Donald Trump führt der Welt gerade vor, was man alles erreichen kann, wenn man ein Fernsehstar ist. Und längst pfeifen es die Spatzen vom Dach: Besser eine schlechte Publicity als gar keine.
Im neuen Stück „Eine Stille für Frau Schirakesch“ von Theresia Walser könnte man das Auftreten von sechs Personen bei einer Talkshow ähnlich sehen. Findet diese doch statt, weil in einem Land im mittleren Osten eine Frau gesteinigt werden soll und man sich über diesen Umstand näher informieren möchte. Zur illustren Runde eingeladen hat eine Talkmasterin, die, so erfährt man im Laufe des Abends, ihren Job eigentlich hasst.
Sechs Talkgäste und eine Delinquentin
Ein General, eine Ex-Soldatin und ihr Vater, eine Beinahe-Schönheitskönigin und ein Model, sie alle äußern sich über die Umstände, die in diesem nicht näher genannten Land herrschen, haben jedoch keine Ahnung, was der Delinquentin, Frau Schirakesch, denn eigentlich zur Last gelegt wird.
Die Szenerie spielt sich in der Stunde vor der eigentlichen Fernsehausstrahlung ab, in welcher die Beteiligten zwar sprechen dürfen, aber über das Ereignis in dem Kriegsort Tschundakar nicht wirklich Auskunft geben sollen. Schließlich möchte die Moderatorin diese Aussagen in aller Frische und ungekünstelt live erhalten.
Eine Stille für Frau Schirakesch (c) Bettina FrenzelEin eindringlicher, satirischer und kunstvoller Text
Walser gelingt ein eindringlicher, satirischer Text, der mehr um ein Thema kreist, als es definitiv in die Zange zu nehmen. Ein Text, der auch aufgrund vieler kunstvoller Wort- und Satzkonstruktionen literarische Achtung verdient. „Wir sitzen hier eingeklemmt zwischen Anteilnahme und Sorge“, lässt sie eine der Protagonistinnen angesichts der drohenden Exekution sagen. Oder „Die Wirklichkeit hat aus meinem Pflichtgefühl ein Gemetzel gemacht.“, ist es an anderer Stelle zu hören. Weniger positiv daran ist, dass sich diese kunstvolle Sprache dann als hinderlich erweist, wenn es darum geht, das Publikum von den so oftmals überzeichneten Figuren wirklich zu überzeugen.
Vielleicht mag das auch an der Regie von Dora Schneider liegen, die, je länger der Abend voranschreitet, den Seelenstriptease der Beteiligten auch sichtbar macht. Da zieht sich die Schönheitskönigin bis auf die Unterwäsche aus, da tropft das Blut der Moderatorin aus deren Nase, als schließlich alles und zugleich doch nichts gesagt ist.
Eine Stille für Frau Schirakesch (c) Bettina FrenzelDas Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Kulturen
Der Clash of Civilisations steht im Mittelpunkt von Walsers Text und zeigt brillant, wie sehr sich die Bemühungen der westlichen Welt, ihre Wertvorstellungen zu transportieren, letztlich als ungenügend oder auch kontraproduktiv erweisen. Es wird aber auch überdeutlich, dass es zwischen der islamisch geprägten, patriarchalen Gesellschaftsidee und der westlichen Auffassung nicht einmal Brücken gibt, die betreten werden können. Nicht zuletzt ist sich jeder und jede im Spiel der Fernseheitelkeiten selbst am nächsten, will seine Geschichte einem breiten Fernsehpublikum präsentieren – sodass der eigentliche Anlass, die Steinigung von Frau Schirakesch völlig in den Hintergrund tritt.
Eine Stille für Frau Schirakesch (c) Bettina FrenzelEine homogene Ensembleleistung
Hannes Gastinger überzeugt als erfolgloser General, der nicht nur bombardierte Kinder am Gewissen hat, sondern mit der Errichtung eines Klohäuschens Schiffbruch erleidet. Marius Michael Huth kämpft am Ende als hysterische Schönheitskönigin mit ihrer Konkurrentin (Karin Yoko Jochum), Walter Ludwig, der mediengeile Soldatinnenvater wird kurzerhand in eine orange Burka gesteckt, die er gar nicht mehr verlassen will. Seine Tochter, Julia Schranz, mutiert vom sprachlosen Waserl zum Psychozombie, der ein menschliches Ohr als Erinnerungsstück bei sich trägt und Katharina Solzbacher hat alle Hände voll zu tun, ihre Talkgäste zu bändigen.
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