Hans und Hilde Coppi • Widerstand • Verfolgt • Ermordet

In der historischen Aufarbeitung der Leben von Hans und Hilde Coppi finden beide immer wieder ihren Platz, doch immer einzeln. Zwar mit Bezug zueinander, denn wie sollte das auch anders sein bei einem Ehepaar, dass die gleichen Ziele verfolgte, doch in Hans und Hilde Coppi • Widerstand • Verfolgt • Ermordetihrer Gemeinsamkeit werden sie selten dargestellt. Hier soll nun auch das Gemeinsame dargestellt werden, ohne aber die Persönlichkeiten der beiden miteinander zu verschmelzen. Sie lernten sich kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs näher kennen, wobei sie sich schon vorher gesehen hatten durch ihre gemeinsame politische Arbeit und den Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Auf den ersten Blick vielleicht ein ungleiches Paar, doch die sieben Jahre ältere Hilde gab ihrem Hans emotionalen Halt und Hans gab ihr die Energie nicht zu verzweifeln. 1941 heirateten sie. Die feste Überzeugung ihrer Weltanschauung und ihr Vertrauen zueinander schweißte sie zusammen, auch wenn sie beide sehr unterschiedlich waren.

Hans Coppi kam aus einem politisch geprägten Elternhaus, beide Eltern waren Mitglieder der KPD, was sich bei Hans, der am 25. Januar 1916 geboren wurde, tief niederschlug. Drei Jahre lang besuchte er das Internat auf der Insel Scharfenberg in Berlin-Hans und Hilde Coppi • Widerstand • Verfolgt • ErmordetTegel, das einen reformpädagogischen Ansatz hatte, so wurde Hans Coppi sowohl durch die häusliche Erziehung, wie auch durch das schulische Umfeld zum Freigeist. Folgerichtig war es, das er bereits mit 15 Jahren dem Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands angehörte. Doch nicht nur die tiefen erzieherischen Prägungen bestimmten seinen weiteren Lebensweg, sondern auch die aufgewühlten politischen Zeiten im damaligen Berlin; das von oftmals brutalen Straßenkämpfen begleitet wurde. 1932 wechselte er an das Berliner Lessing-Gymnasium, doch wurden die Straßen Berlins für ihn gefährlich, als die Nationalsozialisten an die Regierung kamen und nach dem Reichstagsbrand und der darauf folgenden Kommunistenhatz ging er in den Untergrund. Im Januar 1934 wurde er dann doch verhaftet, kam zuerst in Gestapo-Haft, dann in das Konzentrationslager Oranienburg, dem Vorläufer des riesigen Konzentrationslagers Sachsenhausen. Glück im Unglück hatte er, weil er vor Gericht gestellt wurde, dass nicht vielen willkürlich verhafteten, politischen Häftlingen widerfuhr, so bekam er eine einjährige Haftstrafe wegen der Verteilung illegaler Flugblätter und wurde nach seiner Entlassung unter die Aufsicht eines Jugendpflegers gestellt. Doch von Läuterung im Sinne der Nationalsozialisten konnte bei Hans keine Rede sein, er nahm Kontakte mit ehemaligen Schülern des Internats Scharfenberg auf, zu denen unter anderem Hans Lautenschläger, Hermann Natterodt und Heinrich Scheel gehörten und leistete mit ihnen aktiven Widerstand, außerdem halfen sie Verfolgten des Terrors des NS-Regimes Fluchthilfe. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Dreher, doch seine Hauptaufgabe bestand im Verfassen von Flugblättern. Mit der Verteilung dieser hielt er sich (noch) zurück, da er immer noch unter staatlicher, engster Beobachtung stand. In einem Flugblatt von 1936 warnte er bereits vor der Kriegsgefahr und erkannte scharfsichtig wohin der Weg der Nationalsozialisten gehen würde.

