Dem Tageszeitungs-Bericht zufolge hat Christian B. dem Bekannten zwei Videos vorgeführt. Demnach zeigte eins die Vergewaltigung einer älteren Frau, das andere, wie ein Erwachsener Sex mit einer Minderjährigen hatte. Der beunruhigte Bekannte habe bei der Polizei Anzeige gegen Christian B. erstattet, so die Zeitung. Daraufhin hätten die deutschen Beamten erneut gegen den heute 43-Jährigen ermittelt - wie schon nach 2013, als britische Kollegen darum baten. Damals gab es offenbar keine verwertbaren Ergebnisse. Auch bis heute gibt es bislang nur Indizien, aber keine handfesten Beweise.
Verdächtiger im Fall Maddie: Ein Haar führte auf die Spur
Doch nun habe man DNA-Spuren ausgewertet. Laut Correio da Manhã bewies ein Haar von Christian B., dass er am Ort der brutalen Vergewaltigung einer amerikanischen Touristin im Jahr 2005 in Praia da Luz war. Aus weiterem, von der portugiesischen Kriminalpolizei bereitgestellten Material und dem Personenprofil - die deutsche Polizei ordne den Mann als Gewalttäter ein, der bizarre Dinge möge - ergab sich nach Angaben des Blattes der Verdacht, Christian B. stehe möglicherweise auch mit dem Verschwinden von Maddie am 3. Mai 2007 aus der Ferienanlage Luz Ocean Club in Verbindung.
Die Zeitung schreibt:
"Die Autos und das Haus, in dem er lebte, wurden forensisch untersucht, und es wurden Beweise gesammelt, um die Ermittlung zu konsolidieren. Was entdeckt wurde, veranlasste die deutsche Polizei und die Staatsanwaltschaft, von einem Mord an Maddie auszugehen".
Christian B. verweigert gemäß Correio da Manhã in der Justizvollzugsanstalt Kiel, wo er einsitzt, die Aussage und ist nicht geständig. Die Videos habe man bislang nicht gefunden.
Sowohl das Bundeskriminalamt in Wiesbaden als auch die Staatsanwaltschaft in Braunschweig gehen davon aus, dass das britische Mädchen Madeleine McCann einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen ist. Die neuen Erkenntnisse sind offensichtlich Resultat der jahrelangen Zusammenarbeit zwischen britischen, portugiesischen und deutschen Ermittlern. Erste Hinweise auf den Deutschen, der vor 48 Jahren unter anderem Namen (Christian F.) in Würzburg geboren worden ist, hatte es schon 2013 gegeben.
Sachdienliche Hinweise, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, nimmt das Bundeskriminalamt auf zwei Wegen entgegen - im Internet über das BKA-Hinweisportal und telefonisch unter +49 611 5518444.
Hat Verdächtiger im Fall Maddie auch mit Vermisstenfällen Inga und René zu tun?
Unterdessen meldeten mehrere deutsche Medien, inzwischen prüften die Ermitter weitere Vorwürfe gegen den Verdächtigen. Sie stünden zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Vermisstenfall Inga Gehricke vom 2. Mai 2015. Damals war das fünfjährige Mädchen aus Schönebeck in Wilhelmsdorf (bei Stendal/Sachsen-Anhalt) verschwunden, als es im Wald Feuerholz für ein Grillfest sammelte. Selbst Spürhunde konnten Inga nicht wieder auffinden. Den Berichten zufolge wohnte Christian B. damals auf einem aufgegebenen Fabrikgelände in diesem Großraum, der Börde, bei Neuwegersleben. Andere Angaben sprechen von einem Bauernhof. Dort fand man 2016 Mädchenkleider und auf einem Speicher-Stick Kinderporno-Fotos, die unter anderem den Missbrauch von Kleinkindern und Säuglingen zeigen.
Wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, sind Ermittler des Bundeskriminalamts zudem dabei zu prüfen, ob es auch einen Zusammenhang mit dem Verschwinden des sechsjährigen René Hasee aus Elsdorf bei Bergheim geben könnte. Von dem Kind fehlt seit dem 21. Juni 1996 jede Spur. Mit seinen Eltern war es im Sommerurlaub in Aljezur. Der Algarve-Ferienort liegt rund 40 Kilometer von Praia da Luz entfernt. Dort verschwand elf Jahre später Maddie McCann aus dem Ferienappartment ihrer Eltern. Die Frage, die sich die Ermittler stellen, ist nun: Hat der Verdächtige Christian B., der zwischen 1995 und 2007 an der Algarve lebte, womöglich diese Kinder jeweils in seine Gewalt gebracht? Und was ist danach geschehen?
Diese Ermittlungs-Schritte gab es in Portugal
An Portugals Südküste gab es inzwischen folgende Ermittlungs-Aktivitäten und ‑Erkenntnisse:
- Die Kriminalpolizei befragte mehrere Zeugen. Dies bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft der Algarve. In der Mehrzahl handelte es sich um Personen, die in der Nähe von zwei Häusern wohnten, die vom Verdächtigen mit Sicherheit benutzt wurden.
- Es wird eine Durchsuchung aller von dem Verdächtigen benutzten Häuser geprüft, sobald konkretere Anhaltspunkte vorliegen.
- Die Polizei bittet die Bevölkerung, vor allem auch Deutsche, erneut um Mithilfe, damit herausgefunden werden kann, was genau am 3. Mai 2007 passiert ist. Die Ermittler benötigen noch weitere Belege zum Tatnachweis und für eine Anklage oder aber für einen Verdachtsausschluss. Strandaufnahmen, Häuserfluchten, Fotos von Ferienanlagen, Landschaftsaufnahmen, Fotos, die im Hintergrund Fahrzeuge oder Personen zeigen - alles könnte in diesem Zusammenhang nützlich sein für die Beamten.
- Derzeit sind die Ermittler vor allem auch auf der Suche nach einer der Ex-Freundinnen des Hauptverdächtigen. Medienangaben gemäß soll sie zum Zeitpunkt der Beziehung minderjährig gewesen sein und Wurzeln im Kosovo haben. Die Frau könnte helfen, mehr über die Bewegungen von Christian B. rund um das Algarve-Dorf zu erfahren.
- Interessantes Detail: Am Tag nach dem mysteriösen Verschwinden des damals fast vierjährigen Urlauber-Kindes aus Großbritannien an der Algarve wurde ein auberginefarbener Jaguar XJR 6 des Verdächtigen mit deutschem Kennzeichen - zeitweise Münchener und Augsburger - auf eine andere Person zugelassen.
Verdächtiger im Fall Maddie könnte zunächst nur Raub geplant haben
Christian Hoppe, als leitender Kriminaldirektor federführender Ermittler beim Bundeskriminalamt, wird in der portugiesischen Boulevard-Zeitung mit der Aussage zitiert, es sei möglich, dass der Verdächtige in die Ferienwohnung der Familie McCann eingebrochen sei, um diese auszurauben: "Spontan könnte er [durch das Sehen des Mädchens, das in seinem Zimmer schläft] eine sexuelle Motivation entwickelt haben". Als Belohnung für sachdienliche Hinweise haben die britische Metropolitan Police (London) 20.000 Pfund und das deutsche Bundeskriminalamt 10.000 Euro ausgesetzt.
Dem Vernehmen nach bestätigte die Auswertung von Mobilfunk-Daten, dass der Verdächtige Christian B. sich am 3. Mai 2007 im Raum des Dorfes Praia da Luz aufgehalten habe. Durch die Analyse der Einwahl bei entsprechenden Mobilfunk-Masten sei sein Handy bis auf 200 Meter genau lokalisiert worden. Man könne ihm ferner ein 30-minütiges Telefonat mit einem anderen Mobiltelefon nachweisen. Ergänzend berichtet die portugiesische Zeitung Jornal de Notícias am Freitag, Christian B. habe sich in der Nähe der Ferienanlage Luz Ocean Club befunden, "von wo aus Maddie verschwand, als er zur Essenszeit einen Telefonanruf an eine Telefonnummer tätigte, die auf den Namen Diogo Silva registriert war".
