Hannover Marathon 2015 – Laufen 2.0

© Stefan Scherer

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Irgendwann merkt man, dass man alt wird, dass man nicht mehr so leistungsfähig ist – und dass die Veränderungen auf der Waage nicht mehr so einfach kompensiert werden können…

Dann hat man 2 Möglichkeiten: man fügt sich in sein Schicksal – oder eben nicht. Ich habe mich vor 2 Jahren für Letzteres entschieden und mich entschlossen, dem Altern doch noch mal ein bisschen Widerstand entgegen zu setzen.

Insgesamt ist dies eine längere Geschichte, und ich werde diese sicherlich in den nächsten Wochen hier im Blog näher erzählen, aber jetzt erst einmal ein Bericht von meinem vorläufigen Etappenziel.

Tatsächlich habe ich mich im letzten Jahr, als ich mein Körpergewicht von 90kg auf 75kg (bei 1,83m Körpergrösse) gesenkt hatte und wieder einen gewissen läuferischen Grundausdauerzustand erkämpft hatte, entschlossen, am Jubiläumsmarathon 2015 in Hannover teilzunehmen; allerdings nicht gleich an der vollen Länge, aber immerhin am Halbmarathon (HM).

© Stefan Scherer

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Und tatsächlich bin ich dann recht frühzeitig und bei durchaus noch sehr unangenehmen Temperaturen ins Training gegangen, und zwar Ende Januar mit einem Runnersworld Trainingsplan für einen HM unter 2:00 Stunden (Klick). Ich fand das zum damaligen Zeitpunkt ziemlich ambitioniert und fühlte mich schon eher als Läufer denn als Jogger.

Ich habe dann versucht, ziemliche viele Kilometer in verschiedenen Geschwindigkeiten und über unterschiedliche Längen zu laufen – und nebenbei noch ein wenig Crosstraining gemacht. Während der Osterferien war dann Skilaufen angesagt, und in der letzten Phase habe ich eine ganze Reihe von Laufeinheiten auf das Fahrrad verlegt, um die “Laufmuskeln” zu schonen. Den trainingsplan habe ich dabei immer angepasst, d.h. in erster Linie, ein paar Kilometer drauf gelegt. Zugute kam und kommt mir bei solchen Vorbereitungen, dass ich sehr gut früh morgens Laufen kann (gestern morgen zB. ging es schon um 06:00 Uhr raus und auf die 10km-Runde).

Angefangen habe ich mit rund 30km pro Woche und das dann gesteigert, teilweise bis 65km. Am Schluss bin ich dann deutlich runter gegangen, trotzdem waren es rund 500km in der Vorbereitung.

Durch diese Kilometer und die damit einhergehende Verbesserung der Geschwindigkeit wurde ich auch ein bisschen mutiger: es sollte schon noch ein bisschen Abstand zu den 2:00 Stunden werden, und meine beiden “Testwettkämpfe” in Form des Sylvesterlaufs am Maschsee und dem Silberseelauf liessen mich da optimistisch in die Zukunft sehen.

© Stefan Scherer

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Die tatsächlichen 3 “Generalproben” allerdings waren eher desaströs für meine Psyche: jedes Mal ging es nach 15km stark bergab, und die beiden ersten Läufe endeten dann bei Zeiten um die 2:15 Stunden. Im letzten rannte ich dann zwar sozusagen “um mein Leben”, aber die Pace brach trotzdem auf den letzten Kilometern ein und ich rettete mich mit knapp unter 2 Stunden in virtuelles Ziel.

Aber vielleicht war das auch der Dämpfer im richtigen Augenblick: so habe ich nämlich tatsächlich nach den Osterferien nicht wieder das “Kilometerbolzen” angefangen wie eigentlich geplant, sondern es schön ruhig und dafür mit einer Reihe von Intervallläufen eher qualitativ hochwertig angegangen.

Der 18.04.2015 war dann der Auftakt: und zwar mit dem Kinderlauf für meinen Sohn Max, der mächtig aufgeregt war und aufgrund der hohen Teilnehmerzahl pro Lauf (geplante 400 Kinder) auch ganz gerne gar nicht gestartet wäre. Mit leichtem Druck und Versprechungen konnten wir ihn dann erstens zum Start bewegen und zweitens in die 3 Reihe bugsieren – in der er dann allerdings komplett verschwand, weil alle Kinder um ihn herum mindestens einen, teilweise zwei Köpfe grösser waren; immerhin musste er als Kind aus dem Jahrgang 2005 mit denjenigen aus den Jahrgängen 2003 und 2004 starten, da sind die physischen Voraussetzungen einfach ein bisschen ungleich verteilt.

