ist textlich einer meiner Lieblinge des Albums und ich tu mich wirklich schwer das richtige Zitat aus den Lyrics zu ziehen. Die Strophen bestehen aus gelungenen Metaphern, in denen vermeintliche Freunde als Mauern aus Papier bezeichnet werden. Der Refrain macht das Ganze etwas direkter und für’s Verständnis, worum es in dem Lied eigentlich geht, zitiere ich jetzt einfach mal daraus.

»Ich will den Leuten sagen, dass ich sie scheiße finde
Ich will, dass Leute sagen, wenn sie mich scheiße finden«

– Helgen in »Lass uns Feinde sein«

»Alles was wahr ist«

»Alles was wahr ist« ist scheinbar ein Song über Schein und Wahrhaftigkeit. (Schön gesagt)

»Alles was wahr ist, bleibt
Und alles was lauwarm oder karm da war, ist vorbei
Alles was wahr ist, bleibt
Und alles was scheinbar Schein war, ist vorbei
«

– Helgen in »Alles was wahr ist«

»Zwölf«

Der elfte Song ist Song »Zwölf« und schon wieder so ein Zwischentro.

»Es passiert«

Der zwölfte Song ist der Song »Es passiert«. Es geht darum, etwas zu riskieren, damit sich was verändert. Inhaltlich ein schöner Song, der gegenüber den Liebesliedern in meinen Augen zu den Besseren gehört. Ich habe im Allgemeinen eine Schwäche für Songs, die darum handeln, man selbst zu sein und ins kalte Wasser zu springen, um etwas zu erreichen. Genau mein Ding!

»Du weißt, dass bald passiert was nie passiert
Und dass es Dich verändern wird
Und es wird Zeit, dass es passiert«

– Helgen in »Es passiert«

»Paul & Peter«

»Paul & Peter« hat mich am Anfang sehr an »Die Ballade von Wolfgang und Brigitte« von Wir sind Helden erinnert. Schon bei diesem Song fand ich es einfach großartig, wie mit diesen typisch deutschen Namen eine eher abstruse Geschichte erzählt wurde. »Paul & Peter« stehen hier aber weniger für konkrete Personen einer Geschichte. Paul und Peter sind in diesem Lied eher stellvertretende Personen für »Die Leute« mit einer auf den Punkt treffenden Aussage:

»Was Paul über Peter sagt
Sagt viel mehr über Paul als über Peter
Denk mal über dich nach
Was Paul über Peter sagt
Sagt, dass Paul ein Problem mit sich selbst hat«

– Helgen in »Paul & Peter«

»Fressneid«

Die Situation, das haben zu wollen, was man nicht hat. Eigentlich so ein Kindheits-Ding, aber ja, ich kann bestätigen, auch bei Erwachsenen kommt es oft genug vor. Bei mir zum Beispiel. Isst jemand ein Eis, will ich auch Eis. Ist ein Eis auf einem Plakat abgebildet, will ich auch ein Eis. Ich bin total anfällig dafür.

»Und hast du ’ne Freundin, und ich hab keine
Dauert es nicht lang, und ich will deine«

– Helgen in »Fressneid«

»Halb oder gar nicht«

Kommen wir endlich zum Title-Track des Albums aber damit leider auch schon zum letzten Song. »Halb oder gar nicht« wird einem Title-Track mehr als gerecht. Ein verhältnismäßig ruhiger Song, der tatsächlich ein wenig unter die Haut geht und am Ende dann doch Ganz oder gar nicht ist.

»Jede schlechte Idee probieren wir aus
Egal welches Fenster, wir lehnen uns raus
Wenn, dann machen wir’s halb oder gar nicht
So lange alles schwebt müssen wir nicht landen«

– Helgen in »Halb oder gar nicht«

Helgen auf Tour

Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber mich überzeugen Helgen auf jeden Fall. Textlich haben die Jungs was drauf und sie können sowohl zum Feiern, als auch zum Nachdenken anregen. Die Band geht im Herbst mit ihrem neuen Album übrigens auf Tour. Ich bin dabei!

04.10.2017 – Dresden (Ostpol)
05.10.2017 – AT-Wien (Kramladen)
06.10.2017 – Nürnberg (club stereo)
07.10.2017 – Leipzig (Moritzbastei / Ratstonne)
08.10.2017 – Berlin (Auster Club)
09.10.2017 – Hannover (Lux)
11.10.2017 – Kiel (Schaubude)
12.10.2017 – Rostock (Helgas Stadtpalast)
13.10.2017 – Göttingen (Nörgelbuff)
14.10.2017 – Stuttgart (Cafe Galao)
15.10.2017 – Ludwigshafen (das Haus)
17.10.2017 – München (Milla)
18.10.2017 – Frankfurt (Ponyhof)
19.10.2017 – Düsseldorf (Pitcher)
20.10.2017 – Köln (Stereo Wonderland)
21.10.2017 – Münster (Cafe Sputnik)
22.10.2017 – Hamburg (Knust)

Nach einer so ausführlichen Besprechung der deutschen Songs von Helgen und nachdem ich aus jedem Song ein Zitat gezogen habe, dürfte klar sein, dass Helgen auf meiner #Wortkunst Playlist nicht fehlen darf. Seit heute findet ihr »Paul & Peter« neben vielen anderen großartigen deutschen Wortkunst-Songs in dieser Playlist.

© Titelbild: CarlitoPix


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