Auch Hilde Coppi, geborene Rake, war schon in den 20iger Jahren mit Kommunisten in Kontakt. Die zarte junge Frau, der immer etwas Mädchenhaftes anhaftete, wurde im Mai 1909 in Berlin geboren und entstammte einer soliden Mittelschicht. Sie arbeitete Hans und Hilde Coppi • Widerstand • Verfolgt • Ermordetbei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, der heutigen BFA, in Berlin-Wilmersdorf als Sachbearbeiterin. Diesen Posten musste sie kurz vor Ausbruch des Krieges verlassen, da sie als ‚politisch nicht einwandfrei’ galt. Fortan arbeitete sie als Sprechstundenhilfe bei Ärzten. Sie beteiligte sich am Verteilen von Flugblättern und kleineren Aktionen gegen das NS-Regime; ferner half sie bedrängten Patienten, die sie bei ihrer Arbeit als Sprechstundenhilfe kennen lernte.

Durch gemeinsame Freunde lernten sich Hans und Hilde kennen und lieben, sie heirateten 1941. Da Hans Coppi als ‚wehrunwürdig’ galt, wurde er nicht in die Reichswehr einberufen und so schloss er sich  der Widerstandsgruppe um Wilhelm Schürmann-Horster an. 1939 traf er zufällig einen Freund aus dem früheren Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands, der ihn und Hilde zu einem antifaschistischen Diskussionskreis um den Schauspieler und Dramaturgen Wilhelm Schürmann-Horster mitnahm, dem unter anderem Jutta und Viktor Dubinski, die Bildhauerin Ruthild Hahne, die Tänzerin Hanna Berger, der Architekt Friedrich Schauer, die Arbeiter Karl Böhme, Eugen Neutert, Wolfgang Thiess und der Buchdrucker Herbert Grasse angehörten. Nach Diskussionen über politische und künstlerische Fragen begannen sie eine Gruppenstruktur aufzubauen, die den Austausch von Informationen und Verbindungen in die Betriebe ermöglichen sollte. Über Heinrich Scheel, seinen Scharfenberger Schulfreund, lernte Hans Coppi im Jahre 1940 den Leutnant der Luftwaffe, Harro Schulze-Boysen, kennen. Der Hitlergegner arbeitete im Luftfahrtministerium. Gemeinsam mit dem Regierungsrat im Wirtschaftsministerium, Dr. Arvid Harnack, informierte er seit Anfang 1941 einen Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft über die Angriffspläne gegen die Sowjetunion. Stalin missachtete diese Warnungen. Die sowjetische Botschaft stellte jedoch zwei Funkgeräte zur Verfügung, mit denen in Kriegszeiten der Kontakt aufrechterhalten werden sollte. Im Folgejahr betreuten die Coppis einen sowjetischen Geheimagenten, der Kontakt zur russischen Botschaft in Berlin war hergestellt. Kurz zuvor hatte Harro Schulze-Boysen, der als Kopf der so genannten ‚Roten Kapelle’ galt,  ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, als Funker tätig zu werden, da in wenigen Tagen der Krieg gegen die Sowjetunion beginnen würde. Über das Funkgerät sei es möglich, einen Kontakt zur sowjetischen Seite aufrechtzuerhalten. Obwohl er keine funktechnischen Vorkenntnisse und Erfahrungen besaß, war Hans Coppi sofort bereit, diese gefährliche Aufgabe zu übernehmen. Nur eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion konnte seines Erachtens helfen, den Krieg zu beenden und das Nazi-Regime zu stürzen. Fünf Tage vor dem Einfall deutscher Truppen in die Sowjetunion traf er mit einem Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft zusammen, der ihn in die Funktechnik einwies. Später erlernte er auch das Morsen. Aber trotz vieler Bemühungen verhinderten technische Probleme die Aufnahme des Sendebetriebes. Gemeinsam mit seiner Frau beteiligte sich Hans Coppi an einer Zettelklebeaktion im