Und auch die Rahmenbedingungen waren für ein “Landei” in der Grossstadt, der darüber hinaus als amtierender 3-Kampf-Kreismeister gut organisierte Leichtathletikwettkämpfe gewohnt ist, doch eher einschüchternd: nach dem Startschuss stürzte die Meute los, hinein in einen abgesperrten Kreis hinter dem neuen Rathaus in Hannover, von dort dann aber in einen trichterartigen Gittergang, ähnlich demjenigen für Löwen im Zirkus. Als die Kinder dann die Strasse erreichten, stürzte auch schon der Erste, und von da an hielt sich Max ein wenig zurück, um dem Gedrängel aus dem Wege zu gehen.

Auch der weitere Verlauf des Rennens hatte mit einem geordneten Wettkampf nach Regeln des DLV eher weniger zu tun: ein hupender Flughafen-Bus räumte enthemmte Eltern und Grosseltern von der Strecke, die allerdings noch während der Ankunft der Läufer wieder zusammenströmten… und dahinter dann in wilder Fahrt die vielen Kinder.

Max liess sich allerdings nicht beirren und brachte am Ende einen insgesamt sehr, sehr erfolgreichen 9.Platz ins Ziel – ohne dabei sonderlich aus der Puste zu sein. Ich denke, mit dem nicht zu vermeidenden Training über den Sommer und den gesammelten Erfahrungen aus diesem Jahr kann das im nächsten Jahr noch ein wenig besser werden. Und natürlich trägt er jetzt mit stolz geschwellter Brust sein Trikot vom Marathon.

Danach war Entspannung und Shopping angesagt – und natürlich die mentale Vorbereitung für meinen HM am nächsten Tag; an dieser Stelle mal ein kleines Wort zur “Nudel-Party” und dem sogenannten “Carboloading”: wenn man mich fragt, ist das Alles Quatsch! Wer sich durchgängig anständig ernährt – und das bringt die Lauferei quasi automatisch mit sich – der dürfte genug “Treibstoff” haben und muss sich nicht vor dem Wettkampf noch den Bauch mit Nudeln vollschlagen. Ich jedenfalls nicht.

Und auch morgens war da nichts Besonders bei mir angesagt: 3 Tassen Kaffee (etwa die Menge, die ich auch sonst bis zum Starttermin 10:30 Uhr so trinke), dazu ein Joghurt und einen Proteinshake (bin nicht so der Frühstücksfanatiker) waren vollkommen ausreichend. Vor dem Lauf habe ich mir noch einen halben Liter Flüssigkeit und einen Energieriegel gegönnt, das war es dann.

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Die komplette Familie ist dann nach Hannover gefahren, haben einen vernünftigen Parkplatz gefunden und sind dann zum Platz vor dem Neuen Rathaus gelaufen. Dort trafen wir sehr schnell unseren Freund Thomas Guddat, der ein “altgedienter Marathoni” ist und in der Klasse M55 Fabelzeiten läuft – jedenfalls für mich! Da er von Beruf Pastor ist und ich (noch) im Ehrenamt bei “Kirchens” unterwegs bin, sind wir im Rahmen der Deutschen Kirchenmeisterschaften und auch mit dem dafür (kostenlos) ausgegebenen Trikot gelaufen.

Ja, der Lauf: erst eine kleine Runde um den Maschteich zum Warmwerden – mit einer kleinen Einkehr in den dortigen Büschen, ich hasse nämlich Dixie-Klos! Und danach habe ich mich von meiner Familie verabschiedet und mich in meine Box D begeben, gerade noch rechtzeitig etwa 3 Minuten vor dem Start. Dort wurde dann schnell die Polar M400 auf Halbmarathon-Zielzeit eingestellt – naja, und dann auf den Startschuss gewartet.

