[Erstveröffentlichung: 19. Mai 2009]
Das ist ein Buch, das mich in ziemlich pessimistischer Stimmung zurück lässt. Geht es doch vor allem darum, welche Zukunft eine Menschheit hat, die aus den – wissenschaftlich erwiesenen – Klimaänderungen keinerlei Rückschlüsse zieht. Zumindest keine, die sich auf das globale Handeln der Menschheit auswirken.
Welzer ist Soziologe und sieht daher diese Problematik nicht in einem nur politischen oder weltanschaulichen Licht, sondern beleuchtet hingegen gerade auch die sozialen Auswirkungen (die wir ja bereits spüren) der kommenden Katastrophen. Er deutet zum Beispiel Naturkatastrophen als Sozialkatastrophen; denn die Natur selbst steht jeder Katastrophe „gleichgültig gegenüber“ – hingegen sind menschliche – und damit soziale – Gesellschaften sehr wohl betroffen und können an den Rad ihrer Funktionsfähigkeit gedrängt werden. Welzer zeigt das beispielhaft in den sozialen Auswirkungen nach dem verheerenden Wirbelsturm Kathrina, der die Stadt New Orleans zerstörte.
So wie der Mensch nicht fähig ist, in evolutionären (Zeit)Maßstäben zu denken, ist er auch nur schwer in der Lage, sich darüber bewusst zu werden, dass Klimaveränderungen weit in eine Zukunft hinein wirken. Zudem sind die Auswirkungen, die die Menschheit heute erlebt, nicht nur durch die derzeitige Umweltverschmutzung verursacht, sondern das Ergebnis von 250 Jahren industrieller Revolution. Daher wird – selbst wenn heute jegliche Verbrennung organischer Materialien schlagartig aufhören würde, alle Atomkraftwerke abgeschaltet würden – die Klimaveränderung weitergehen. Denn das Erdklima ist ein träges System das erst mit langer Verzögerung auf die menschgemachten Veränderungen reagiert.
In Anbetracht der kurzfristigen Denkweise (aller 4 Jahre ist in Deutschland eine Wahl… und weiter wird in der Politik nicht gedacht) und der nachhaltigen Entwicklung von zum Beispiel Klimaereignissen endet Welzers Buch in einem Abgesang auf jegliche Kultur und Zivilisation.
Harald Welzer geht aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen davon aus, dass der Emigrationsdruck auf den wohlhabenden Teil der Erdbevölkerung – zu dem auch wir Europäer gehören – immer größer werden wird und sich aller Voraussicht nach in kriegerischen Auseinandersetzung zeigen wird. Am Beispiel Dafur zeigt Welzer auf, wohin es führen wird, wenn die natürlichen Ressourcen schwinden und immer mehr Menschen mit immer weniger fruchtbarem Boden und damit Nahrung auskommen sollen. Welzer hält Gewalt auch zukünftig für eine „Option der Kulturgeschichte“ und geht davon aus, dass der europäische Frieden der letzen 60 Jahre eher die Ausnahme denn die Normalität ist.
Harte Brocken, die Welzer dem Leser da zu schlucken gibt.
Doch ist er auch insofern Optimist, als dass er immerhin auch optimistischere Töne anschlägt und dem Vernunfts- und sozialen Wesen Mensch zutraut, sich gegen die Bedrohung einer ins Chaos versinkenden Welt zu widersetzen.
Wer will mag Harald Welzer Humanist nennen… vieles von seinen Analysen könnte genauso gut als humanistisches Weltverständnis aufgefasst werden. Denn entgegen eines religiös determinierten Glaubens, dass „ein Gott“ die Welt retten wird und sich der Mensch deshalb keinerlei Zukunftsgedanken machen muss, weist Welzer deutlich darauf hin, dass der Mensch kraft Vernunft und wegen seiner generellen Möglichkeit der Planung die Möglichkeit hätte, seine Zukunft (bzw. die der nachfolgenden Generationen) zum Besseren zu verändern.
Die immer mehr als solche auch wahrgenommene Komplexität der Welt, in der wir leben (Stichwort: Globalisierung) erzeugt auch neue Versuche der Sinngebung, d.i. Fundamentalisierung der Gesellschaft.
Es entstehen spiegelbildliche Fundamentalisierungen, wie es etwa das stetige Anwachsen eines fundamentalistischen Protestantismus in den USA zeigt, der – im Gewand scheinwissenschaftlicher Auseinandersetzungen um Kreationismus und Evolutionstheorie – inzwischen auch nach Europa schwappt. (Seite 242)
womit sich der Kreis zwischen diesem Buch und meinen Themen derzeit schließt.
Fazit: Ein wirklich empfehlenswertes, ehrliches Buch, das – je nach eigener Konditionierung – Angst machen kann oder Hoffnung. Nicht umsonst gibt es zwei Schlusskapitel: ein optimistisches und ein pessimistisches…
Nic