16.11.2011 – „Geboren im Internet“ ist Hans-Peter Uhl ganz sicher nicht. Der 67-jährige CSU-Politiker stammt aus Tübingen und war irgendwie immer schon „anders“.
Während emanzipatorische Studenten die herrschenden Verhältnisse bekämpften, schließt sich Uhl der pflichtschlagenden Burschenschaft Arminia-Rhenania an. Während im ganzen Land zu „Lady Bump“ und „Shame, Shame, Shame“ getanzt wird, tritt er 1975 in den Dienst der bayerischen Finanzverwaltung. Und während 1998 der Passus zur Todesstrafe per Volksentscheid aus der bayerischen Landesverfassung entfernt wird, zeichnet Hans-Peter Uhl als Leiter der Sicherheits- und Ordnungsbehörde München für die Abschiebung des jugendlichen Straftäters „Mehmet“ in die Türkei verantwortlich, dessen Eltern damals schon seit über 30 Jahren in München lebten.
Wer ist dieser Mann mit, dessen Facebook Profil 54 Menschen mögen, der in Sachen Internetsperren von „den Chinesen“ lernen will und der am 19. Oktober diesen Jahres im Bundestag verkündet hat, unser Land werde von „Sicherheitsbeamten regiert“?
Zwickauer Terrorzelle und NPD
Hans-Peter Uhl (CSU) ist Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Innenpolitik“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 1970 ist er Mitglied der CSU, seit 1998 gehört er dem deutschen Bundestag an. In der aktuellen Legislaturperiode unterstützt Uhl den Bundestags-Innenausschuss und das parlamentarische Kontrollgremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste.
In Bezug auf die Mordanschläge der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle (NSU) vertritt Uhl eine bewährte Strategie: Die Kombination aus Vorratsdatenspeicherung und „High-Tech-Fahndungsmethoden“ soll hier zumindest Aufschluss über den Umfang rechtsextremer Aktivitäten in Deutschland geben:
„Nur durch die Festplatten können wir feststellen, wie groß dieser braune Sumpf ist.“
„Die ganze Republik rätselt, wie groß der braune Sumpf in Deutschland ist. Ohne Internet- und Telefonverbindungsdaten der Zwickauer Zelle dürfte das aber schwer zu klären sein.“
Noch bevor entsprechende Erkenntnisse vorliegen weiß der Innenexperte eines aber schon ganz genau: Die Forderung nach einem neuen Verbotsverfahren der NPD ist purer Aktionismus. Stattdessen setzt sich Uhl für den „edleren Weg“ ein:
„Es gibt kein besseres Signal für die Demokratie, als bei jedem Wahlsonntag zu zeigen, dass sich die Deutschen von der NPD abwenden. Wer die NPD nicht verbieten will, muss sie beobachten. Dazu zählt auch weiter das Instrument der V-Leute des Verfassungsschutzes.“
Hans-Peter Uhl lässt sich dabei weder von den zweifelhaften Erfahrungen beeindrucken, die wir angesichts des Einsatzes von V-Leuten in der rechten Szene Thüringens machen noch davon, dass es gerade die V-Leute des Verfassungsschutzes sind, die seit 2003 ein Verbotsverfahren gegen die NPD verhindern.
Regiert von Sicherheitsbeamten
Im Oktober diesen Jahres sorgte eine Rede von Hans-Peter Uhl im Rahmen der aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema „Staatstrojaner“ für Aufsehen:
„Es wäre schlimm, wenn unser Land von Piraten und Chaoten aus dem Chaos Computer Club regiert würde. Es wird regiert von Sicherheitsbeamten, die dem Recht und dem Gesetz verpflichtet sind.“
Nachträglich kamen ihm, angesichts dieser Formulierung, wohl selber Zweifel an seinem Statement. Und so sorgte Uhl für eine kleine aber entscheidende Änderung im offiziellen Plenarprotokoll. Hier heißt es seitdem:
„Es wäre schlimm, wenn unser Land von Piraten und Chaoten aus dem Chaos Computer Club regiert würde. Wir haben Sicherheitsbeamten, die Recht und Gesetz verpflichtet sind.“
Ende Oktober schlug Hans-Peter Uhl übrigens vor, man solle doch einfach Mitarbeiter des Unternehmens DigiTask in den Dienst des Bundes übernehmen und sagte dazu:
„Der Bund braucht immer gute Leute“
Interessant in diesem Zusammenhang: Hans-Peter Uhl ist stellvertretender Vorsitzender der German European Security Association (GESA). Hierbei handelt es sich um eine klassische Lobby-Organisation, in der Vertreter aus Industrie, Forschung und Politik gemeinsam an den Strippen des modernen Sicherheitsstaates ziehen. Um kurze Wege zu ermöglichen, hat sich die Gesellschaft der Einfachheit halber direkt im Reichstag angesiedelt. Die namhafte Adresse der GESA: Platz der Republik 1, Berlin.