Als der dann fiel, passierte erste einmal: gar nichts. Erst langsam setzte sich der Tross in Bewegung und nach einigen Minuten überquerte ich die Startlinie. Auf den ersten Metern musste ich erst einmal Herzfrequenz und Tempo aufnehmen und mich ein bisschen freilaufen, aber das ging eigentlich erstaunlich gut. Etwa in Höhe der Waterloosäule lief ich zum ersten “Kirchenläufer” auf, einem Pastor aus Leverkusen, mit dem ich mich ein paar Sätze sehr nett unterhielt. Allerdings war mir sein Tempo ein bisschen zu langsam, und so ging es (wie im übrigen auch im weiteren Verlauf) mit einer Pace von etwa 5:00 Minuten/km am Maschsee entlang. Dort war es ein wirklich sehr entspannendes Laufen, nur ein bisschen getrübt von einer Reihe langbeiniger junger Damen, die elfen- oder besser gazellengleich an mir vorbeistoben – ein doch etwas ernüchternder Augenblick, fühlt man sich dabei dochin etwa so wie Manni das Mammut…

Schneller als gedacht tauchte der erste Verpflegungspunkt auf, und obwohl ich weder Hunger noch Durst hatte, fiel mir zum einen der Hinweis erfahrener Läufer ein, keinen solchen Punkt auszulassen, und zum anderen setzte die schiere Gier ein: dort wurde dort nämlich Gel gereicht, und das auch noch kostenlos! Und da ich ja keinen Termin auslasse, bei dem es kostenlos was zu Essen gibt, bin ich also hin, habe mir ein Tütchen gepackt, einen Becher gegriffen, 2 Schlucke genommen und den Rest über den Kopf gegossen… denn schon dort auf der langen Gerade entlang des hannoverschen Stadtsees war nämlich zu merken, dass die Sonne auch im April schon ganz kräftig sein kann.

Vom Maschseebad aus ging es zurück über die Hildesheimer Strasse Richtung Aegi – und immer noch zeigte die Uhr eine Zielzeit von 1:45 Stunden bei durchaus moderaten Herzfrequenzwerten: da mache ich doch entgegen meiner Planung, es langsam angehen zu lassen, jetzt schon ein paar Meter, der Einbruch kommt sicher noch, so waren meine Gedanken. Bis zum Aegi war aber alles in Ordnung, auf der breiten Strasse zog sich das Feld immer mehr auseinander, das Laufen wurde richtig angenehm, und dort an dem Knotenpunkt der erste grosse Menschenaufmarsch. Hier hatte ich eigentlich ein Wiedersehen mit meiner Familie geplant: doch kein Max und keine Katharina zu sehen, dafür aber Claudia Preßler, die auf ihren Frank von Herzrasen Hannover wartete und natürlich nur Augen für ihren Schatz hatte. Meine Familie jedenfalls hatte nicht damit gerechnet, dass ich tatsächlich so fix unterwegs war – und hatte damit durchaus etwas mit mir gemeinsam. “Läuft bei mir”, sozusagen.

Der nächste Streckenabschnitt über den Kröpcke zum Bahnhof verging wie Fluge, da war auch einfach viel los, und das lenkt tatsächlich enorm von der Anstrengung beim Laufen ab, was ich so nicht gedacht hätte. Schnell waren wir im Tunnel unter den Bahngleisen – und die GPS-Uhr spielte erwartungsgemäss verrückt. Nun, nicht, dass ich damit nicht gerechnet hätte, aber allein die wenigen Sekunden, die mich das abgelenkt hat – und in denen ich ja nicht so wirklich stehen geblieben bin – haben ausgereicht, um mich als alten Hannoveraner zu verwirren, denn irgendwie hatte ich die nächsten Kilometer das Gefühl, durch eine völlig fremde Stadt zu laufen.

Ich war wohl nicht der Einzige, dem es so ging, denn als plötzlich von links die Marathon-Strecke einbog, sprach mich einer der von dort kommenden Läufer tatsächlich an, wer wir denn nun seien und was wir so laufen würden… nun, der hatte ja schon wesentlich mehr Kilometer in den Beinen und im Kopf als ich.

