Hans Georg Esch: Prekäre Vorbauten

Von Thomas_robbin

Beim Bau von Hochhäusern werden in China Baugerüste aus Bambus eingesetzt. Die filigranen Konstruktionen geben den oft wenig spektakulären Fassaden eine neue Struktur, die je nach Lichteinfall wie eine zweite Außenhaut wirken kann. Der Architekturfotograf HG Esch hat auf seinen Reisen zahlreiche dieser Baugerüste im Bild festgehalten. Zu sehen ab 4. September in Köln.

Ausstellungsbeschreibung

Sie sind temporäre Architektur, Mittel zum Zweck, und doch haben sie in letzter Zeit den Rang einer eigenen Architekturgattung bekommen: Die riesigen Bambusgerüste, die für den Bau von Hochhäusern in Hongkong, aber auch in anderen chinesischen Städten errichtet werden. Inzwischen sind sie so bekannt, dass ein deutsches Architekturbüro ein solches Gerüst in einer musealen Ausstellung errichten ließ, um die eigene Tätigkeit in China zu feiern. Selbstredend gibt es Dutzende von Film- und Fotoreportagen über diese Gerüste und ihre Erbauer, auch über die strengen Gesetze ihres Auf- und Abbaus. Doch Hans-Georg Esch nähert sich dem Thema – das ihm während seiner Bauaufnahmen in China gleichsam natürlich zuwuchs – auf eine ganz andere Art.

Wer sich seinen Bildern von Bauten mit Bambusgerüsten von weitem nähert, hat zunächst den Eindruck, es handele sich um Fassaden mit einer eigenwilligen, quasi stacheligen Oberflächenstruktur. Die schmalen Hochhäuser mit ihren eher wenig spektakulären Fassaden werden durch die Gerüstvorbauten vollkommen neu strukturiert, vor allem auch durch die alle sechs Stockwerke notwendigen Winkelkonstruktionen, die die hohen Wolkenkratzer wieder kleiner wirken lassen. Deutlich sichtbar wird dies im Bild Hongkong 62, bei dem im Hintergrund Häuser zu sehen sind: Sie wirken – ganz wie in einem barocken Vexierspiel – größer als die vorn stehenden mit Gerüsten. Die Größenverschiebung ist aber auch Werk des Fotografen: HG Esch lässt über den Häusern meist viel Platz, selbst die wenigen Wolken ducken sich unter die Traufhöhe. Keine Regel ohne Ausnahme: Hongkong 64 zeigt die klassische Flucht zwischen Hochhäusern ohne Oben und Unten, und die Bambusstöcke ragen in den restlichen Himmel wie Nadeln, die kein Durchkommen ermöglichen.

Die Gerüst-Vorbau-Fassaden wirken zudem im Licht: Ihre filigrane Struktur wird bei direkter Sonneneinstrahlung fast unsichtbar, während sie im Schatten und Gegenlicht den Charakter einer zweiten Haut des Hauses erhalten. Dabei ist nicht einmal die Differenz zwischen dünnem Gerüst und massivem Bau bedeutend, sondern allein die Auflösung der Oberfläche – sie wirkt umso verstörender, als die Kompassnadeln der darüber sich drehenden Kräne keine Orientierung zu geben vermögen. Damit führen die prekären Vorbauten der Bambusgerüste im Bild selbst auf das Fotografieren zurück: Es sind nachhaltige Kompositionen eines kurzfristigen Zustands. Mehr kann ein Fotograf nicht wollen.

Wann und wo

mirko mayer galerie
An der Schanz 1a
50735 Köln

4. bis 7. September 2015