Hannover 96:
Das ist unsere Stadt!
Und das ist unser Stadion!
Und hier regiert der HSV!
© Stefan Scherer
Es geht um Fussball, es geht um 96, und ich habe mal wieder Angst – Angst vor dem Rückspiel in der Europa League meiner Roten Riesen gegen den Club Brügge am kommenden Donnerstag. Jede Zeitungsmeldung über das anstehende Spiel macht mich nervös, und auch jetzt melden sich beim Schreiben dieses Blogeintrags die Schmetterlinge im Bauch.
Und dabei ist es noch nicht einmal Donnerstag, der Anpfiff auf dem nach Zeitungsberichten wohl nur noch als “Sturzacker” zu bezeichnenden belgischen Rasen ist noch lange hin.
Aber nehmen wir es als gutes Vorzeichen: bisher ging es mir bei jedem Spiel der Roten in der Europa League so – und immer ist es gut ausgegangen!
Und vielleicht beruhigen sich meine Nerven ja, wenn ich mich ein bisschen mit dem souveränen Hinspiel beschäftige, dass Hannover 96 am letzten Donnerstag souverän und leider viel zu niedrig mit 2:1 gewonnen hat.
Es war nämlich ein wirklich schöner Abend im Niedersachsenstadion (das nun leider AWD-Arena heisst) an diesem 16.02.2012.
Das Spiel begann spät um 21:05 Uhr, was jedoch den unbestrittenen Vorteil hatte, dass ich nicht nur noch mit meiner Familie zu Abend essen konnte, sondern mich auch rechtzeitig und damit stressfrei nach Hannover auf den Weg begeben konnte. Max, das Vereinsmitglied bei 96 in unserer Familie (derjenige, der schon 3 Monate vor seiner Geburt Vereinsmitglied bei den Roten Riesen wurde), gab mir noch seinen Tip mit auf den Weg: “2:0 für uns, Papa!” rief er mir zu.
Die Fahrt mit dem PKW bis zur U-Bahn-Haltestelle war stau- und problemlos, genau so wie die Fahrt bis zur Station Waterloostrasse, die mir ja mir aus alten Schulzeiten noch sehr bekannt ist – ich weiss nicht, wie oft ich die dortige Rampe in meinem Leben schon herauf- und heruntergelaufen bin…
Oben am üblichen und vorbesprochenen Bierstand wartete mein Freund Uwe – und war schon ziemlich aufgeregt. Das lag allerdings weniger an dem kommenden Spiel, sondern an dem Wasserwerfer der Polizei, der wenige Minuten vorher die Strasse entlang gefahren war – ein Vorgang, den weder er noch ich bisher bei einem Fussballspiel in Hannover erlebt hatten. Es sollte allerdings die einzige Auffälligkeit in dieser Richtung bleiben, die wir sehen sollten, und auch am nächsten Tag konnte man überall lesen, dass es wohl ein äusserst friedliche Fussballfest war, das da in unserem Stadion stattgefunden hatte.
Die Strecke von der U-Bahn-Station bis zum Stadionvorplatz gibt immer gerade genug Zeit, um in Ruhe bei gemässigten Spaziergang ein Bierchen zu trinken, und dies gönnten wir uns dann auch – Uwe ein Becks (Was ist grün und stinkt nach Fisch….), für mich gab es natürlich ein hannöversches “Herry” – von ihm despektierlich “Begräbnisbier” genannt, aber das ist eine andere Geschichte.
Vor dem Stadion angekommen, stellten wir fest, dass es zum Hereingehen noch zu früh war und dachten daran, dass es “drinnen” nur noch alkoholfreies Bier zu horrenden Preisen geben würde, weswegen wir uns für eine weiteres Kaltgetränk entschieden – schiedlich, friedlich für jeden ein Hasseröder an einem auch bei den anderen Europa League Spieltagen von uns schon frequentierten Stand – es gibt Traditionen und Rituale, die sollte man nicht brechen , könnte man meinen. Dort hatte Uwe dann noch ein durchaus zweifelhaftes Erlebnis der dritten Art, welches ihm allerdings nicht die ausnehmend gute Laune zerstörte und deswegen ebenfalls eine andere Geschichte ist, die hier nicht erzählt werden soll.
