Hard Boiled

Anlässlich der Veröffentlichung des Romans Hard Boiled, geschrieben von pressplay-Filmressortleiter Marco Rauch, machen wir eine Ausnahme und streuen in unseren Rezensionenpool auch einmal eine Kritik ein, die ein Buch behandelt. Wer nun vermutet, die berufliche und freundschaftliche Verbindung zum Autor würde bei der Vorstellung des Buches dementsprechend beeinflussend wirken (Marcos Roman mit Samthandschuhen anzufassen etwa), irrt jedoch. Niemand wird verschont.

Handlungsort der Geschichte ist ein düsteres und zerstörtes Wien einer ungewissen Zukunft. Beherrscht wird das Stadtbild von unheimlichen und gefährlichen Plätzen und Orten, die als Brennpunkte größerer und kleinerer Verbrechen dienen sowie Versammlungsplätze oder Verstecke verkommener und hoffnungsloser Gestalten darstellen, die sich aus existentiellen Gründen zusammenschließen. Denn jeder ist sich selbst  der Nächste – ein Kampf um das Überleben, ein Kampf um jeden neuen Tag ist die Regel.

Soziale Gedanken verschwinden aus den Köpfen der Menschen und nichts gilt mehr, nichts außer das alte Prinzip: Der Stärkere gewinnt und macht sich andere zu eigen. Die Macht liegt in den Händen verschiedener Clans, die sich die Stadt und ihre Bewohner Untertan machen – und wie das unter Machthungrigen so ist, kommt es immer wieder zu Machtverschiebungen außerhalb und innerhalb der Familien. Erzählt wird die Geschichte anhand eines namenlosen Mannes, der in einem Gewerbe tätig ist, in dem Gewalt an der Tagesordnung steht – und dieser Mann kennt weder Gnade noch Schrecken. Doch alles ändert sich schlagartig, als er Amanda kennen lernt und eine Beziehung mit ihr eingeht. Dieses junge Mädchen stellt sein Leben auf den Kopf und lässt ihn zum ersten Mal an dem Sinn seiner Taten zweifeln.

Eine der großen Stärken von Hard Boiled ist die bildhafte Umsetzung, die atmosphärisch dichte Beschreibung eines trostlosen Wiens am Rande des Abgrunds (zur Leseprobe). Mit einer gewissen Leichtigkeit zeichnet der Autor ein lebhaftes Bild jener zerrütteten Stadt und seiner Menschen – Brutalität und Grausamkeit dominieren, Alkohol, Drogen und Sex prägen den Alltag. Manchen Lesern und Leserinnen könnte das schon zu viel werden, denn besonders im weiteren Verlauf der Geschichte finden sich durchaus “härtere” Stellen wieder. Einerseits passen allerdings die Gewalt und deren explizite Darstellung sehr gut zu den Figuren und jener Welt, andererseits wäre aber auch das Argument zulässig: weniger ist oft mehr. Dennoch, die Rezipienten nehmen durch solche Erläuterungen stark an dem Innenleben und den Gedanken der Erzählfigur teil. Die detaillierte Schilderung und Sprachwahl machen die Härte unmittelbar spürbar.

Während sich die Handlung durchwegs stimmig liest und sich alles gut zusammenfügt, wird man bei den Figuren manchmal jedoch einen gewissen Hang zu übertriebener „Coolness“ erkennen – vor allem bei der Hauptfigur. Ein paar Ecken und Kanten hätten nicht geschadet, um den Protagonisten zusätzlich abzurunden. Aber dem Autor gelingt es trotzdem recht gut, die Spannung der Geschichte bis zum Ende aufrecht zu erhalten und es sind vor allem die Passagen über das Innenleben und die Emotionen der Figuren, die ansprechen. Hier zeigt sich die Ambivalenz zwischen dem brutalen Äußeren und dem eigentlich recht zerbrechlichen Inneren, die besonders stark zur Geltung tritt.

Hard Boiled ist zwar kein Meisterwerk per se, als vielmehr ein frisches Erstlingswerk, das die Qualitäten des Autor hervorhebt und auch zur Weiterverfolgung seines schriftstellerischen Schaffens anregt. Angenehm überraschend ist vor allem wie unterhaltsam und temporeich das Buch geschrieben ist. Stellenweise sind die härteren Passagen allerdings nichts für schwache Gemüter und eventuell für so manchen auch recht schwer verdaulich. Die Auflösung der Story weiß dann wieder zu gefallen, einerseits weil sich viel ungeklärtes auflöst, andererseits weil doch manches ungesagt bleibt. Die Kernfrage, ob man eine Spur Menschlichkeit durch unmenschliche Taten erhalten kann, bleib toffen.

Die knapp 300 Seiten sind zügig konsumiert – auch deshalb, weil es durch die spannende Erzählweise, das atmosphärische Setting und die ambivalenten Figuren eine sehr unterhaltsame Lektüre ist. Schwachstellen und Stärken sind immer zu finden, hier und überall, aber nichtsdestotrotz bleibt Hard Boiled ein doch gelungener Erstlingsroman. Eine harte Geschichte in ungewöhnlichem Setting, die aber sicher niemand kaltlassen wird. Man darf schon auf das nächste Buch gespannt sein.

Soeben erschienen im Koios Verlag, im Buchhandel und Online erhältlich.

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Tags:BuchrezensionFeatureKoios Verlag


Über den Autor

Hard Boiled

Christoph Stachowetz Aufgabenbereich selbst definiert als: Chief of Operations. Findet “Niemand ist so uninteressant wie ein Mensch ohne Interesse” (Browne) interessant.


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