Hans Fallada in Greifswald

Von Lyrikzeitung

Hans Fallada wurde am 21. Juli 1893 als Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen im Haus Steinstraße 58 geboren. Das zweigeschossige Haus in der Fleischervorstadt, 1888 erbaut, gehörte um die Jahrhundertwende zu einem vornehmeren Wohnviertel. Familie Ditzen bewohnte die untere Etage mit sechs Räumen auf ca. 150 qm. Die Wohnung verfügte über einen Wintergarten, Speisen wurden im Kellergeschoß zubereitet und über einen Aufzug in die Wohnung befördert. Der Landrichter Ditzen war zum 1. März 1893 von Beuthen/Oberschlesien nach Greifswald versetzt worden, wo er seine Tätigkeit am Landgericht in der Domstraße aufnahm. Ein paar Wochen später holte er seine Frau und zwei Töchter nach, die bei ihrer Ankunft im Schneegestöber von Greifswald einen trübseligen Eindruck empfanden. Die Mutter: „Wie dann aber noch die Dampferfahrten nach Eldena und Wieck dazu kamen und später die Fahrten nach Rügen, war ich ganz ausgesöhnt mit Greifswald… [...] Rudolf ist von seiner frühesten Jugend an ein schwächliches Kind gewesen, hat viel Kinderkrankheiten durchgemacht… [...] Mit drei Jahren hat er einen schweren Unfall dadurch erlitten, daß er aus der ersten Etage durch das Treppengebäude in das Parterre etwa 2 m tief herabgestürzt ist.“ Er war ein eher schwieriger Junge, „entwickelte sich viel langsamer als die anderen Kinder“.

Nach fünf Jahren, inzwischen war die Familie auf sechs Personen angewachsen und noch zweimal umgezogen, verließen die Ditzens Greifswald in Richtung Berlin, nachdem der Landrichter Ditzen eine Berufung zum Professor für Strafrecht an die Greifswalder Universität abgelehnt hatte. In Berlin wurde er zum Kammergerichtsrat berufen. Sein Karriereziel jedoch war es, Reichsgerichtsrat am kommenden obersten deutschen Gericht in Leipzig zu werden. Sein Sohn, der spätere Schriftsteller Hans Fallada, kommt in seinem Leben mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt. In seiner Geburtsstadt muß er 1924 eine fünfmonatige Gefängnisstrafe wegen Unterschlagung verbüßen. Das Gerichtsgefängnis lag unweit der einstigen Arbeitsstätte seines Vaters. Als Fallada als Häftling in der Innenstadt Holz ausfahren muß, beliefert er auch Kunden im Haus Karlplatz 18, das die Ditzens nach ihrem Wohnsitz in der Steinstraße bewohnt hatten. Er hält es für sein Geburtshaus und bittet den Mieter „mit seltsamen Gefühlen“ um Streichhölzer und Tabak.

Später wird Greifswald für Fallada hauptsächlich zum literarischen Ort, wie in seinem „Tagebuch aus dem Gefängnis“ und seinem Roman „Wir hatten mal ein Kind“ (1934) nachzulesen ist. In seinen autobiographischen Aufzeichnungen „Damals bei uns daheim“ von 1941 heißt es dann mit größerer Distanz: „Ich bin in der seinerzeit durch ihre Theologische Fakultät und besonders eifriges Biertrinken ihrer Studenten berühmten Universitätsstadt Greifswald geboren.“