Der frühere SPD Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss fasst die Mission der Organisation so zusammen:
„Was sich unter dem Deckmantel des Schutzes des Wertesystems verbirgt, ist wohl nichts als die Absicht, dem Netzwerk aus Industrie und Forschung Fördermittel und Aufträge zuzuschanzen.“
Bietet Uhls stellvertretender Vorsitz der GESA Aufschluss darüber, was den Innenpolitiker antreibt, wenn er sich unermüdlich für den Ausweitung staatlicher Kontrolle und Überwachung einsetzt?
Geschichte, Internet und „linkes Gerülpse“
Wenn Hans-Peter Uhl sich öffentlich äußert, dann sind ihm Aufmerksamkeit, ungläubiges Staunen und hilflose Belustigung meist gewiss.
Die Suche nach den sprachlichen Spuren des Innenpolitikers führt uns zunächst ins Jahr 2000. Im Juli verabschiedeten Bundestag und Bundesrat damals das Gesetz zur Entschädigung jüdischer Zwangsarbeiter. Hans-Peter Uhl machte seiner Verärgerung hierüber in der rechtskonservativen Zeitschrift „Epoche“ Luft und schrieb unter dem Titel „Es gab auch deutsche Zwangsarbeiter“ unter anderem Folgendes:
„Erinnern kann nicht bei der schonungslosen Aufdeckung von Verbrechen unter der Nazi-Herrschaft stehen bleiben. Denn diese Form der Erinnerung ist meist unvollständig: Der Verbrechen der Deutschen wird gedacht, aber die Verbrechen an Deutschen werden ausgeblendet.“
„Weit über zwei Millionen Deutsche sind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch Vertreibung, Internierung und Zwangsarbeit zu Tode gekommen. Alles dies geschah übrigens in dem selben Zeitraum, als in den Nürnberger Prozessen gegen Nazi-Größen Todesurteile wegen Deportation, Zwangsarbeit und Vernichtung ausgesprochen wurden.“
Im Jahr 2008 bezeichnete Uhl den Standpunkt der SPD-Fraktion in Sachsen-Anhalt als „linkes Gerülpse“. Die Landespolitiker hatten sich gegen eine Neufassung des BKA-Gesetzes ausgesprochen, in dem eine erhebliche Erweiterung der Befugnisse der Bundesbehörde beschlossen wurde.
Ebenfalls 2008 fordert Hans-Peter Uhl, die Altersgrenze für die Speicherung personenbezogener Daten von derzeit 16 Jahren auf 14 oder zwölf Jahre zu senken, um so eine „bessere Überwachung von terrorverdächtigen Minderjährigen“ zu erreichen.
Im Rahmen der Diskussion um den Kampf gegen Kinderpornografie im Internet brüskierte er sogar Parteifreunde und Gesinnungsgenossen als er sagte:
„Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.“
2009 beschäftigte sich der Innenpolitiker vor allem mit dem Internet. Hier sorgte sein Schlagwort von der „intelligenten Regulierung“, mit der Uhl „die Jugend vor Kriminalität, Terrorismus und Schmutz (…) schützen“ wollte, für besonderes Aufsehen. Auf die Einwände der Experten des CCC reagierte er diffamierend:
„Die Mitglieder des Chaos Computer Clubs sind Pseudo-Computerexperten ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.“
Sachliche Einwände gegen eine staatliche Regulierung des Netzes wies er entschieden zurück:
„Jede Rede von Zensur oder Freiheitsbeschränkung ist pervers“
Einen interessanten Einblick in die Gedankenwelt von Hans-Peter Uhl bietet dieses Panorama Interview aus dem Jahr 2010:
Im Internet geboren
Ab 2010 entdeckt Hans-Peter Uhl in der Vorratsdatenspeicherung ein neues Lieblingsthema. Dem Kölner Stadtanzeiger sagt er dazu:
„Wer sich jetzt noch gegen die Vorratsdatenspeicherung wehrt, hat die Bedrohungslage nicht verstanden. Wenn diese Chance vertan wird und sich der Terrorist mit der Bombe unterm Arm auf den Weg gemacht hat, hat der Staat verloren.“
In den Anschlägen von Norwegen im Juli 2011 erkennt Uhl ein weiteres Argument für die anlasslose Speicherung sämtlicher Verkehrs- und Verbindungsdaten aller Bürger:
