Hätte ich es ihr sagen sollen?

Sie macht es exakt wie ich damals, investiert ihr gesamtes Erspartes in Spielsachen, die sie schon sehr bald nicht mehr interessant finden wird. Jetzt, wo ihre kleinen Geschwister endlich nicht mehr alles zerstören, möchte sie noch einmal ganz neu anfangen, mit einem wunderschönen Puppenhaus, mit neuen Bewohnern, die noch alle Haare auf dem Kopf haben, mit Möbeln, wie man sie gerne im eigenen Wohnzimmer stehen hätte.

Sie will noch einmal richtig Kind sein, bevor es zu spät ist dazu. Ich kenne das Gefühl, empfand einst genau das Gleiche, auch wenn meine Spielsachen neu sein mussten, weil von den grossen Geschwistern nichts Anständiges mehr übrig war. Bei ihr waren es die kleinen Geschwister, die ihre heilen Welten nicht unberührt lassen wollten. Sie ahnt wohl, dass sie an der Schwelle zu etwas Neuem steht, die ersten Anzeichen sind da. Wenn die Eltern bezahlen, müssen die Dinge bereits cool sein, nicht mehr romantisch und verspielt, als Souvenir will sie keine Teddybären mehr, sondern Nagellack. Mit ihrem eigenen Geld lässt sie aber lieber Kinderträume wahr werden. Die lassen sich jetzt endlich verwirklichen, weil das Taschengeld höher ist und die Geburtstagsgeschenke von Verwandten immer öfter in Form von Bargeld überreicht werden.

Hätte ich ihr sagen sollen, dass das Puppenhaus für sie wohl schon bald nicht mehr interessant sein wird, dass sie es vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft auf den Estrich räumen wird? Ich weiss ja, dass es zumindest vorübergehend so sein wird; bei mir und meinen Geschwistern war es auch nicht anders. Ich habe nichts gesagt. Nicht nur, weil ich ihr die Freude nicht nehmen wollte, sondern auch, weil es so unglaublich schön war, mit ihr zusammen Mädchenträume wahr werden zu lassen. Wie habe ich es doch genossen, mit ihr auf dem Boden zu kauern, Wände aufzubauen, Fenster einzusetzen und Blumenschmuck anzubringen. Nur einen erwachsenen Rat habe ich ihr gegeben: Dass sie Sorge tragen soll zu dem Haus, damit sie eines Tages, wenn sie mit ihren eigenen Kindern das Haus aufbaut – vielleicht auch mit ihren Neffen und Nichten -, noch einmal Kind sein kann. So, wie ich heute mit ihr Kind sein durfte.

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