“Heiliger Krieg” in der Lok: Die GdL hat keiner mehr lieb

Wirklich abenteuerlich, was unsere in die Jahre gekommene Demokratie inzwischen so alles zulässt. Längst gehört es zum Alltag, dass kleinste Gruppierungen Staat und Gesellschaft als Geiseln nehmen. Fast immer geht es dabei angeblich um Gerechtigkeit. Vor allem um soziale Gerechtigkeit, an der es nach dem Verständnis der Gleichmacher in Deutschland so furchtbar mangelt. Durch alle Lebensbereiche zieht sich das Erpressungspotential der selbsternannten Gerechtigkeitskämpfer. Und sie kennen nur ein Ziel: Das Durchsetzen ihres ganz persönlichen Vorteils – koste es den Rest der Gesellschaft, was es wolle. Jedes Maß ist verloren gegangen, weil das gehirngewaschene Volk inzwischen wirklich glaubt, es gäbe nur noch Benachteiligte. Da solidarisiert man sich lieber, ohne das Ansinnen zu hinterfragen, denn man könnte ja selbst mal ein egoistisches Anliegen durchsetzen wollen. Vernunft ist da fehl am Platz, der gesunde Menschenverstand sowieso. Indem wir uns haben einreden lassen, immer mehr Wohltaten führten zu totaler Gerechtigkeit, haben wir zugelassen, dass die Grundpfeiler der Demokratie, die diese ein halbes Jahrhundert getragen haben, innerhalb nur eines Jahrzehnts von vielen egoistischen Kleingruppen zerschlagen worden sind. Schon Rom ist daran zugrunde gegangen.

Aktuell sind es die Lokführer, die unsere Nachgiebigkeit für ihre Zwecke ausnutzen. Damit wir uns nicht missverstehen: Sie tun nichts Illegales, das Streikrecht ist auf ihrer Seite. Allerdings stammt dieses aus dem vergangenen Jahrhundert, als es gute Gründe gab, die Rechte von Arbeitern und Angestellten gegenüber Unternehmen zu stärken. Es fehlte vor allem an der tariflichen Mitsprache, gab nur unzureichende Mindeststandards für den Arbeitsplatz, keine Antidiskriminierungsgesetze und nicht einmal einen anständigen Kündigungsschutz. Doch die Ziele der Gewerkschaftsbewegung der 1970er Jahre sind längst erreicht. Brauchen wir also Gewerkschaften noch? Oder besser: Müssen wir sie als Gesellschaft noch hinnehmen? Im 21. Jahrhundert ist es zumindest an der Zeit darüber nachzudenken, wie viel Macht wir diesen Organisationen noch zubilligen. Die Arbeitswelt ist heute in jeglicher Hinsicht reguliert und bietet den Beschäftigten quasi einen Vollkaskoschutz. Selbst die Höhe der Mindestlöhne wurde inzwischen festgelegt. Aber zu viel kann man ja nie bekommen, also wird immer weiter munter drauflos gestreikt. Einfach nicht weiterarbeiten, bis der Arbeitgeber sich nicht länger erpressen lassen will und nachgibt.

Skurrile Blüten treibt das Ganze inzwischen bei den Lokführern, die von der Deutschen Bahn auch während ihres Ausstands weiterbezahlt werden, obwohl sie gleichzeitig Zahlungen aus der Streikkasse der Gewerkschaft bekommen. Diese werden am Ende zwar angerechnet, doch zunächst einmal macht der Streik die Arbeitsunwilligen zu Doppelverdienern. Und dies, obwohl sie – gemessen an ihrer Aufgabe – schon mit einfachem Lohn ordentlich bezahlt werden. Ein Anfangsgehalt von über 2.500 Euro, über das sich die ohne besondere Berufsvoraussetzungen angelernten Schulabgänger freuen dürfen, hätten Pflegekräfte und Erzieherinnen gerne. Aber lieber messen sich die Lokführer mit den Piloten, mit denen sie zumindest die Streikfreudigkeit verbindet. Wie sehr sich die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL) inzwischen ins Abseits manövriert hat, erkennt wohl nur ihr Vorsitzender Claus Weselsky nicht. Die Deutsche Bahn sieht einen “Amoklauf”, der ehemalige GdL-Vorsitzende Manfred Schell verurteilt Weselskys “Heiligen Krieg” und selbst die tiefrote Arbeitsministerin Nahles droht mit Entmachtung. Den “Klodeckel des Tages” darf Claus Weselsky deshalb als Andenken an seine auf das Abstellgleis zurollende Lokführer-Gewerkschaft betrachten.


Tagged: Bahn, GdL, Lokführer, Streik, Weselsky

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