Über Hartz IV und seine Empfänger ist derzeit ja wieder einiges zu lesen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hat heraus gefunden, dass Hartz-IV-Empfänger häufig nur unsichere Jobs erreichen würden. Laut einer entsprechenden Untersuchung haben im Jahr 2008 über eine Million Hartz-IV-Empfänger eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Aber nur 55 von 100 dieser Jobs dauerten länger als sechs Monate. Dabei musste fast die Hälfte der Beschäftigten musste zusätzlich Hartz-IV-Leistungen beziehen, weil ihr Lohn so knapp bemessen war, dass er Lebensunterhalt nicht decken konnte. Fazit: Jobs, die für Hartz-IV-Empfänger erreichbar sind, sind in der Regel nur als Aushilfe auf kurze Zeit angelegt.
Jobs, bei denen die Menschen wenigstens so viel verdienen, dass der Bezug von Hartz-IV-Leistungen überflüssig wird, sind deutlich stabiler. Aber nur 56 Prozent der Hartz-IV-Empfänger, die eine Vollzeitstelle annahmen, konnten mit ihrer Stelle die Bedürftigkeit überwinden. Wenig verwunderlich ist auch, dass neben der Lohnhöhe eine Rolle spielt, wieviele Menschen mit dem Verdienst noch mit versorgt werden müssen. Immerhin schaffen zwei Drittel der Alleinstehenden den Sprung aus der Bedürftigkeit, während es bei Alleinerziehenden und Paaren mit Kindern nur gut ein Drittel waren. Das bedeutet, dass Hartz-IVler in erster Linie dort eingestellt werden, wo die Qualifikationsanforderungen niedrig sind, vor allem aber die gezahlten Löhne. Jobs also, die normalerweise kein Mensch machen will, wenn er nicht vom Staat dazu gezwungen würde.
Interessant ist diesem Zusammenhang ist, dass auch immer mehr Selbstständige auf staatliche Hilfe zum Überleben zurück greifen. Selbstständige Unternehmer in Deutschland ja eine ebenso gehätschelte wie bewunderte Spezies: Menschen, die nicht nur Ideen, sondern auch Mumm haben und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Da passt schlecht ins Bild, das auch Tausende dieser anpackenden Selfmade-Menschen ebenfalls Hartz IV beziehen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen. Und das obwohl Selbstständige ja ohnehin mit einer Menge Subventionen vom Staat rechnen können – bis hin zu den Billiglöhnern, die ihnen die Arbeitsagentur gern vorbei schickt.
Bei den vielen Möglichkeiten, die Selbstständige hierzulande haben, ihr Einkommen klein zu rechnen, wird nun unterstellt, dass einige offenbar so kreativ sind, auf diese Weise auch noch staatliche Hilfen per Hartz IV abzugreifen. Daher fordert Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, die Bezugsdauer von Selbstständigen zu begrenzen. Irgendwann müsse ein Unternehmen schwarze Zahlen schreiben oder der Unternehmer die Selbstständigkeit halt aufgeben. Dabei hat ja gerade die BA die Leute in den vergangenen Jahren systematisch in die Selbstständigkeit getrieben. Reihenweise wurden Ich-AGs gefördert, als ob es nur am guten Willen der Leute liegen würde, um ein funktionierendes Business-Modell zu finden und aufzuziehen. Dass es in einer Marktwirtschaft nicht nur am Angebot, sondern auch an der Nachfrage liegt, ob ein Ding geht oder nicht, wird dabei ebenso hartnäckig verdrängt, wie die Marktwirtschaft als alleinseligmachendes Instrument zur Versorgung aller verklärt wird.
Aber wenn der Bedarf an liebevoll gekochten Marmeladen, handgenähten Bioklamotten, fremdgeschriebenen Lebensgeschichten, Bastelbedarf oder bereits gebasteltem Tinnef einfach nicht existiert, dann kann sich ein Unternehmer oder oft eben auch eine Unternehmerin, rund um die Uhr dumm und dämlich arbeiten, der Laden läuft halt nicht. Bleibt nur der Gang zur Agentur. Ob nun selbstständig oder nicht.
Natürlich gibt es auch cleverere Geschäftsideen, etwa eine GmbH mit angeschlossenem Verein, über die Ein-Euro-Jobber allerlei zusätzliche Tätigkeiten verrichten, damit der Firmenchef ordentlich Fördergeld abgreifen kann. Weil er ja selbstlos Arbeitsplätze schafft. Besser noch ist es natürlich, engagierte Ein-Euro-Jobber mit qualifizierter Ausbildung sinnvolle Tätigkeiten ausüben zu lassen – das maximiert den Gewinn für den Chef ganz erheblich. Der muss dann auch kein Hartz-IV beziehen, sondern bekommt vom Staat gleich ein paar Tausender für seine Mühen über den Tisch geschoben, während seine Angestellten ebenfalls vom Staat bezahlt werden.
Das ist natürlich ein sehr viel genialeres Konzept, als mit einem Ein-Mann-Betrieb unter vergeblichen Mühen an die Wand zu fahren. Interessanterweise fällt so was dann nicht unter Hartz-IV-Betrug. Das ist nämlich absolut legale, staatliche geförderte Ausbeutung. Ach nee, Ausbeutung gibt es in unserem demokratisch-freiheilichen System ja nicht mehr. Dann ist es Wirtschaftskriminalität. Nee, kann es auch auch nicht sein, sonst wärs ja nicht legal. Dann ist das wohl das viel gepriesene Unternehmertum, von dem Deutschland noch viel mehr braucht. Ist ja nicht so, dass der Staat kein Geld zum Ausgeben hätte. Es soll nur nicht jeder was kriegen. Das wäre ja noch schöner.