Wedding und in Moabit gegen die antisowjetische Propagandaausstellung ‚Das Sowjetparadies’ im Berliner Lustgarten. Mit dieser Aktion, an der in verschiedenen Berliner Stadtteilen über zwanzig Frauen und Männer teilnahmen, zeigten diese, dass die Gegner des Regimes im Inneren noch aktiv waren. Am 18. Mai, es war ein Montag, konnten Berliner, die zur Arbeit eilten, an Hauswänden und Bäumen die Anschläge entdecken: Das NAZI PARADIES: Krieg. Hunger. Lüge. Gestapo. Wie lange noch? Obwohl das Abhören feindlicher Sender unter Androhung schwerster Strafen verboten war, hörte Hilde Coppi auf Kurzwelle den Moskauer Rundfunk ab. Dort übermittelten gelegentlich deutsche Kriegsgefangene Grüße an ihre Frauen und Eltern. Hilde Coppi und eine Freundin notierten sich deren Namen und Anschriften und gaben sie an Heinrich Scheel weiter, der als Hans und Hilde Coppi • Widerstand • Verfolgt • ErmordetWetterdienstinspektor bei der Luftwaffe in Rangsdorf arbeitete. Während seines Nachtdienstes schrieb dieser auf einer Schreibmaschine und mit Handschuhen Postkarten, auf denen Eltern und Ehefrauen mitgeteilt wurde, dass ihre Söhne oder Männer lebten. Damit wollten sie die Nazi-Propaganda widerlegen, demzufolge die Russen alle Kriegsgefangenen liquidierten. Hans und Hilde Coppi kümmerten sich seit Mitte August 1942 um den aus Moskau eingetroffenen Fallschirmspringer Albert Hößler. Aus der Wohnung von Erika von Brockdorff gelang Hößler im Beisein von Hans Coppi Anfang September ein erster Funkkontakt nach Moskau. Am 10. September 1942 wurde Hans Coppi in die Wehrmacht einberufen. Nur zwei Tage später, am 12. September 1942, wurde er in Schrimm bei Posen festgenommen. Seine Haft verbrachte er im berüchtigten Gefängnis der Gestapo-Zentrale in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße, wo man ihn ‚verschärften Verhören’ unterzog. Auch seine Ehefrau Hilde Coppi wurde verhaftet. Sie war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Ihr Sohn Hans, in Erinnerung an ihren Mann, kam am 27. November 1942 im Berliner Frauengefängnis in der Barnimstraße zur Welt. Im Prozess vor dem Reichskriegsgericht gegen Harro Schulze-Boysen, Arvid Harnack und weitere Mitstreiter wurde Hans Coppi zum Tode verurteilt und am Abend des 22. Dezember 1942 in der Hinrichtungsstätte Plötzensee ermordet. Auch Hilde Coppi wurde am 20. Januar des Folgejahres zum Tode verurteilt. Ein Gnadengesuch wurde im Juli 1943 von Adolf Hitler persönlich abgelehnt. Die Hinrichtung wurde bis in den August aufgeschoben, damit sie ihr Kind stillen konnte. Zwei Tage vor ihrer Hinrichtung musste sie ihr Baby in die Obhut ihrer Mutter geben. Am 5. August 1943 wurde Hilde Coppi in Berlin-Plötzensee durch das Fallbeil enthauptet. Auf der Karteikarte ‚Hinrichtungen Barnimstraße’ im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde steht handgeschrieben: "Hilde Coppi, Hochverrat und Landesverrat, Schulze-Boysen-Kreis, zart, fein, tapfer, ganz selbstlos. Gebar am 27.11.42 ihr Kind. Hinrichtung ihres Mannes durfte ihr nicht mitgeteilt werden, ließ darum ihren Schmerz nicht laut werden. Kind wurde von ihrer Mutter erst in der Woche der Hinrichtung geholt. Stolz, beherrscht und lieb. Kein Hass. Eine rührende Persönlichkeit. Rechnete nie mit (der) Gnade der Menschen. Nie bereut."

Straßen, Plätze und Stolpersteine erinnern uns noch heute an Hans und Hilde Coppi, die für ihre Überzeugung ihr Leben lassen mussten …


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