Nun ist es so weit: die 3 Eisbären toben erstmals gemeinsam im Zoo Hannover.
Darüber berichtet die Neue Presse Hannover ausführlich in ihrer heutigen Printausgabe, aber auch im Internet (Klick):
„Die drei Eisbären im Zoo Hannover sind ein eingespieltes Trio. Am Freitag bewiesen sie bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt im Hafenbecken „Yukon Bay“, wie gut sie miteinander auskommen. Die drei Eisbären fühlen sich offenkundig wohl im Zoo Hannover.
„Die Kennenlernphase ist nun vorbei, Sprinter wurde von den beiden Brüdern Arktos und Nanuq sehr gut aufgenommen und die drei haben sich miteinander angefreundet“, sagte Tierpfleger Andreas Pohl am Freitag.
Aber bei aller Freundschaft rangeln die drei Kumpels doch hin und wieder. Etwa eine Stunde toben sie morgens im Hafenbecken und an Land. Da wird geschubst und gerauft, dass die Tatzen nur so fliegen.“
Photo: martinteschner
Und eine ausgesprochen amüsante Photostrecke dazu gibt es auch noch: (Klick)
Beim Lesen der Artikel und beim Ansehen der Bilder sind mir dann so einige Gedanken gekommen, und dies noch über meine bisherigen (Klick) hinaus:
Eisbären sind eine stark bedrohte Tierart. Darüber dürfte es eigentlich keine 2 Meinungen geben, denn schon seit 2006 stehen sie auf der Roten Liste, der Bestand ist als „gefährdet“ eingestuft. In der Arktis leben schätzungsweise nur noch 20.000 bis 25.000 Eisbären. Das arktische Eis schmilzt, und damit der Lebensraum der Eisbären. Die Bären brauchen festes Packeis, von dem aus sie Robben jagen können. Langzeitstudien zeigen deutlich, dass die Bestände der Eisbären immer mehr abnehmen, die Überlebensrate der Jungtiere sinkt, erwachsene Bären kleiner und leichter sind als früher und Hungerperioden nicht mehr gut überstehen. (Klick)
Natürlich sind die Probleme des Eisbärs vom Menschen gemacht, denn er engt den Lebensraum der Tiere ein und zerstört das zu deren Überleben erforderliche Ökosystem durch seine Umweltverschmutzung und die daraus resultierende Klimaveränderung. Und natürlich muss deswegen Schluss sein mit diesem letztendlich auch die Menschheit massiv bedrohenden ökologischen Wahnsinn.
© Zoo Hannover
Aber machen wir uns nichts vor: auch eine sofortige, radikale und vor allen Dingen globale Umkehr in der Umweltpolitik würde kurzfristig keine positive Veränderung für die Lebensbedingungen von bedrohten Tierarten erbringen, denn die Umkehr dieser weltweiten Prozesses findet eben nicht in kurzen Zeitabständen statt – und ehrlich betrachtet werden die Bevölkerung und die Nichtregierungsorganisationen noch viel Überzeugungsarbeit bei den Politikern leisten müssen, um überhaupt eine schnelle Änderung der Politik in Richtung einer deutlichen Verringerung der Umweltbelastung zu erzielen – dazu muss man sich ja nur die verhängnisvolle Politik in Deutschland zur Behinderung des Ausbaus der Gewinnung von erneuerbaren Energien ansehen.
Letztendlich werden also nur verschiedene Maßnahmen es verhindern, dass bedohte Tierarten gänzlich aussterben, und eine dieser Maßnahmen ist eben eine den Respekt zu den Tieren einhaltende, artgerechte Haltung in Zoos. Und bei aller vielleicht auch nachvollziehbaren Kritik an der „Yukon Bay“ – im Rahmen eines Zoos ist die Haltung sehr artgerecht, und die Eisbären zeigen dies jeden Tag.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass die Tiere in den Zoos schließlich dort geboren sind, man kann die Eisbären in Hannover nicht einfach in eine Kisten stecken, in die Arktis bringen und dort aussetzen – oder man nimmt in Kauf, dass sie dort in kürzester Zeit sterben.
Deswegen sollte man Zoohaltung auch von Eisbären immer in seiner Vielschichtigkeit betrachten und sich sehr genau ansehen, wie die Tiere sich vor Ort in den Zoos verhalten.
Und da sind wir wieder bei unseren 3 Bärenjungs in Hannover, die jetzt nicht mehr in 2 getrennten Gehegen leben, sondern zusammen in einem. Die überall publizierten Bilder und auch die Eindrücke vor Ort zeigen, dass die 3 Bären, die natürlich in Gefangenschaft, aber dafür frei von jeder in der Natur nun einmal im Überfluss vorhandenen Not leben, sehr gesellig sind und eine Menge Spaß miteinander haben. Offensichtlich scheint also das Leben in der „Yukon Bay“ für die 3 vielleicht nicht die beste, aber immerhin eine der besseren Alternativen zu sein. Und man darf nicht vergessen, dass gerade eine solche Attraktion wie die „Yukon Bay“ viele Menschen – und besonders Kinder – dazu bringt, über die Lebensbedingungen der „freien“ Eisbären und ihre Bedrohung durch die Umweltzerstörung nachzudenken; mal ehrlich, wer kann sich es denn schon leisten, Eisbären in Freiheit zu beobachten, und wäre es wirklich wünschenswert, einen „Eisbärentourismus“ in die Arktis zu organisieren?
Eine kleine Abschweifung vom Thema Eisbär: vor einiger Zeit besuchten wir die Falknershow in Ralswieck auf Rügen; der dortige Falkner erzählte sehr viel über seinen jahrhundertealten Beruf; 2 Aussagen sind mir nachhaltig in Erinnerung geblieben:
1. Die Greifvögel in der Obhut der Falkner haben eine 2-3x höhere Lebenserwartung als freilebende Tiere.
2. Die Vögel sind bei jedem Flug völlig frei und können letztenlich frei entscheiden, ob sie zum Falkner zurückkehren oder nicht.
Ich stelle mal provozierend die Frage: ist die Freiheit des Eisbärs, in der Arktis zu verhungern oder aufgrund der Erderwärmung in zu dünnen Eis einzubrechen und zu ertrinken wirklich die einzig erstrebenswerte Alternative? Und wählen nicht auch wir Menschen das (bequeme) Leben in den Abhängigkeiten in einer hochtechnologisierten Zivilisation, weil uns der Preis der vollständigen Freiheit (Hunger, Durst, kurze Lebenserwartung pp.) zu hoch ist?
Aber zurück zu unseren Eisbären: Die Tierschutzorganisaton PETA Deutschland e.V. hat massivste Kritik am Zoo Hannover und der „Yukon Bay“ geäußert. Zu Recht? Ich denke: Nein!
Zunächst einmal ist PETA eine Organisation, die in Hannover insbesondere aufgrund des großen Engagements des verstorbenen Robert Enkes und seiner Frau für sie eine erhebliche Reputation genießt – bei all ihrer Radikalität – und deren Arbeit auch ich in vielen Bereichen durchaus sehr positiv sehe. Und auch die Ausführungen von PETA Deutschland e.V. zur Geschichte der Haltung von Eisbären in der Vergangenheit sind durchaus nachvollziehbar (Klick).
Allerdings gilt dies nun wahrlich nicht für die verbalen Ausfälle gegen die neue „Yukon Bay“ (Klick). Hier kann sich ein unbefangener Beobachter nicht des Eindrucks erwehren, dass PETA eher das öffentliche Interesse an dieser neuen Anlage im Zoo Hannover für seine eigenen Interessen nutzen will.
Schade ist, dass eine Nichtregierungsorganisation wie PETA dabei dieselben Fehler macht, die von solchen Gruppen ansonsten immer den Regierungen vorgeworfen wird: Fehler auch in der Außendarstellung zuzugeben, sich zu entschuldigen und sich zukünftig anders zu verhalten.
Es ist eben schon deutlich schwieriger, eigene Fehler einzugestehen, als Fehler anderer anzuprangern. Und es sicherlich auch schwer, in einer komplizierten, von schnelllebigen Medien dominierten Welt Probleme differenziert zu betrachten. Im Fall der Eisbären in der „Yukon Bay“ dürfte PETA da durchaus noch erhebliches Potential zur Fehlerkorrektur haben.