Verdächtiger im Fall Maddie 17 Mal in Deutschland und Portugal verurteilt
Den verdächtigen Deutschen, der in einem Gefängnis in Kiel derzeit eine siebenjährige Haftstrafe wegen brutaler Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Urlauberin Anfang September 2005 in Praia da Luz verbüßt, beschreibt das in der Regel gut informierte Blatt als einen umherirrenden Sexualstraftäter, Pädophilen, Drogenhändler, Gelegenheitsdieb und Gewalttäter. Laut "Spiegel" wuchs Christian B. in einem Heim auf, machte den Hauptschulabschluss und und brach danach seine Lehre ab.
Die kriminelle „Karriere" des 1,80 Meter großen gebürtigen Würzburgers mit kurzen, blonden Haaren habe im Alter von 15 Jahren mit einem Raubüberfall begonnen. 1995 sei Christian B. mit seiner Freundin an die Algarve gezogen. Er arbeitete bis 2007 gelegentlich als Barkeeper und Kellner in Kneipen und Restaurants im Raum Praia da Luz und Lagos, sammelte Golfbälle auf oder beschaffte Anzeigenkunden für Zeitungen.
Der Deutsche lebte bei Bekannten, in einem Schrebergarten, aber auch in einem Wohnmobil oder angemieteten Häusern. Während seines zwölfjährigen Aufenthalts in Portugal und auch nach der Rückkehr nach Deutschland habe er fortgesetzt Straftaten begangen, zum Beispiel Drogenhandel. Zu seinen Aufenthaltsorten in Deutschland gehörten unter anderem Augsburg, Dresden und Hannover. Insgesamt sei der Mann wegen seiner Delikte 17 Mal in Deutschland und Portugal verurteilt worden.
Die Nachbarn an der Algarve erinnern sich laut einem britischen TV-Beitrag an einen jungen Mann, der "aggressiv" und "immer wütend" war und oft Autos mit hoher Geschwindigkeit "die Straße rauf und runter" fuhr. Bevor Maddie verschwand, habe er eilig sein Haus verlassen, das in abstoßendem Zustand gewesen sei. Unter anderem haben man auch Perücken und Kostüme gefunden. Bei der forensischen Untersuchung der beiden sichergestellten Autos von Christian B. hätten die deutschen Kriminaltechniker weder Blut noch andere DNA gefunden, heißt es.
Verdächtiger im Fall Maddie: Deutsche an der Algarve erinnern sich
Wie in regionalen Facebook-Gruppen zu lesen ist, schaffte der Deutsche es offenbar, Menschen zu beeindrucken. Ein Gruppenmitglied teilte mit, dass ihm damals ein Jaguar XJ aufgefallen sei, der oft in Lagos in der Marina stand und sehr viele Lackschäden durch Sonneneinwirkung gehabt habe. Ein weiterer Facebook-Nutzer aus der Algarve konnte sich erinnern, dass die Polizei nach dem Verschwinden von Maddie viele weiße Transporter angehalten habe, auch seinen eigenen, mit dem er sich gerade 100 Kilometer von Praia da Luz entfernt aufgehalten habe. Die Beamten hätten den Transporter ausgeräumt, seien danach aber unverrichteter Dinge wieder weitergefahren.
Jemand anderes postete, der Verdächtige habe zu jener Zeit eine "Popperfrisur" getragen, sei häufig im Jacket herumgelaufen und habe von seinem Jaguar berichtet. Bei Frauen habe er "Chancen" gehabt. Laut Profiling des Bundeskriminalamts hat er offenbar Charme und Charisma eingesetzt, um an Geld und Sex zu kommen. Der Spiegel zitiert einen Bekannten, wonach Christian B. sehr einnehmend, dominant und gesellig gewesen sei und gewirkt habe wie ein hoffnungsloser Träumer, der immer grosse Pläne hatte. Der Bekannte habe gewusst, "dass er Dreck am Stecken hatte. Drogen und so. Aber dass er Kinder sexuell missbraucht hatte, davon hatte ich keine Ahnung."