Er baute die Berliner Philharmonie, die heute vor 50 Jahren eingeweiht worden ist: Hans Scharoun. Schon als Kind malt und zeichnet der 1893 geborene Scharoun gerne Häuser und Schiffe (er ist in Bremerhaven aufgewachsen). So geschickt geht er mit Pinsel und Kohlestift um, dass sein Vater misstrauisch wird. Für ihn (einen Brauerei-Manager) sind künstlerische Berufe Hungerleiderjobs. Deshalb gefällt ihm nicht, dass sich Hans zusehends für Ästhetik und Architektur interessiert. Die Mutter deckt ihren Sohn, der heimlich weiterzeichnet und sein hoffnungsvolles Talent durch fleißiges Üben veredelt. Als der Vater stirbt, packt er die Skizzen aus seinem Versteck und schreibt sich an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg ein. Von 1912 an studiert Scharoun zwei Jahre lang Architektur und Bauwesen. Dann ruft Kaiser Wilhelm II. zu den Waffen und Scharoun meldet sich freiwillig an die Front. Er wird nie zuende studieren. Im akademischen Betrieb mischt er dennoch kräftig mit - allerdings auf der anderen Seite des Katheders. In Breslau, wo sich Scharoun nach dem Ersten Weltkrieg in expressionistischen Künstlerkreisen inspirieren lässt, wird die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe auf den jungen Architekten aufmerksam und macht ihn zum Professor.
Sein Lebenswerk aber vollbringt Hans Scharoun in Berlin. Bevor Hitler und die Nationalsozialisten aller Freigeistigkeit den Garaus machen (auch der architektonischen), entwirft er dort den Bebauungsplan für die Siemensstadt. Schon in der lockeren Anordnung der Wohnhäuser und in den großzügigen Grünflächen zeigt sich, dass Scharoun ein Freund der organischen Architektur ist: Das Äußere hat der inneren Bestimmung zu folgen - eine Spielart von form follows function. Diese Überzeugung überdauert den Zweiten Weltkrieg. Für Architekten gibt es jetzt reichlich zu tun:
Berlin liegt in Trümmern. Hans Scharoun, der bald eine Städtebau-Professur an der Technischen Universität bekleidet, plant mit, wie es wieder aufgebaut wird: erst im Osten (als Stadtbaurat in der sowjetischen Besatzungszone), dann im Westen. Sein Meisterstück ist die Berliner Philharmonie. 1956 gewinnt er den Architektenwettbewerb, obwohl er radikal mit dem guten, alten Konzertsaal-Ideal bricht. Als die Bagger rollen, staunen die Berliner nicht schlecht.
Da entsteht kein klassischer "Schuhkarton", wie sie ihn beispielsweise vom Gendarmenmarkt her kennen. Scharoun geht es um die Sache: um die Musik: Er will "einem Ort des Musizierens und des gemeinsamen Erlebens der Musik eine entsprechende Form" geben. "Musik", erklärt Scharoun, "sollte auch räumlich und optisch im Mittelpunkt stehen." Deshalb sitzt das Orchester in der Berliner Philharmonie nicht erhöht, sondern mitten im Publikum. Von allen seiten kann man die Musiker sehen und hören (dafür sorgt der Akkustiker Lothar Cremer). Nicht einmal 20 Millionen D-Mark kostet das Klangraumwunder (das ist ein Drittel der Umbaukosten des Limburger Bischofssitzes). Zur feierlichen Eröffnung bieten Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker Beethovens Neunte dar. Nicht nur architektonisch ist dieser Konzertsaal das Vermächtnis von Hans Scharoun, der 1972 gestorben ist. Denn bis heute sind Besuche in der Berliner Philharmonie rauschende Feste für alle Sinne. Im Zeitalter von Hochgeschwindigkeits-Internet fasst die Philharmonie auch mehr als 2400 Zuschauer - zumindest die Philharmonie 2.0. Denn auch in der Digital Concert Hall (siehe Clip) lässt sich die schlichte Eleganz der Berliner Philharmonie erleben - eine Eleganz, die auch nach einem halben Jahrhundert nicht langweilig wird.