Das waren noch Zeiten, als der Klimawandel in den Kinderschuhen steckte. 35 Jahre her, immer wurde es seitdem nur heißer und heißen und heißer. Damals beschrieb der stets um äußerste Sachlichkeit bemühte "Spiegel" einen normalen Sommer noch so: "Darbende Natur, schwitzende Bürger: Europa hatte den heißesten Sommer seit Menschengedenken. Straßendecken platzten, Börsenkurse sanken, Walen im Zoo drohte Sonnenbrand. Während Stadtbewohner Stress befiel, bahnten sich auf dem Land Milliardenschäden an. Und nicht nur der Schirmherstellerverband flehte um Regen."
Heute hätte er ihn. Ende August, 18 Grad. Regen. Die Erderwärmung damals, als es sie noch nicht einmal als Vokabel gab, hatte schon anderes Kaliber. Schon "die letzte Juni-Woche findet schon nicht mal mehr im Hundertjährigen Kalender ihresgleichen", lobt der "Spiegel" die historische Dimension. Eine ganze Woche mit örtlich Tagestemperaturen von jeweils über 30 Grad - "das notierte man, zumindest im Juni, hierzulande noch nie". Und dass Juni-Dürre die Niederschlagsmenge des ersten Halbjahres unter 110 Millimeter drückte, wie in Berlin verbucht, das hab es sogar seit 1851 nicht mehr gegeben.
Deutschland auf dem Höhepunkt der 70er Jahre. Hitzetage ohne Beispiel: Im Ruhrgebiet fuhren winterliche Streukolonnen, um aufgematschten Asphalt mit Sand griffig zu halten. An der Saar schwärmten Inspektoren aus, um entlang den Flüssen zu verhindern, daß unter trockenheitsgeschädigten Bauern "der Höhergelegene dem Tiefergelegenen was wegnimmt" (ein Ministeriumssprecher). Die Apokalypse ist, damals schon, nah wie nie. "Fahrzeugschlangen stauten sich kilometerweit, weil in Nord wie Sud auf Autobahnen die Betondecken bei Temperaturen über 70 Grad aufrissen; Züge fuhren mit Tempolimit, zwischen Köln und Koblenz galten 50 km/h, weil durch Hitzeglut "Gleisverdrückungen" (Bundesbahnjargon) entstanden."
Da frohlockte der Reporter aus Hamburg noch, der nicht wusste, dass es die kommenden Jahrzehnte von Monaten nur wimmeln würde, die immerzu zu heiß und noch heißer werden. Dabei bot sich schon 76 "Medizinern und Agrariern eine katastrophale Lage". Hitzeopfer rund um die Uhr, draußen darbten Ernte und Vieh, "wuchsen Schäden der Landwirtschaft: in Hessen und Rheinland-Pfalz beispielsweise schon in Milliardenhöhe". Wenigstens waren das damals noch Milliarden Mark, also nur halb soviel wie heute, wo es die Ernte eher verhagelt als dass sie auf dem Halm verbrennt.
Hitze-Notstand machte allerorten findig. In Duisburg schützte ein Zeltdach seltene Weißwale vor Sonnenbrand, "eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung dagegen bekam in Frankfurt ein Luxuswagen-Fahrer, der den Motor seines 5,4-I-Diplomat laufen ließ, um die Klimaanlage in Gang zu halten". Nach einer Umfrage fanden 79 Prozent der Deutschen die heiße Woche "unerträglich". "Nationales Unglück" konstatiert "L'Express" dagegen für Frankreich, die Schweiz sah sich gar "mit jedem Tag, der vergeht, der Katastrophe einen Schritt näher". In Belgien starben mindestens zehn Menschen, als ein Zug entgleiste. Wahrscheinliche Unfallursache: Gleisschaden durch Hitze.
Wie es ist, ist es immer am schrecklichsten, das weiß, wer ständig "Spiegel" liest. In der heißen Bundesrepublik, in der damals 38 Grad im Schatten gemessen wurden, jammerten nicht nur ein Vertreter des Verbandes der Deutschen Schirmindustrie "Wann kommt endlich wieder Regen?"
Falls der Mann noch lebt, weiß er es inzwischen.
Alarm beim DWD: Statistik erneut viel zu warm