Den folgenden Beitrag habe ich bereits am 18. Februar für den Ohrfunk geschrieben; Leider vergaß ich, ihn auf diesem Blog zu veröffentlichen, was ich aus Dokumentationsgründen hiermit nachhole.
Wie gern hätte ich heute über das Abkommen von Minsk gesprochen, mit dem vor einer Woche ein Durchbruch in den Waffenstillstandsverhandlungen für die Ukraine gelang. Wie gern hätte ich davon berichtet, dass wir in unserer politischen Mittwochsrunde den Erfolg vorhergesehen haben, weil es einfach gelingen musste, egal, was die Medien sagten. Ich hätte die 13 Punkte des Abkommens erläutert, erklärt, warum eine Unterschrift wichtig ist, und wie bindend die beiden unterzeichneten Dokumente tatsächlich sind. Ich hätte davon gesprochen, dass es ein Anfang sein könnte, wenn auch noch lange nicht alles erreicht ist.
Doch die Wirklichkeit, der menschliche Unverstand, die Machtgier und der unverantwortliche politische Poker machen es nötig, über einen möglichen großen Krieg zu sprechen.
Ob ich ein Verschwörungstheoretiker bin, wollen Sie wissen? Ach Gott, was ist das schon, ein Verschwörungstheoretiker? Wenn Sie es im lexikalischen Sinne meinen, dass ich alle wichtigen Weltereignisse mit einer bewussten und geplanten Verschwörung erklären will, dann bin ich sicher kein Verschwörungstheoretiker. Ich glaube an den Mondflug und die Stadt Bielefeld, und ich glaube nicht an die Weltherrschaft der Juden oder der Bilderberger. Wenn Sie aber meinen, dass ich ein Verschwörungstheoretiker bin, weil in mir die Angst vor einem weltumspannenden Krieg aufsteigt, den sich sonst kaum jemand vorstellen kann in seiner Wohlstandsblase, dann haben Sie recht.
Sagen wir es doch wie es ist: Wahrscheinlich sind die
Waffenstillstandsverhandlungen über die Ukraine gescheitert. Man kann nicht einfach noch eine und noch eine Verhandlungsrunde einberufen. Abgesehen davon, dass die Verhandlungsführer selbst immer mehr an Glaubwürdigkeit und Unterstützung in den eigenen Reihen verlieren, wenn all ihre Bemühungen wieder und wieder scheitern, werden auch die USA einfach nicht mehr länger zuschauen. Die radikalen Kräfte in Washington werden Waffen liefern an die Ukraine und damit eklatant die Sicherheitsinteressen Russlands verletzen. Und dann wird sich Russland gezwungen sehen, die Separatisten stärker als bislang zu unterstützen, vielleicht sogar die ganze Ukraine erobern zu wollen. Es wird außenpolitische Erfolge brauchen, schon um von den Wirtschaftsproblemen abzulenken, die die westlichen Sanktionen hervorrufen. Und am Ende stehen sich Falken in Moskau und Washington, in Kiew und Donetzk gegenüber, und dann sind alle Optionen offen, auch die eines atomaren Schlagabtausches.
Eine Chance auf Frieden gibt es noch, die allerletzte allerdings, und es ist gefährlich für die Beteiligten. Zwischen dem Friedensabkommen und dem Beginn des Waffenstillstandes sollte nach dem Willen der Separatisten eine längere Zeitspanne liegen. Das sollte ihnen Zeit geben, die strategisch wichtige Stadt Debalzewe zu erobern, die die Verbindung zwischen ihren beiden sogenannten Volksrepubliken Donetzk und Lugansk herstellt. Doch Angela Merkel und Francois Hollande drängten auf einen schnellen Waffenstillstand. Weil die Separatisten die Stadt aber noch nicht eingenommen hatten, als die Waffenruhe inkraft trat, gingen die Kämpfe unvermindert weiter. Nun scheinen die Rebellen Debalzewe eingenommen zu haben. Wenn es der ukrainischen Regierung gelingt, die Stadt aufzugeben, ohne selbst aus dem Amt gejagt zu werden, dann könnte jetzt nach der Einnahme der Stadt das
Waffenstillstandsabkommen endlich umgesetzt werden, allerdings müsste die Ukraine eine weitere Niederlage hinnehmen. Noch haben die USA und Europa abgewartet, sie wussten, dass erst die Schlacht um Debalzewe entschieden werden musste, und haben deshalb das Friedensabkommen noch nicht für gescheitert erklärt. Und auch Russland hat die Separatisten aufgefordert, sich an die Vereinbarung zu halten. Es ist die allerletzte Chance, bevor der Konflikt eskaliert. Ob sie genutzt werden kann, steht noch in den Sternen. Russland muss die Separatisten an die Leine nehmen und aufhören zu behaupten, der Westen liefere bereits Waffen an die Ukraine, falls es sich bei dieser Behauptung nur um eine politische Rechtfertigung handelt. Die USA und Europa dürfen der Ukraine auf keinen Fall Waffen liefern, müssen die Sanktionen gegen Russland so schnell wie möglich aufheben und Putin eine echte Partnerschaft anbieten. Die Ukraine muss sich versöhnlich zeigen.
Ich weiß, dass sich diese Vorschläge für manchen so anhören wie die Aufforderung an die Tschechoslowakei nach der Münchener Konferenz 1938, einen Teil ihres Staatsgebiets aufzugeben und versöhnliche Töne gegenüber dem Agressor anzuschlagen, damit es nur ja keinen Krieg gibt. Der Unterschied ist allerdings, dass die Ukraine selbst an den Verhandlungen beteiligt war, und dass es sich immer noch um Nachwirkungen des Zerfalls der Sowjetunion handelt, der von keinem äußeren Agressor hervorgerufen wurde. Und die EU hat die Sicherheitsinteressen Russlands nicht gewürdigt zu einer Zeit, als das noch möglich gewesen wäre und eine echte Partnerschaft hätte entstehen können. Jetzt müssen alle gemeinsam auch unter großen Schmerzen weit schlimmeres verhüten, wenn das noch möglich ist.