Im bisherigen Diskurs ´Häusliche Gewalt´ wird nahezu ausschließlich auf Gewalt gegen Frauen fokussiert die von Männern ausgeht. Als Ursache dieser von Männern gegen Frauen ausgeübten Gewalt wird vorschnell das Patriarchat diagnostiziert. Es wird einfach angenommen, dass allen Männern (und nur ihnen) ein Gewaltpotenzial innewohnt, welches jederzeit ausbrechen könnte und sich dann vorzugsweise gegen eine Frau richten würde.
Selbst in jenen Fällen, in denen Frauen nachweislich Gewalt ausgeübt haben, glaubt man, dies sei aus ´Selbstverteidigung´ heraus geschehen und quasi ´entschuldbar´. Überhaupt wird Gewalt die Frauen gegen Männer ausüben, vorschnell als ´gerechtfertigt´ angesehen und die Verantwortung für die Tat nicht selten dem Mann zugeschoben.
Als Beleg für derlei Thesen werden Daten genutzt, die aus Frauenhäusern und Gesprächen mit dort Schutz suchenden Frauen stammen. Daten aus Studien, die sich auf andere untersuchte Gruppen oder die gesamte Bevölkerung beziehen, werden weitgehend ausgeblendet.
Entgegen allen Belegen für die Heterogenität von Männern, wird im Falle häuslicher Gewalt fälschlicherweise von einer Homogenität ausgegangen. Unreflektiert werden aus einer bestimmten Gruppe von Männern, wenig professionell, Männer im Allgemeinen gemacht. Es wird vernachlässigt, dass es häusliche Gewalt in nicht unerheblichem Ausmaß auch in lesbischen Beziehungen gibt und Frauen nachweislich Täter auch gegen andere Personengruppen, etwa Kinder oder alte Menschen sind.
Es wird in diesem wiederkehrend falsch geführten Diskurs nicht berücksichtigt, dass es individuelle Variablen und psychologische Dispositionen geben könnte, die Gewaltverhalten bei Frauen und Männern auslösen könnten. Es wird nicht berücksichtigt, dass auch eine Frau eine aggressive Persönlichkeit sein kann. Es findet auch keine Berücksichtigung, dass gerade solche Frauen und Männer Gewalt ausüben, bei denen als Kind oder Jugendliche Verhaltensstörungen oder psychische Störungen sogar diagnostiziert worden sind. Womöglich geht der häuslichen Gewalt eine psychopathologische Geschichte beider Konfliktparteien voraus und wenn man sie kennt, könnte man adäquat reagieren. Womöglich handelt es sich um Frauen und Männer, die gleichermaßen durch kindliche Erfahrungen traumatisiert sind und deshalb später in Häusliche Gewalt verstrickt werden. Statt zu glauben häusliche Gewalt gebe es in allen Familien, könnte sie aber das Resultat eines bestimmten Familientyps sein, den es zu entdecken gilt.
Es könnte auch sein, dass ein Mangel an Kommunikationsfähigkeit Häusliche Gewalt begünstigt. Vielleicht geht dem Anlass ein instabiler Bindungsstil in der Kindheit voraus. Die Beteiligung beider Partner an der Eskalation wird aber kaum in Erwägung gezogen, dabei ist es so naheliegend. Das Verhalten in der ehelichen Dyade wird nicht analysiert, dabei könnte es hilfreich sein. Man könnte Vorhersagen zu Häuslicher Gewalt machen und präventiv arbeiten, wenn man das Verhalten in der Partnerschaft und soziale Faktoren analysieren und berücksichtigen würde. Dafür müsste man allerdings auch mit den beteiligten Männern reden.
Es ist an der Zeit instabile Bindungen, problematische Eltern-Kind- Beziehungen, Ein-Elternschaft, prekäre Lebensverhältnisse, Suchtproblematik, Verhaltensstörungen und kriminelle Aktivität eines oder beider Partner mit Häuslicher Gewalt in Verbindung zu bringen und dies in die Bewältigungsstrategien miteinzubeziehen. Es könnten so sogar Vorhersagen und entsprechende Prävention möglich sein.
Wenn wir Paargewalt differenziert analysieren und ihr professionell begegnen wollen, hilft der bisher eingeschlagene Weg nicht nur wenig, sondern gar nicht!