Helfende Eltern - unselbstständige Kinder?

Helfende Eltern - unselbstständige Kinder?Neulich gab es eine kleine Diskussion mit dem Großen, in der es darum ging, dass die Kinder uns so wenig bei alltäglichen Tätigkeiten mithelfen. Es war überhaupt nicht als Vorwurf formuliert, sondern lediglich als Feststellung. Darauf sagte der Große: "Aber ihr fragt uns ja auch gar nicht, ob wir euch mal helfen könnten!" Da musste ich ihm Recht geben, und das ist eines der Dinge, die ich mir schon länger vorgenommen habe zu ändern und nicht so richtig schaffe. Also die Kinder in praktische Alltagsaufgaben einzubeziehen, ihnen Verantwortung zu übertragen und sie mithelfen zu lassen. Damit sie ein Gefühl dafür kriegen, was hier im Haushalt alles zu tun ist und nicht alles für selbstverständlich nehmen. Damit sie sehen, wieviel Zeit und Mühe manche Tätigkeiten kosten. Damit sie merken, dass sie einen kleinen, aber wertvollen Beitrag zum Familienleben leisten können und lernen, wie Abläufe funktionieren. Damit sie selbstständig und eigenverantwortlich werden.
Mein Mann und ich, wir sind Menschen, die Dinge am liebsten selbst und allein machen, anstatt im Team zusammenzuarbeiten. Wir bitten nicht gern um Hilfe, sondern sind froh, wenn wir in Ruhe etwas abarbeiten können. Ich kann es z.B. nicht haben, wenn jemand in der Küche herumwuselt, wenn ich koche. Ich räume den Geschirrspüler lieber selbst aus, anstatt jemandem zu erklären, wo das Geschirr hinkommt. Ich habe gern selbst die Kontrolle, anstatt hinterher kontrollieren zu müssen, ob eine Tätigkeit korrekt und vollständig erledigt wurde. Ich arbeite gern Aufgaben schnell, effektiv und hintereinander ab, möglichst störungsfrei. Ich bin kein Prokrastinator, nicht bei Haushaltstätigkeiten und sonst eigentlich auch kaum. Mein Motto ist: Mach es selbst, dann weißt du, dass alles in deinem Sinne geschieht. Das führte dazu, dass wir unsere Kinder immer in recht wenige Haushaltstätigkeiten eingebunden haben und sie wahrscheinlich fast das Gefühl haben, "das bisschen Haushalt macht sich von allein...";-)
Daneben bin ich auch eine Mama, die tendenziell gern bemuttert, die Kinder umsorgt und lieber ein Mal mehr hilft, als sie zu überfordern. Ich nehme ihnen viele Kleinigkeiten und manchmal auch Herausforderungen ab, die sie schon selbst schaffen könnten. Ich mag sie gern noch ein wenig in ihrer unbeschwerten Kindheitsblase lassen und die Anforderungen der Umwelt von ihnen fern halten. Ich helfe ihnen beim Anziehen, ich räume lieber selbst schnell auf, ich schmiere ihre Brote und schneide ihr Essen. Das hat sowohl den Grund, dass ich allein schneller, gründlicher und fehlerfreier bin, als auch, dass ich sie gern umsorge und ihnen u.a. dadurch meine Zuwendung und Nähe gebe. Manche Dinge sind auch schlicht nicht möglich oder sehr stressig. Staubsaugen geht zum Beispiel nicht, wenn die Kinder da sind, weil die Kleine Angst vor der Lautstärke hat und weint. Beim Wäsche aufhängen haben sie früher für jedes Kleidungsstück, das ich aufhängte, eins wieder runtergezogen. Beim Obst schneiden ist es mühsam, auf 20 Finger zu achten, wenn beide mit scharfen Messern hantieren. Vor allem, wenn man selbst auch vorankommen will. Und so weiter. Das ist alles effizienter, schneller und nervenschonender als mit den beiden zusammen. Vielleicht wäre es mit nur einem Kind anders, aber zwei Kinder bringen einfach soviel durcheinander, man kann sie nicht in jeder Sekunde im Auge behalten und sie stecken sich gegenseitig mit "Blödsinn" an. Das einzige, wo ich sie immer gern eingespannt habe, war und ist das Putzen ihres Spielzeugs. Wenn ich sie im Kinderzimmer still beschäftigen musste, weil beispielsweise mein Mann krank war, habe ich ihnen Putzlappen gegeben und wir haben zu dritt das Spielzeug gesäubert. Das haben sie meist gut und ausdauernd mitgemacht. Insgesamt aber haben wir ihnen viel abgenommen, viel geholfen und unsererseits viel selbst gemacht.
