Sumire besaß so wenig Möbel, dass die Wohnung kalt und leblos aussah. An den Fenstern hingen keine Vorhänge, und auf dem Boden stapelten sich Bücher, die keinen Platz in den Regalen gefunden hatten, wie intellektuelle Flüchtlinge (S. 76/77).
Genau! Das war es! Diese kleine verrückte Sumire, die ich von Anfang an so mochte, ich schließe sie sofort erneut und noch ein bisschen heftiger in mein Herz. Freue mich so sehr über dieses „Wiedersehen“.
Sumire, die mit einem Minimum an Möbeln und dem Maximum an Büchern lebt, träumt davon, Schriftstellerin zu werden. Sie verehrt Jack Kerouac und will genauso ungehemmt und wild sein, wie eine Figur von ihm. Die Hände in die Taschen gestemmt, die Haare absichtlich zerzaust, starrte sie durch eine schwarze Sonnenbrille à la Dizzy Gillespie … einen Lippen- oder Augenbrauenstift hatte sie wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben noch nie in der Hand gehabt (S. 10).
Ich-Erzähler dieser Geschichte ist ein junger Mann, der hoffnungslos verliebt ist in Sumire, die jedoch seine Liebe nicht erwidert, nicht erwidern kann, da sie in die etwas ältere Miu verliebt ist. In diese anmutige, sportlich schlanke und immer ein wenig kühle Miu. In einem Gespräch mit ihr fällt der Name Kerouac und Miu fragt, ob das nicht so ein Sputnik gewesen sei. Sumire grübelt und fragt zurück, ob ein Sputnik nicht eher das ist, was die Sowjets 1950 in den Weltraum geschossen haben … Miu würde wohl Beatnik meinen. Von diesem Tag an nannte Sumire ihre Freundin Sputnik Sweetheart.Beide Frauen verbindet anfangs eine wundervolle Freundschaft, doch schon bald empfindet Sumire mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Miu.
Beide verbringen eine anfangs sorglos unbeschwerte Zeit auf einer griechischen Insel nahe Rhodos. Bis Sumire eines Tages verschwindet. Und zwar komplett und ohne jegliche Spuren. Der Ich-Erzähler erfährt davon mitten in der Nacht und wird von Miu eindringlich gebeten, sofort nach Athen zu fliegen, weiter nach Rhodos und dann mit der Fähre zu der kleinen Insel zu kommen. Verstört, unruhig und voller Angst macht er sich auf den Weg. In einer Zeit, da man Tickets noch am Flughafen und nicht eben mal schnell online buchen musste. Eine beschwerliche Reise voller Ungewissheit, doch stets umhüllt von der Schönheit Griechenlands. Weshalb dies auch ein perfekter Urlaubsroman ist! Unglückliche Liebesgeschichte dazu mit den bei Murakami bereits gewohnten surrealen Momenten. Außerdem spannend erzählt wie ein Thriller. Denn es gibt keine einzige Spur von Sumire. Fast keine –
Ich besitze glücklicherweise noch diese schöne frühe Taschenbuchausgabe des DuMont-Verlages mit dem japanischen Mädchen auf dem Cover. Und überhaupt – ich liebe die alten Cover von Naokos Lächeln bis Wilde Schafsjagd und Kafka am Strand. Ist nicht der Kult um das Buch auch ganz eng verknüpft mit seinem Cover? Und ich frage mich, ob das mit den neuen Abbildungen funktionieren wird. Auf dem aktuellen Cover des Romans befindet sich – ja, was – ein Lutscher oder eine Blüte? Wie geht es Euch damit? Findet Ihr die neuen Cover der Murakami-Romane besser, schöner, ausdrucksstarker? Oder geht es Euch wie mir? Ist Euch das möglicherweise völlig egal?
Et voliá – hier sind sie:
Haruki Murakami. Sputnik Sweetheart. Aus dem Japanischen Ursula Gräfe. DuMont Verlag. Köln 2002. 234 Seiten. 9,99 €