Ziemlich frühzeitig waren wir dann doch in unserem Block O1, nachdem die Einlasskontrollen wider Erwarten zügig und grosszügig stattfanden – wir hätten Pyros säckeweise mit ins Stadion nehmen können, aber wahrscheinlich machten wir Beiden einen so leutseligen Eindruck, da traute uns kein Ordner etwas Böses zu. Die Perspektive auf unseren Plätzen war äusserst ungewohnt, wie man auf dem nachfolgenden Bild sehen kann, sassen wir doch auf der Osttribüne direkt zwischen den VIP-Plätzen und der Nordkurve genau auf der Höhe der Torauslinie – also mit direkter Sicht auf die Stellendes heiligen Rasens von Hannover, die später noch Schauplatz der wichtigsten Entscheidungen des Spiels werden sollte.
Der Block selber ist absolut entspannt, da er nur wenige Zuschauer fasst, aber einen sehr grossen Versorgungs- und Toilettenbereich hat – noch nie habe ich bei der Verrichtung der diversen “Geschäfte” im Stadion so wenig (nämlich garnicht) anstehen müssen… also absolut familientauglich, zumal er auch noch einen eigenen Eingang hat. Gefährlich dürfte es da nur für Papas Geldbörse sein, denn der hiteres Eingang zum wohlsortierten und natürlich während der Spieltage geöffneten Fanshop liegt genau gegenüber….
Zurück zum Europapokalabend, ich erwähnte es ja schon: wir waren früh im Stadion und auf unseren Plätzen angelangt, sodass wir die Roten Riesen beim Warmmachen beobachten konnten – allerdings wurden wir in diesen unseren philosophischen Betrachtungen dieser Tätigkeit (wobei auch die Frage unserer eigenen körperlichen Fitness in Verbindung mit unserem durchaus altersentsprechend verschobenen Grössen-Gewichts-Verhältnis eine nicht unerhebliche Rolle spielte, aber auch dies ist eine andere Geschichte und soll nicht hier erzählt werden) jäh unterbrochen durch das Eintreffen eines gewissen Herrn Manuel De Sousa aus Portugal zusammen mit seinen weiteren fünf Kollegen aus dem sonnigen Süden, insbesondere dem Linienrichter Ricardo Santos und dem zusätzlichen Assistenten Vasco Santos – aussehenstechnisch könnten die beiden Letztgenannten Brüder sein, alle zusammen jedoch machten die Schiedsrichter neben den grossgewachsenen Spielern sowohl der belgischen Mannschaft als auch der Roten Riesen eher den Eindruck, als wenn sie einem Pygmäenstamm entlaufen seien. Dies mag jetzt ein wenig despektierlich klingen, aber im Laufe des Spiels mussten wir leider feststellen, dass dieses Spiel nicht etwa um portugiesische Pygmäen bereichert wurde, sondern doch eher um echte Vollpfosten – insgesamt gab es dann davon mindestens sechs: 2×2 aus Aluminium an den beiden Toren und 2×1 in gelb-schwarz gekleidet.
Aber zunächst einmal sorgte Ricardo Santos auf unserer Seite für Heiterkeitsausbrüche: dieses Männlein machte Aufwärmübungen zum Niederknien, denn der wieselte nicht nur die Linie hektisch rauf und rnter, sondern übte auch noch ohne Fahne das Anzeigen von Abseits, Foulspielen, Eckbällen usw. Das war schreiend komisch, aber Ricardo S. aus P. sollte noch dafür sorgen, dass uns das Lachen im Halse steckenblieb.
Ich erinnere mal kurz daran: mein Freund Uwe und ich sassen in O1 und hatten von dort nicht nur einen herrlichen Blick auf den Platz und den schwarz-gelben Vollpfosten aus einer ungewohnt nahen Perspektive, sondern eben auch auf die Nordkurve:
© Stefan Scherer
Das Bild entstand übrigens nach dem Spiel, als sowohl Mannschaft als auch Publikum arg erschöpft waren und deswegen die Feierlichkeiten recht kurz ausfielen – es war ja auch schon spät… aber zurück zu meinem Bericht:
Als sich die Spieler und die Pygmäen nach dem Aufwärmen und den humoristischen Einlagen des portugiesischen Männchens wieder in die Kabinen verabschiedet hatten, begannen die üblichen Feierlichkeiten – insbesondere bei den Treuesten der Treuen.
Die Fankurve selber ist natürlich aus jeder Perspektive eine Augenweide, wie man auf dem nachfolgenden Photo sehr gut sehen kann:
© Stefan Scherer
Aber an diesem Abend war sie gerappelt voll und feierbereit, wie man bei der Mannschaftsaufstellung der Roten Riesen gut sehen konnte, die ich als Video festgehalten habe:
Bei YouTube kann man auch die nachfolgende Hymne der Roten verfolgen: 96, Alte Liebe!”