Irgendwann, als sie etwas älter waren, wollte ich nicht mehr alle Haushaltstätigkeiten in meiner Freizeit machen und habe angefangen, in der Anwesenheit der Kinder kleinere Dinge abzuarbeiten. Ich habe auch mehrfach den Papa dazu angehalten, vor oder nach dem Spielen mit den Kindern Aufgaben zu erledigen, um ihnen zu zeigen, was es alles zu tun gibt. Es fiel und fällt ihm schwer, und auch ich erledige bis heute meine Aufgaben am liebsten in Ruhe, ohne Unterbrechungen, ohne Anliegen und Fragen der Kinder. Das mag gut für uns sein, aber die Kinder lehrt es nichts. Wir haben uns jetzt also vorgenommen, einerseits die Kinder mehr in leichtere Tätigkeiten mit einzubeziehen als auch unsere Arbeiten in ihrer Anwesenheit zu erledigen. Dann müssen sie warten oder sich selbst beschäftigen.
Die Kleine hilft sehr gern, z.B. beim Tischdecken und -abräumen, Geschirrspüler ausräumen, Einkäufe verstauen etc. Statt dass ich mich ärgere, wenn sie mir in der Küche zwischen den Beinen herumwuselt, frage ich sie lieber, ob sie mir helfen will. Das ist zwar manchmal nervenaufreibend, aber irgendwie auch befriedigend und es macht Spaß, gemeinsam abzuarbeiten. Der Große ist da unwilliger, er hilft nur, wenn er selbst bereit dazu ist, nicht aus Gemeinschaftssinn oder weil er uns eine Freude machen will. Das tangiert ihn nicht. Er war nie ein Kind, was gern im Hauhalt geholfen oder sich für Haushaltsdinge interessiert hat. Ihn muss man also ganz freilassend anfragen und es, wenn er nicht will (wie meist), akzeptieren. Vielleicht ist die Erfahrung seiner Unwilligkeit auch einer der Gründe dafür, dass wir die Kinder tendenziell kaum in Alltagsarbeiten einbeziehen? Die Kleine ist jedenfalls ein anderer Charakter und wir müssen nun erst wieder lernen, dass ein Kind auch gern und bereitwillig hilft. Das ist ein Prozess, den wir erst begonnen haben. Und jedesmal muss ich mich selbst ermahnen und erinnern, es anders zu machen als bisher.
Manchmal hat man keine Nerven dafür. Wir haben im Sommer den Zaun unserer Gartenterrasse gestrichen und beide Kinder wollten helfen. Immer und immer wieder haben sie sich trotz mehrfacher Erinnerung an den frischgestrichenen Zaun gelehnt, haben sich mit Farbe bekleckst und Farbpaletten umgeworfen. Normal für Kinder, aber da sagt man sich dann schon, mach es lieber allein, warum tust du dir den Stress an. Ähnlich ist es beim Plätzchen backen und anderen Dingen. Kommt dann noch der eine oder andere Wutanfall dazu, ist es schnell vorbei mit dem Spaß. Trotzdem sollten wir es immer wieder versuchen, gerade bei dem bereitwilligen unserer Kinder. Ich selbst war als Kind und Jugendliche ziemlich unselbstständig und hilflos, wahrscheinlich, weil meine Eltern mir auch vieles abgenommen und mich wenig einbezogen haben. Ich sehe einige Aspekte davon schon jetzt beim Großen. Das kann nicht gut sein und ich möchte das bewusst anders machen.
Der andere Punkt ist das elterliche Helfen. Ich helfe meinen Kindern gern und viel, einige würden sagen, zu viel. Manchmal bemuttere ich sie. Klar können sie sich schon allein die Schuhe anziehen und die Jacke zumachen, aber ich übernehme das trotzdem oft für sie. Besonders wenn sie das Bedürfnis nach Zuwendung und Anlehnen haben, wie z.B. nach der Kita oder morgens, wenn sie mit dem Papa das Haus verlassen. Dann helfe ich ihnen, weil ich weiß, dass ihnen diese Situationen eh' schon schwer genug fallen. Es ist aber manchmal schwierig, zu entscheiden, ob ein Bedürfnis nach Zuwendung dahinter steckt oder schlicht Bequemlichkeit. Letzteres möchte ich nicht fördern, ein Bedürfnis aber gern erfüllen. Ich will aber auch nicht, wie manche Eltern das gern tun, sie auf Teufel komm raus dazu anhalten, Dinge selbst zu machen, von denen ich weiß, dass sie sie schon allein können. Ich sehe das oft, dass Eltern dann einfach ihr Ding durchziehen wollen. Ich habe das auch schon versucht, aber es widerspricht mir und fühlt sich für mich und die Kinder natürlich nicht gut an. Es ist aber tatsächlich eine Gratwanderung, zu entscheiden, wann dieser oder jener Beweggrund für Verweigerung vorhanden ist.
Der Große ist z.B. ein Kind, das sich gern helfen lässt und darüber seinen Aufmerksamkeitstank füllt (siehe dieser Text "Warum Kinder ständig unsere Aufmerksamkeit verlangen"). Dem bin ich meist nachgekommen, als ich verstanden hatte, warum er das braucht. Manchmal ist er aber auch bequem und ruht sich auf meiner Hilfe aus. Was ist wann der Fall? Einmal hat er auf dem Heimweg von der Kita alles verweigert und boykottiert, ich wusste nicht warum, und bin laut und ungeduldig geworden. Zuhause merkte ich dann, dass er Fieber hat und es ihm nicht gut geht. Das hat mich sehr betroffen gemacht und ich habe mich geschämt. Also lieber doch ein Mal zuviel helfen und die Gefahr der Unselbstständigkeit oder Bequemlichkeit des Kindes in Kauf nehmen, wie ich es meist mache? Sehr schwierig! Ich glaube, es gibt dafür keine Lösung und auch meine beiden Kinder werden sich sehr unterschiedlich entwickeln, bei gleichen häuslichen Bedingungen. Das ist ja jetzt schon der Fall. Die Kleine zieht sich viel bereitwilliger allein an und entwickelt tendenziell mehr Ehrgeiz darin, Dinge allein und selbstständig zu schaffen, als der Große. Was das Mithelfen unserer Kinder betrifft, können wir bewusst etwas mehr Hilfe von ihnen bei alltäglichen Aufgaben anfragen, aber völlig freilassend, und dabei auch die unterschiedliche Bereitschaft der Kinder berücksichtigen. Was unser Umsorgen angeht, ist das nicht so eindeutig, weil sie sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben und es schwierig ist, ihre "Hilfsbedürftigkeit" einzuschätzen. Brauchen Sie Unterstützung, weil sie etwas noch nicht können, zu bequem sind oder weil sie Zuwendung und Nähe benötigen? Oder sollten wir mehr ihre Selbstständigkeit fördern? Ich lerne noch...
Wie handhabt ihr das, seid ihr auch so, dass ihr Dinge am liebsten allein macht? Bemuttert ihr eure Kinder gern? Helfen sie bereitwillig oder haben sie kein Interesse an alltäglichen Aufgaben? Oder wollt ihr eure Kinder um jeden Preis zur Selbstständigkeit und Unabhängigkeit anhalten? Müssen eure Kinder schon bestimmte Aufgaben übernehmen? Schildert mal eure Erfahrungen mit dem Thema.
Bildquelle: Pixabay

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