Aber auch die beste Verwirrung legt sich mal wieder, und irgendwo dort in der List kam mir die Gegend dann wieder bekannt vor, die GPS-Uhr tat auch längst wieder, was sie sollte – und zeigte weiterhin eine Endzeit von rund 1:45 Stunden an. Also los, Angriff in Richtung weit entferntem Ziel …

Auf dem Weg zu den Herrenhäuser Gärten und danach auf der langen Strecke entlang der Universität wurde es dann noch einmal richtig warm – und zäh, weil das Ziel, das neue Rathaus im Dunst auftauchte und gleichzeitig heftig weit weg war. An einer Stelle dort ging plötzlich ein junger Mitstreiter aus einer Marathonstaffel vor mir her: ein Baum von einem Mann war das, sozusagen, aber ziemlich am Ende seiner Ausdauerkräfte. Dem habe ich dann kräftig auf die Schulter gehauen und ihn motiviert, wieder zu rennen – aber in erster Linie, um auch mir ein bisschen Auftrieb für die lange “Zielgerade” zu geben.

Apropos Motivation: tatsächlich ist die während eines solchen Halbmarathons jedenfalls für mich ziemlich wichtig. Ich hatte immer wieder Phasen, in denen mein innerer Antrieb ein bisschen nachliess, und da habe ich dann doch von den Tipps profitiert, die mir andere gegeben haben: der eine war die Motivation anderer Teilnehmer, die einen dann auch selbst anstachelt, ein anderer war es, in die angebotenen Hände der (meist kindlichen) Zuschauer einzuschlagen, wieder an anderer Stelle habe ich mir immer wieder Ziele gesucht, die ich dann “angelaufen” bin. Aber die meiste Zeit ging es schon ohne solche kleinen Tricks.

Ja, und so ist der Rest schnell erzählt: noch viele Blicke auf die Uhr und die Kilometerschilder, dann die Nanas und die grosse Flughafenfeuerwehr, ein Ballon mit einem roten Säckchen (sollte das so eine Art “Teufelsdreieck” sein?) und dann plötzlich ein Piepen meiner Uhr: HM-Kilometer erreicht… aber irgendwie war es jetzt wie zu Studentenzeiten, als am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig war: Ziel und Uhrkilometer harmonierten irgendwie nicht.

Egal, durch, Gas geben und durchs Ziel laufen mit einer Zeit von 1:47:16, und damit sehr, sehr nah an meinem Wunschergebnis von 1:45:00!

Ich kann mich tatsächlich noch daran erinnern, dass mir irgendwer zugerufen hat, ich soll nicht stehen bleiben, und dass ich dann noch ein bisschen weiter gejoggt bin. Allerdings war da plötzlich etwas anders, denn rechts hatte ich von einer Sekunde auf die andere einen stechenden Schmerz in der Fusssohle, auftreten war nicht mehr so einfach. Aber gleich danach hörte ich dann die beste Ehefrau von Allen und meinen Max, sie standen am Rand, umarmten mich, beglückwünschten mich und gaben mir meine Jacke, die ich kurz danach wirklich bitter nötig hatte. Der Weg durch den Verpflegungsbereich war weit, ich war verschwitzt, und das Wetter war dann doch nicht so warm, wie ich eigentlich gedacht hatte.

Naja, so weit der Lauf selber. Organisation, Strecke, Wetter, Verlauf, alles wirklich sehr, sehr schön und am Ende sehr erfolgreich. Nur dieser elendige Weg durch den Zielbereich und die Suche nach einer Möglichkeit, wieder zum Neuen Rathaus zurück zu kommen, das war nicht ganz so schön.

© Stefan Scherer

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Aber auch den habe ich noch (ein bisschen humpelnd) glücklich hinter mich gebracht und dann im Zelt meine Familie wieder gefunden. Die erzählten mir dann, dass mein Freund Thomas Guddat mit einer Zeit von 1:39:00 ins Ziel gekommen war, eine beachtliche Zeit, die ich mir als neues Bestmarke setzen werde…

Ach so, eine unverhoffte Belohnung gab es auch noch: am Stand von Det’s Laufshop, bei dem auch mein Leichtathletikverein kauft (weswegen ich ihn hier erwähne, ohne dass als Werbung anzusehen) haben mir die Jungs von Mizuno Füsse und Beine prächtig vermessen und ein paar hellblaue Schuhe angeboten, die so fein passten, dass ich sie gekauft habe – und ein Laufshirt gab es noch – schwarz ist es mit knallroter Aufschrift:

2015 – I run Hannover 21,0975 km


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