Die im TV leider nicht richtig eingeblendete, wunderbare Choreo kann man schon oben in diesem Blogeintrag bewundern, aber ich habe noch ein weiteres sehr schönes Bild:
© Stefan Scherer
Von unserem Platz konnte man sehr genau verfolgen, wie viel Mühe nicht nur die Erstellung einer solchen Choreo verlangt, sondern auch, wie gross die Logistik ist, um sie dann im Stadion zeigen zu können. Mich hat das beeindruckt, genau so, wie die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen des Stadions und des Vereins sowie denjenigen der Fans. Chapeau! Gut sehen kann man dies auf dem nachfolgenden Video:
Aber auch andere haben davon Videos ins Netz gestellt:
und auch hier:
Und hier noch der Einlauf der Mannschaften, wieder aus meiner Perspektive:
Aber genug der Vorrede, nun begann das Spiel – und zwar nur wenige Minuten verhalten durch beide Mannschaften, dann übernahmen die Roten Riesen eindrucksvoll die Initiative und erarbeiteten sich eine Reihe von hochkarätigen Torchancen. Auch Brügge blieb immer gefährlich, und so entwickelte sich ein hochklassiges Spiel beider Mannschaften mit einem klaren Übergewicht für Hannover 96.
Da auch das Publikum begeistert mitging und beide Mannschaften von ihren Fans frenetisch angefeuert wurden (ich war schon zur Halbzeit heiser), waren die einzigen Totalausfälle die Pygmäen unter ihrem Oberhäuptling De Souza. In dieser ersten Halbzeit war es dabei nicht der winkende Vollpfosten Ricardo S. direkt vor uns, der für den grössten Aufreger in einer ständigen Folge von Schiedsrichterfehlleistungen zunächst hüben wie drüben ablieferte; der sorgte nur für den grössten Brüller im Stadion, als er vielleicht aufgrund seiner kuriosen Trockenübungen, jedenfalls trotz der bitteren Kälte im Stadion wohl so schwitzige Fingerchen hatte, dass er sein niedliches Fähnchen nicht richtig festhalten konnte: plötzlich jedenfalls schoss dieses samt Stöckchen bei einer Anzeige seinerseits (die mal wieder falsch war, aber dann hatten wir uns zu diesem Zeitpunkt schon längst gewöhnt, traf es doch zu diesem Zeitpunkt beide Mannschaften annähernd gleichmässig) wie eine Rakete in den hannoverschen Nachthimmel – leider fiel sie ihm nicht auf den Kopf, dann wäre vielleicht Schlimmeres verhütet worden.
Apropos Schlimmeres: dafür war Oberpygmäe de Souza höchstpersönlich zuständig, denn der lieferte nicht nur unerträglich theatralische Schauspielleistungen am Fliessband, sondern er übersah auch eine klare Tätlichkeit eines Spielers aus Brügge an unserem Torwart Ron-Robert Zieler, der von diesem Spieler am Boden liegend auf das Übelste getreten wurde… da dachten wir schon, es könnte nicht schlimmer kommen – aber es kam schlimmer, was den von Blindheit geschlagenen Schiedsrichter und seine winkenden und gestikulierenden Landsmänner betrifft.
Zur Pause jedenfalls hätte es gut und gerne 4:1 für 96 stehen können und müssen, doch Brügge hielt mit Glück und Geschick das 0:0 und hatte aufgrund miserabler Schiedsrichterleistung auch noch 11 Spieler auf dem Platz.
Die 2. Halbzeit begann dann mit weiterhin engagiertem Spiel der Roten – und bald mit einem empfindlichen Dämpfer, nämlich dem unverdienten 0:1 der Belgier aufgrund eines kollektiven Tiefschlafs der hannoverschen Abwehr. Für mein Hasenherz war das gar nichts, ich sah da schon alle meine Europapokalträume im Nachthimmel verschwinden.
