Ich kannte den Mann bis vor anderthalb Jahren gar nicht. Dann sah ich ihn zufällig in einer Mittagssendung im ZDF. Damals war er wohl schon zu einer kleinen Berühmtheit gekommen, weil er in jungen Jahren Katzenkrimis geschrieben hatte. Ich habe kein Faible für Kriminalstücke. Wenn aber kein schnodderiger Marlowe ermittelt, sondern eine Hauskatze, dann ist mein völliges Desinteresse sicher. Jedenfalls saß er da beim Zweiten auf einem Sofa und erzählte in derber und unterirdischer Sprache von seinem neuem Buch. Untertitel des Käses: »Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer«. Dauernd sagte er »verfickt«. Er machte auf einen, der aus dem Rinnstein kroch. Aber seine Sprache war dazu zu künstlich. Ganz unten in der Gosse nimmt man auch kein Blatt vor den Mund, aber man kalkuliert nicht mit den verbalen Deftigkeiten. P. tat das. Die Moderatorin saß jedenfalls bei ihm und schien glücklich, so einen originellen Gast bei sich zu haben. Kommt nicht oft vor beim Großeltern-TV der Gebühreneinzugszentrale. Ich konnte ihn nicht leiden und dachte mir: Hoppla, da haut aber einer richtig auf die Kacke, um sich Gehör zu verschaffen. Er wird es schon nötig haben. So einen gibt man auf keine Fall ein Forum, urteilte ich nach dem Auftritt.
Nach einer Weile war er eine etwas größere Berühmtheit als vorher. Man las von ihm und sah ihn ab und an im Fernsehen. Deutschlands größtes Revolverblatt ging Currywurst essen mit ihm. Natürlich lederte er wieder los. Er war ja ein Skandalautor. Man musste doch von ihm berichten. Er schimpfte weiterhin, sprach in einem Jargon, den selbst die gestandene Gosse erröten ließ und war so voller Hass, voller Unversöhnlichkeit, dass man sich sagen konnte: Ja, der Typ braucht dringend Hilfe. Tabletten vielleicht. Oder einen einfühlsamen Psychotherapeuten. Erst dachte ich ja, der wäre affektiert - aber dann war mir klar, dass er nicht mehr ordentlich spult. Ich meine, Hetzer gibt es viele. Aber so passioniert, so wild und frei von jeglicher logischen Rhetorik, ist keiner von denen. P. war der Bad Guy, der Sarrazin wie einen Wissenschaftler aussehen ließ. Ganz bei Trost schien er nicht. Und seine Romane waren ja auch Kassenschlager, als er ein junger Mann war. Vielleicht knallt er gerade durch und sieht kein Land mehr und macht sich jetzt wieder einen Namen als reaktionärer Hetzer, kam mir in den Sinn. Bei den Hohlköpfen könnte er ja noch punkten. Die Art und Weise, wie er das tat, offenbarte aber, dass da echt einer angeknackst war. Die einen ticken aus und landen am Hauptbahnhof und sammeln Kippen. Die anderen hocken mittags beim Zweiten auf der Couch. Vielleicht ist das zu einfach. Aber ich glaube wirklich, dass er nicht ganz auf dem Damm ist.
Daher sage ich nichts zu seiner Rede. Anzeige reicht. Die Schlauen unter euch werden nun sagen, dass er dann ja schuldunfähig wäre. Wieso also überhaupt anzeigen? Gut aufgepasst. Ich sag' es euch: Vielleicht erbarmt sich ein Staatsanwalt und nimmt sich der Sache an und ein Gericht empfiehlt ihm Therapie und Medikamente. Schaden kann es ja nicht. Vielleicht treiben sie ihm auch seine Hauskätzchenphantasien aus. Und die Vorstellung, dass er bald von Schwulen und Muslimen in einem KZ gefoltert wird. Er gehört angezeigt, damit er endlich Medizin kriegt und vielleicht seine Schwerpunkte verlagert und nicht mehr gegen Randgruppen hetzt, sondern gegen die Hauptinitiatoren des Niedergangs, die unser aller Leben verschlechtern wollen. Dann könnte er schon bei der nächsten Demo gegen das Freihandelsabkommen dabei sein und sagen: »Und übrigens bin ich der Meinung, dass das verfickte verfickte verfickte TTIP zerstört werden muss!« Danach setzt er sich hin und schreibt einen Katzenwirtschaftskrimi, in dem das Mohrli einen Komplott aufdeckt, in dem Gabriels Rolle als bezahlter Kostgänger der Wirtschaft enttarnt wird. Deswegen: Anzeigen!
&button;