„Meiner“ hat mir ja schon lange in den Ohren gelegen, dass er wiedermal nach Italien reisen wolle. Italien, das Land, aus dem seine Eltern ausgewandert sind, das Land, in dem er jeden Sommer vier endlose, langweilige Wochen verbringen musste, weil seine Eltern dort ein Haus bauten, das Land, von dem er sich als Zwanzigjähriger wünschte, es möge im Meer versinken, weil er es so satt hatte. Heute ist er etwas milder geworden in seinem Urteil, wohl weil er schon sehr lange nicht mehr dort war. Und das liegt vor allem an mir.
Eigentlich müsste ich das Land ja lieben, bietet es doch alles, was mir gefällt: Küche, Landschaft, historische Stätten, Sprache, alles einfach perfekt. Und doch sind da zuerst die schlechten Erinnerungen, wenn ich an meine bisherigen Besuche in Italien denke. Die Hühnerhälse, die man mir bei einem Verwandtenbesuch vorgesetzt hat. Der epochale Krach, den „Meiner“ und ich uns einmal in irgend einem Kaff fernab von jeder Tankstelle wegen eines leeren Benzintanks lieferten. Die Details sind mir entfallen, ich weiss nur noch, dass das Ganze mit einem Wutanfall meinerseits und einer zersprungenen Windschutzscheibe geendet hat. Da waren die zerstochenen Pneus in Lucca, als „Meiner“ und ich mal mit Freunden durch die Toscana reisten. Es war das Auto meiner Mutter und keiner von uns vieren verdiente eigenes Geld. Keine Ahnung mehr, wie wir damals die neuen Reifen bezahlt haben. Da waren die zwei Wochen in Sardinien, die doch eigentlich ein Traum hätten werden sollen und dann sassen „Meiner“ und ich am dritten Tag frustriert am Strand und wussten nicht, was wir hier noch anfangen sollten, weil wir uns so schrecklich langweilten. Wir entschieden uns, zu bleiben und sämtliche Museen der Insel abzuklappern, was eine sehr schlechte Idee war, denn die meisten Museen waren entweder geschlossen oder zwar offen, aber nur teilweise, weil der Rest gerade renoviert wurde. Da war später eine der ersten Ferienreise mit Karlsson. Sie führte ins Piemont. Wir hatten ein Studio gemietet und erst bei der Ankunft kam uns in den Sinn, dass wir ganz vergessen hatten, dass es in einem Studio mit Kind etwas eng werden könnte. Karlsson schlief dann im Badezimmer, wo es ausserordentlich feucht war. Hätte er länger dort geschlafen, er wäre wohl schimmlig geworden, der arme Kleine. Aber auch ich war arm dran, denn ich war gerade mit Luise schwanger und da war mir rund um die Uhr so speiübel, dass ich kaum ein Glas Wasser runterbrachte, geschweige denn all das köstliche Essen. Noch heute dreht sich mein Magen um, wenn ich an jenes Trüffelrisotto denke. Ach ja, und da war da noch die Geschichte mit der Notbremse, als ich mal fürchtete, „Meiner“ stehe noch auf dem Perron, als der Zug den Bahnhof von Pescara verliess. Aber davon wollen wir jetzt nicht reden.
Bei all diesen Erinnerungen ist es mir wohl kaum zu verargen, dass ich jahrelang nichts mehr von Italien wissen wollte. Ob es diesmal anders sein wird? Ich weiss es noch nicht, aber ich hoffe es doch sehr. Denn eigentlich würde das Land ja wirklich alles bieten, was mir gefallen würde. Nun ja, die Politik und einen gewissen äusserst peinlichen Ministerpräsidenten blenden wir hier mal aus…