Hassen, bewundern, auslachen oder bemitleiden? (Filmkritik: The Wolf of Wall Street)

Bankenkrise, Occupy-Bewegung, Nahrungsmittelspekulation. Banken sind böse, dies scheint der gegenwärtige gesellschaftliche Konsens zu sein. Nun bringt Martin Scorsese mit The Wolf of Wall Street seinen Diskussionsbeitrag zur Debatte um die fragile Finanzwelt. Hinterfragt der Film die Motive von skrupellosen Bankern? Zeigt er die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen? Präsentiert er einen Lösungsansatz?

Nein, nein und nochmal nein. Der Film versetzt seine Zuschauer viel mehr in einem Rauschzustand. Ein Rausch aus Geld, Wohlstand, Überfluss, Partys, Drogen und Sex. Und liefert damit letztlich doch Erklärungen. Die Gesellschaftskritik wird auf dem Silbertablett serviert. Dennoch überlässt es der Film dem Zuschauer, dem Rausch zu verfallen oder die Kritik anzunehmen.

Jordan Belfort ist der Wolf of Wall Street. Seine Ausbildung zum Börsenmakler absolviert er am New York Stock Exchange. Belfort wird beigebracht, dass Exzentrik und Rücksichtslosigkeit die wesentlichen Erfolgsfaktoren sind, um an der Wall Street erfolgreich sein zu wollen – je nachdem, was unter Erfolg definiert wird. Und je nach Betrachtungsweise wird Belfort tatsächlich erfolgreich – allerdings tatsächlich nicht an der Wall Street, sondern mit dem eigens gegründeten Unternehmen Stratton Oakmont, dessen Geschäfte sich kurz und knapp mit dubios und illegal beschreiben lassen.

Leonardo DiCaprio liefert als Jordan Belfort eine hemmungslose Performance ab. Es gelingt ihm, all die Attribute, die die reale Person Jordan Belfort kennzeichen (und die auch dem stereotypen Börsenmakler zugeschrieben werden), auf die Leinwand zu bringen. Einfach gesagt: Die Hauptfigur des Films ist ein Arschloch. Hier kommt nun also die filmtheoretische Weisheit ins Spiel, dass der Film im Kopf des Zuschauers entsteht. Man kann die Filmfigur hassen. Man kann ihn bewundern. Man kann über ihn lachen. Man kann Mitleid mit ihm haben.

Einige Kritiken werfen dem Film vor, dass er die Machenschaften Belforts verherrlicht. Dies muss jedoch differenzierter betrachtet werden. Wie gesagt, der Film zeigt Belforts Leben als nahezu dauerhaften Rauschzustand. So muss es sich für den realen Belfort vermutlich auch angefühlt haben. Drogenkonsum, Materialismus und viel nackte Haut haben eben diesen verführerischen Duft, den der Film – nicht olfaktorisch, aber visuell – zu vermitteln vermag. Dass dem so viele Menschen verfallen, zeigt, warum Wall Street & Co. so sind, wie sie sind.

Der Film könnte von Einigen falsch verstanden werden. Ich hoffe die Leute verstehen, dass wir das Verhalten nicht verzeihen, sondern dass wir es anklagen. [...] Das Buch war eine lehrreiche Erzählung, und wer bis zum Ende des Films bleibt, der wird verstehen, was wir über die Menschen und diese Welt aussagen, denn sie ist vergiftend. – Leonardo DiCaprio

Bildrechte: sbclick


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