Danach hatte dann erst mal wieder Hauptvollpfosten De Souza seinen Auftritt, denn ein Spieler aus der niedersächsischen Landeshauptstadt wurde direkt vor uns im Strafraum umgesäbelt – und der Schiedsrichter verlegte den Tatort ganz locker 2 Meter nach aussen- natürlich ausserhalb des Strafraums. Kurz danach hatte dann unser Linienpygmäe mit der fliegenden Fahne seinen nächsten inzwischen von uns als böswillig empfundenen Höhepunkt: Lars Stindl geht mit einem belgischen Sportskamerad in ein Laufduell in Richtung Torauslinie, und nicht ganz zehn Meter vor uns rutscht der Belgier für 42.000 Zuschauer und 5 Schiedsrichter im Stadion erkennbar ohne “Feindberührung” aus – er fiel, mit Verlaub, ganz einfach derbe auf die Fr…..; der zu diesem Zeitpunkt mindestens 1 Meter hinter ihm laufende Stindl sieht seine Chance, springt über den Jungen aus dem Land der Pommes, flankt den Ball nach innen und ein anderer belgischer Spieler versenkt ihn klassisch als Eigentor im Netz. Alles freut sich, Schiedsrichter zeigt zur Mitte, Torauslinienschiedsrichter und vermeintlicher Bruder unseres Winke-Winke-Männchens ebenfalls – nur Ricardo der vollblinde Fähnchenverlierer hebt mal wieder unmotiviert sein Sportgerät – worauf das klar reguläre Tor den Roten aberkannt wird.
Ich bin dann erst mal vor Wut pinkeln gegangen – was bei den Temperaturen knapp unter dem Nullpunkt in Verbindung mit der dazu erforderlichen Kleidung im Zwwiebelstil die eine oder andere Sekunde länger dauerte – so lange jedenfalls, dass ich beim Verlassen der gekachelten Nasszellen des Stadions trotz deren unmittelbaren Nähe zu den Sitzplätzen und der Sicht auf den heiligen Rasen gerade noch den Torschrei hörte – Sobiech hatte doch noch das 1:1 reingestochert, nachdem er wenige Minuten vorher eingewechselt wurde. Naja, irgendwann muss jeder mal auf die Toilette, aber warum gerade in einem solchen Augenblick? Schwamm drüber, hier ist es, das Tor:
Kurz danach geht Sobiech ebenfalls in ein Laufduell mit einem Belgier, die inzwischen den Eindruck vermittelten, als seien sie stehend ko – vielleicht ein guter Wink für das Rückspiel, denn die Hannoveraner gingen bis zur letzten Minute volle Pulle! Wieder auf unserer Seite holt Sobiech den Abwehrspieler ein und spitzelt ihm den Ball vom Fuss, der versucht, den Hannoveraner aufzuhalten und tritt ihn am Fuss, worauf Sobiech den Abflug macht – was folgt, war ein Pfiff des Hauptpygmäen, und alle im Stadiondachten, Alles klar, Pfeife De Souza pfeift Stürmerfoul: doch zur Überraschung wirklich Aller gab der Pfeifenmann Elfmeter.
Und dann hatte Schlaudraff einen seiner genialen Momente: er lupfte den Elfmeter gefühlvoll über den früh fallenden Torwart – und es stand 2:1 für die Roten Riesen: auf dem nachfolgenden Video ist das geniale Elfmetertor noch einmal zu bewundern, und zwar von der uns direkt gegenüberliegenden Westtribüne aufgenommen (wie konnte der die Kamera in diesem Augenblick nur halten?):
Auf unserer Seite war die Stimmung da wohl euphorischer (das Video stammt nicht von mir, ich konnte nur durch die Finger blinzeln, so aufgeregt war ich!):
Sorry, Schlaudrauf, was bist Du für eine cooler Sau geworden!
Danach hatte 96 noch ein paar hochkarätige Chancen, die Ausgangsposition für das Rückspiel massiv zu verbessern, aber Koka Rausch scheiterte mit einem Gewaltschuss am Schlussmann der Belgier, und ein Kunstschuss des schnellsten Spielers der Bundesliga, Mame Diouf, rollte Zentimeter am Tor vorbei.
Trotz der verpassten Chancen, den Sieg noch zu erhöhen, war es ein wunderschöner Fussballabend mit einem glücklichen, aber verdienten Ende für Hannover 96.
Was am Ende noch bleibt: Die neue Hymne der Hannoveraner, die wir hoffentlich noch öfter in diesem Jahr in unserer Stadt und unserem Stadion singen können:
Und so hoffe ich, dass am nächsten Donnerstag und an den nächsten Spieltagen der Europa League dieses Lied weiterhin für die Roten aus Hannover gesungen wird, und für die Stadt Brügge die Überschrift genauso passt wie am letzten Donnerstag, denn die Mannschaft und die hoffentlich zahlreich mitgereisten Fans sollen nun Brügge und das dortige Stadion in unsere Stadt und unser Stadion verwandeln, denn:
Hannover 96:
Das ist unsere Stadt!
Und das ist unser Stadion!
Und hier regiert der HSV!
In diesem Sinne: