Heinrich von Kleist und das Boxen

Von Betker

Heinrich von Kleist und das Boxen
Heinrich von Kleist (10. oder 18.10.1777 – 21.11.1811) war vermutlich kein Freund des Faustkampfs. Eventuell hat das mit seiner Zeit beim preußischen Militär (1792 bis 1799) zu tun. Aber das ist jetzt reine Spekulation von mir. Trotz seiner wahrscheinlichen Ablehnung verdanken wir ihm jedenfalls eine kurze Reportage (Anekdote) über einen Boxkampf. Kleist schrieb sie vermutlich 1810 oder 1811. Und wie könnte es anders sein: Sie ist sprachlich so großartig, wie sie nur Kleist schreiben konnte.
© Uwe Betker

Anekdote von Heinrich von Kleist
Zwei berühmte englische Baxer, der eine aus Portsmouth gebürtig, der andere aus Plymouth, die seit vielen Jahren von einander gehört hatten, ohne sich zu sehen, beschlossen, da sie in London zusammentrafen, zur Entscheidung der Frage, wem von ihnen der Siegerruhm gebühre, einen öffentlichen Wettkampf zu halten. Demnach stellten sich beide, im Angesicht des Volks, mit geballten Fäusten, im Garten einer Kneipe, gegeneinander; und als der Plymouther den Portsmouther, in wenig Augenblicken, dergestalt auf die Brust traf, daß er Blut spie, rief dieser, indem er sich den Mund abwischte: brav! – Als aber bald darauf, da sie sich wieder gestellt hatten, der Portsmouther den Plymouther, mit der Faust der geballten Rechten, dergestalt auf den Leib traf, daß dieser, indem er die Augen verkehrte, umfiel, rief der letztere: das ist auch nicht übel –! Worauf das Volk, das im Kreise herumstand, laut aufjauchzte, und, während der Plymouther, der an den Gedärmen verletzt worden war, tot weggetragen ward, dem Portsmouther den Siegsruhm zuerkannte. – Der Portsmouther soll aber auch Tags darauf am Blutsturz gestorben sein.