„Der Anschlag in Oslo und das Massaker auf der Ferieninsel Utøya zeigen ebenso wie der islamistisch motivierte Anschlag am Frankfurter Flughafen vom März dieses Jahres: Solche Taten mögen von radikalisierten Einzelnen begangen werden, geplant werden sie im Internet. Anschläge von Einzeltätern können nur mit einer verstärkten nachrichtendienstlichen Aufklärung, gerade auch im Internet, verhindert werden. Die Sicherheitsbehörden müssen stärker als bisher im Netz auf Streife gehen.“
Aus dieser Zeit stammt dann auch das wohl berühmteste Zitat von Hans-Peter Uhl. In Bezug auf die Terroranschläge von Anders Behring Breivik sagt er:
„In Wahrheit wurde diese Tat im Internet geboren.“
Auf Nachfrage des Deutschlandfunks, inwiefern die Vorratsdatenspeicherung einem solchen Anschlag vorgebeugt hätte, wollte sich Uhl nicht äußern und wiederholte seine Forderung. Auch auf die Nachfrage des Senders, ob er nur ein Trittbrettfahrer sei, antwortete Uhl nicht. Er begründete dies damit, die Kritik komme „von linker Seite“.
Guignol Provokateur
Hans-Peter Uhl ist ein erzkonservativer CSU-Politiker der ganz alten Schule. Während „Killerspiele“ für ihn die Hauptursache für die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen sind, hatte er als Student nicht das geringste Problem damit, sich der pflichtschlagenden Burschenschaft Arminia-Rhenania anzuschließen, der er bis heute angehört.
Hier finden sich vielleicht auch die Wurzeln seines eigenartigen Geschichtsverständnisses. Auf der Internetseite der Burschenschaft heißt es hinsichtlich der eigenen NS-Geschichte:
„Um einem Verbot durch die Hitler-Regierung zu entgehen, lösten sich die Deutsche Burschenschaft und ihre Mitgliedsbünder im Oktober 1935 selbst auf.“
Im originalen Wortlaut klingt der Aufruf des damaligen Bundesführers Glaubig ein wenig anders:
„Am 18. Oktober 1935 wird sich die Deutsche Burschenschaft zur Idee der Urburschenschaft bekennen. Mit diesem Bekenntnis aber wird sie sich nunmehr auch äußerlich endgültig in den Dienst der Bewegung Adolf Hitlers stellen. In feierlicher Form wird sich die Deutsche Burschenschaft auflösen und werden die aktiven Burschenschaften als Kameradschaften in den NSDStB übernommen werden.“
Bleibt eigentlich nur die Frage, welche Einkünfte ein Politiker wie Hans-Peter Uhl mit kruden Äußerungen, Diffamierungen, unermüdlichen Anstrengungen für den totalen Überwachungsstaat und einer fundierten Ahnungslosigkeit im Hinblick auf neue Medien und das Netz erzielt. Aufschluss hierüber gibt sein Eintrag bei Abgeordnetenwatch:
Neben seinen Bezügen als Bundestagsabgeordneter in Höhe von 7.668 Euro und der dazugehörigen Spesenpauschale in Höhe von 3.969 Euro erzielt Uhl Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt (1.000 bis über 7.000 Euro pro Monat) und steht auf der Gehaltsliste der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Wagensonner, Luhmann, Breitfeld, Helm in München (3.500 bis 7.000 Euro monatlich).
In „schlechten“ Monaten muss er also mit rund 16.000 Euro, in guten Monaten mit gut 25.000 Euro über die Runden kommen. Für ein solches Einkommen macht man sich auch jenseits des Rentenalters gerne zum „Guignol Provokateur“ und lässt sich von politischen Gegnern wie Freunden verspotten. Erst recht, wenn man so dafür sorgen kann, dass im „deutschen Vaterland“ auch im 21. Jahrhundert Zucht, Ordnung und Anstand erhalten bleiben.
Zum Abschluss ein kurzes Feature aus der ZDF heute Show. Eingangs äußert sich Hans-Peter Uhl hier über fremde Geräusche, Gerüche und Anblicke in Deutschland lebender „Ausländer“: