Gebackene Kindheitserinnerungen
Seit ich wieder zurück in meiner alten Heimat bin, begegnen mir überall Erinnerungen. Mir fallen ständig Dinge ein, von denen ich nicht wusste, dass sie irgendwo im hintersten Hirnstübchen schlafen und nur darauf warten, geweckt zu werden. Und weil ich mich ja viel mit Essen beschäftige, verlassen überdurchschnittlich viele Erinnerungen aus dieser Kategorie den Tiefschlaf.
Besonders oft denke ich an Gebackenes aus Kindertagen. Es war bei uns zuhause üblich, dass täglich um 16.30 Uhr - wenn der Herr Papa "aus der Firma" kam - der Kaffeetisch gedeckt war und sich alle zum Kuchenessen versammelten (wir waren zu fünft). Oft gab es Selbstgebackenes, manchmal aber auch Gekauftes aus einer der damals noch sechs Bäckereien am Ort (heute sind es immerhin noch drei). Und wenn ich versuche mich zu erinnern, was ich damals besonders gern mochte, dann fallen mir als erstes Marzipantörtchen (waren wohl eher aus Persipan), Mandelhörnchen, Nougatringe, Granatsplitter (heißen die immer noch so furchtbar?), Liebesknochen, Nussecken oder Spritzkuchen ein.
Die selbstgebackenen Erinnerungen erzählen von Schmandkuchen, Stachelbeerkuchen mit Baiser, Schwarzwälder Kirschtorte, gefülltem Bienenstich, vom obligatorischen Frankfurter Kranz meiner Tante (den ich nicht so gern mochte) und den legendären Geburtstagstorten meiner Mutter. Keine andere konnte so tolle Kindertorten backen.
Und so traue ich mich denn inzwischen längst auch wieder an Hefegebäck heran. Mein Lieblingsgetreide dafür ist Einkorn. Einkorn macht den Teig sympathisch gelb statt graubraun, ist sehr fein zu mahlen, verfügt über beste Backeigenschaften und schmeckt hervorragend. Und Hefeteig aus Einkorn schlägt Hefeteig aus Weißmehl besonders in einem Punkt eindeutig: Er ist auch nach Tagen noch luftig und saftig - wenn Weißmehl-Hefegebäcke schon längst aufgehört haben, dieses zu sein und stattdessen aus den Ohren herausstauben. Der folgende Bienenstich, gefüllt mit Luxus-Vanillepudding, hat gerade auch den Geschmackstest durch neutrale Dritte bestanden. Danke, U. und S., dass ihr den Kuchen so gelobt habt. Habe ich euch eigentlich erzählt, dass ihr die ersten wart, an denen ich dieses Rezept getestet habe?
Als Orientierungshilfe für meinen Hefeteig habe ich das Rezept "Bienenstich Harzer Art" aus dem Buch "Das kocht man im Harz" benutzt. Der Kuchen dort ist allerdings mit Frischkäse und Pflaumenmus gefüllt. Was ich angesichts meiner zahllosen Zwetschenmusgläser im Keller auch beinahe nachgemacht hätte. Aber dann entschied ich mich doch für die Kindheitsvariante mit Vanillepudding.
Harzer Bienenstich,
gefüllt mit Luxus-Vanillepudding
Zutaten
(ergibt bei Verwendung einer quadratischen Form 9 große oder 12 nicht ganz so große Stücke)
Teig
- 250 g Einkorn, frisch gemahlen
- 4,5 g Trockenhefe
- 50 g Rohrohrzucker
- 125 ml lauwarme Milch
- 1 Pr. Salz
- 25 g zerlassene Butter
- 1 Ei
Belag
- 75 g Butter
- 50 g Rohrohrzucker
- 125 ml Sahne (ich verwendete Kaffeesahne, weil grad keine andere da war)
- 150 g Mandelblättchen
Füllung
- 500 ml Milch
- 45 g Maisstärke
- 1 gestr. Tl. gemahlene Vanille
- 1 Pr. Salz
- 50 g Butter
- 90 g Rohrohrzucker
Zubereitung
- Mehl in eine Schüssel geben, in der Mitte eine Mulde formen. Hefe, 1 Tl. Zucker und etwas Milch hineingeben und alles mit etwas Mehl verrühren. Hefemischung mit Mehl bedecken und das Ganze so lange gehen lassen, bis die Oberfläche große Risse bildet.
- Salz, Milch, Butter und Ei dazugeben und alles mit den Knethaken des Handrührers gründlich verrühren. Der Teig sollte sehr zäh und klebrig sein (er ist nicht zum Kneten geeignet).
- Schüssel luftdicht abdecken und an einem warmen Ort so lange gehen lassen, bis er sein Volumen mindestens verdoppelt hat (dauert ca. 90-120 Minuten).
- Inzwischen für den Belag alle Zutaten zusammen aufkochen und so lange köcheln lassen, bis sich der Zucker vollständig gelöst hat. Vom Herd nehmen und zur Seite stellen.
- Teig in eine gefettete quadratische oder runde Backform geben und mit einem Teigschaber, der immer wieder in etwas Mehl getaucht wird, gleichmäßig in der Form verteilen. Belag daraufgeben und gut verstreichen.
- Form mit Küchenhandtuch abdecken und ca. 30 min gehen lassen.
- Inzwischen Backofen auf 175°C vorheizen.
- Kuchen auf unterster Schiene in den Ofen setzen und ca. 45 min backen.
- Form herausnehmen, eine Weile abkühlen lassen. Dann den Kuchen aus der Form nehmen und vollständig abkühlen lassen.
- Für die Füllung Maisstärke, Vanille und Salz mit etwas Milch glattrühren. Restliche Milch aufkochen, Zucker hineingeben und auflösen, dann die Stärkemischung unter stetigem Rühren in den Topf geben. Einmal aufkochen lassen, Topf vom Herd ziehen und Butter unterrühren, bis sie vollständig geschmolzen und eine homogene Masse entstanden ist.
- Pudding direkt auf der Oberfläche mit Frischhaltefolie abdecken (damit sich keine Haut bildet). Abkühlen lassen (lauwarm).
- Kuchen einmal waagerecht durchschneiden. Pudding glattrühren und gleichmäßig auf dem Boden verteilen, Deckel aufsetzen, leicht andrücken und alles vollständig abkühlen lassen.
Guten Appetit!
Und weil dieser Kuchen nun - für meinen Geschmack - perfekt gelungen ist, meine Kindheitserinnerungen beinahe noch toppt und deshalb der Seele besonders gut tut, gratuliere ich mit diesem Rezept auch "bushcooks kitchen" zum dritten Geburtstag und nehme damit teil an ihrem Blogevent "Winter-Soulfood-Rezepte":