Ob andere Hausfrauen und Hausmänner auch an ihr leiden, weiss ich nicht. Ich ahne es nur, denn wo immer man hinkommt, trifft man auf Menschen, die sich für ihr „unglaubliches Chaos im Haus“ entschuldigen und die sich dafür rechtfertigen, dass es bei ihnen eben „nur Filterkaffee und keinen Latte Macchiato gibt“ und dass „der Kuchen leider aus der Migros kommt und nicht so gut ist wie bei dir“. Offen darüber unterhalten habe ich mich trotz dieser Vermutung noch mit niemandem, denn tief in mir drinnen lauert die Angst, dass sich herausstellen könnte, dass ich weit und breit die Einzige bin, die sich dauernd rechtfertigt dafür, was sie im Haushalt tut, oder viel mehr nicht tut.
Schuld daran, dass bei mir die Hausfrauenkrankheit ausbrach, als „Meiner“ und ich erst ein paar Wochen verheiratet waren, ist – wer denn sonst? – die Schwiegermutter. Kam sie bei uns zu Besuch, ass sie artig von allem, was ich gekocht hatte. Dann ging sie nach Hause und später, wenn sie wusste, dass ich bei der Arbeit war, rief sie „Meinen“ an und beklagte über das Essen, was er mir als loyaler Ehemann natürlich jedes Mal brühwarm erzählte. Damals war ich noch leicht einzuschüchtern und deswegen schaute mir von da immer, wenn ich mich der Hausarbeit widmete, eine imaginäre Schwiegermutter über die Schulter. „Warum nimmst du dafür kein anständiges Putzmittel?“, fragte sie mich, wenn ich Chromstahl mit Essig reinigte. „Warum kochst du heute schon wieder kein Fleisch für meinen Sohn? Du weisst doch, wie dünn er ist“, kritisierte sie mich, wenn ich die Einkäufe ins Haus schleppte. „Also ich würde das Klo ja mit Javel-Tabletten reinigen“, bemerkte sie vorwurfsvoll, wenn ich mit meinem biologisch abbaubaren WC-Reiniger und der Klobürste bewaffnet in unser Badezimmer, das gerade mal so gross war wie eine Duschkabine war, ging.
Irgendwann verlor ich die Angst vor der Schwiegermutter, ich hörte auf, mich ihr gegenüber zu rechtfertigen. Die Hausfrauenkrankheit aber blieb. An die Stelle der imaginären Schwiegermutter trat die Chefin, die mir in der Pizzeria, in der ich während des Studiums jobbte, auf die Finger schaute. Nicht, dass die Frau eine allzu grosse Ahnung von Hygienevorschriften gehabt hätte, dafür achtete sie umso strenger darauf, ob die Angestellten zu viel assen. Und so kam es, dass mir bald einmal auch zu Hause beim Kochen die geizige Chefin über die Schulter schaute. Nachdem ich den Job in der Pizzeria geschmissen hatte, liess ich mich von einer Expertin beschatten, die sich in irgend einem Interview, das ich in irgend einem Wartezimmer gelesen hatte, zu Kühlschrankhygiene und der Haltbarkeit von Gemüse geäussert hatte. Später rechtfertigte ich mich bei jedem Wocheneinkauf gegenüber einer erzürnten Leserin, die mir als Reaktion auf eine meiner Kolumnen mangelndes Umweltbewusstsein und fehlendes Wissen beim Einkauf von frischen Lebensmitteln vorgeworfen hatte. Ich weiss nicht, bei wem ich mich sonst noch rechtfertigte, aber glaubt mir, es waren eine ganze Reihe von imaginären Kritikern, mit denen ich mir jeweils hitzige Diskussionen lieferte, währenddem ich mich dabei abmühte, eine halbwegs brauchbare Hausfrau zu sein. Wie absurd mein Verhalten war, fiel mir erst auf, als ich mich bei unserem ersten Au Pair wieder und wieder für dies und jenes, was in meinen Haushalt nicht ganz so war, wie es im Lehrbuch steht, entschuldigte. Ich glaubte damals doch tatsächlich, dass ich als hochschwangere Mutter von vier kleinen Kindern mich bei einer Zwanzigjährigen dafür entschuldigen müsse, dass nicht immer alles ganz nach Betty Bossi lief.
Ich glaube, das war der Punkt, an dem mir so langsam dämmerte, dass das Spiel mit den ewigen Rechtfertigungen ziemlich krank ist. Zumal die Hausarbeit nicht gerade zu den Dingen zählt, die mir am meisten am Herzen liegen. Ob es an diesem Erlebnis mit dem Au Pair lag oder an der Tatsache, dass ich die Hausarbeit immer mehr an die Putzfrau und an „Meinen“, der in diesem Bereich deutlich effizienter ist als ich, delegierte, weiss ich nicht. Sicher ist, dass irgendwann in der Zeit, als das Prinzchen noch sehr klein war, die Wende eintrat. Nicht, dass ich von einem Tag auf den anderen geheilt gewesen wäre, doch die Hausfrauenkrankheit machte sich immer seltener bemerkbar. Ich akzeptierte endlich, dass es in einem lebhaften Grossfamilienhaushalt, in dem täglich gekocht, gespielt, gewaschen, experimentiert und gebadet wird, nicht aussehen kann wie bei „Schöner Wohnen“. Und da heutzutage nicht mehr allzu viele Menschen einen solchen Haushalt führen, gibt es auch nicht allzu viele, die mir sagen könnten, wie man das hinkriegt, ohne hier und da Abstriche bei der Perfektion machen zu müssen.
Dass ich dennoch nicht vollständig geheilt bin, musste ich leider heute feststellen. Da schreibt mir doch irgendjemand, der noch nie einen Fuss in unser Haus gesetzt hat und der keine Ahnung davon hat, wie viel ich mich um meine Kinder kümmere, ich hätte einen Saustall zu Hause und ich würde besser für meine Kinder sorgen, als zu schreiben. Und anstatt diesen blöden Kommentar einfach gleich wieder zu vergessen, grummle ich den ganzen Tag vor mich hin: „Ha, von wegen Saustall! Möchte ja mal sehen, ob andere auch nach jeder Mahlzeit die Küche gründlich reinigen. Und das Waschbecken im Bad mache ich auch nach jedem Zähneputzen wieder sauber. Jawohl, mein Herr, meine Kinder putzen sich die Zähne dreimal am Tag und nicht bloss zweimal…“