Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

"Vom Juli seines zweiten Jahres an der Universität bis zum Januar des folgenden Jahres dachte Tsukuru Tazaki an nichts anderes als an den Tod."
Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn TazakiWie der Titel schon andeutet, hält sich Tsukuru Tazaki sein lebenlang für farblos und innerlich leer. Er findet sich nichts besonderes und sieht daher auch nicht, was andere Menschen an ihm mögen und schätzen sollten. Während die Geschichte erzählt wird, ist Tsukuru 37 Jahre alt, Bahnhofsingenieur und lebt allein in einer Eigentumswohnung in Tokio. Bahnhöfe haben ihn von klein auf angezogen und so hat er seine Leidenschaft zum Beruf machen können - ein ehrgeiziges Ziel, das nicht jedem gelingt.
Seit über 15 Jahren trägt er jedoch eine nicht heilen wollende, seelische Wunde mit sich herum. Seine engsten Freunde aus Schulzeiten haben ihn am Ende des ersten Studienjahres grundlos aus ihrer 5er-Clique verstoßen. In der Oberschule waren die drei Jungs und zwei Mädchen unzertrennlich, eine verschworene und sich sehr nahestehende Gemeinschaft. Bis auf Tsukuru tragen alle einen Farbe, schwarz, weiß, rot, blau, in ihrem Namen. Tsukuru bewundert seine Freunde um ihre farbenfrohen Talente und findet sich selbst am wenigsten attraktiv und belanglos. Natürlich ist das nicht wahr, seine Freunde bewundern und achten ihn sehr. Nach dem Schulabschluss bleiben alle bis auf Tsukuru in der Heimatstadt Nagoya und gehen dort zur Universtität. Nur Tsukuru muss nach Tokio, weil er nur dort Bahnhofsingenieurwissenschaften studieren kann. Nach dem ersten Studienjahr, erhält er dann den Anruf, dass die anderen vier nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollen. Er wisse schon warum, lautet die Begründung. Aber Tsukuru hat keine Ahnung und verfällt in eine tiefe Depression, die ihn sehr verändert. Der Verlust der engen Freunde trifft ihn hart. 


16 Jahre später verliebt er sich in Sara. Sie merkt, dass er seelisch belastet ist und zum ersten Mal erzählt er vom Verlust seiner besten Freunde. Sara sagt, dass sie nicht mit ihm zusammen sein kann, wenn er nicht herausfindet, warum ihm die Freundschaft gekündigt wurde. So muss Tsukuru, um Sara für sich zu gewinnen, mit seiner Vergangenheit aufräumen und seine alten Freunde zur Rede stellen. Dabei kommt Ungeahntes und tief Verborgenes heraus und Tsukuru erfährt, dass er nicht das einzige Opfer war und unter der Situation gelitten hat.


Mir hat das Buch wunderbar gefallen. Es war kurzweilig und spannend zu lesen und hat mich an vielen Stellen überrascht. Es geht nämlich nicht nur um die Aufarbeitung von vergrabenen Gefühlen, die eigene Selbstwahrnehmung und das eigene Selbstbewusstsein, sondern um das Verschwimmen von Realität und Einbildung. Tsukuru träumt häufiger Ereignisse aus denen er schweißgebadet aufwacht und er später nicht mehr sicher ist, wirklich nur geträumt zu haben. Das macht das Geheimnis, warum Tsukuru aus der Gruppe verstoßen wurde, besonders spannend. Bis zum Ende weiß man nicht wirklich, was sich vor gut 15 Jahren tatsächlich abgespielt hat.
Bisher hatte ich von Murakami erst die Kurzgeschichte "Schlaf" gelesen, die ich auch echt super fand. Meine erste Romanlektüre hat nun einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich denke, ich werde bald schauen, was ich noch vom ihm lesen möchte. Hat mir jemand eine Empfehlung? Außerdem finde ich das Cover einfach wunderschön und ich freue mich, dass das Buch jetzt in meinem Regal steht :) 


LGMad


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