Hannah Herzsprung: «Oh, Gott – schaffe ich das?»

Hannah Herzsprung: «Oh, Gott – schaffe ich das?»

Deutschland im Jahr 2016: Die Sonnenstrahlung hat die Erde in einen mörderischen Glutofen verwandelt, in dem Menschen verzweifelt nach Wasser suchen. Der Endzeitthriller Hell des Schweizer Nachwuchsregisseurs Tim Fehlbaum ist eine beklemmende Zukunftsvision, die sich derzeit mit 53.000 Besuchern auf Platz neun der deutschen Kinocharts behauptet. Eine der Hauptrollen spielt Hannah Herzsprung. News.de traf die Schauspielerin zum Interview.

Im Vergleich zu den strapaziösen Dreharbeiten

für Ihren aktuellen Kinofilm Hell, dürfte so ein Interview-Marathon hier doch ein Klacks für Sie sein, oder?

Hannah Herzsprung: Hm, also um ehrlich zu sein, ist das Drehen schon das, was ich am allerliebsten mache. Nichts gegen Interviews, es ist wichtig, dass sich die Presse für den Film interessiert. Mir fällt es aber manchmal schwer, über einen Film zu reden – beim Drehen spiele ich einfach und denke dann nicht so viel darüber nach, das passiert eher intuitiv.

Reflektieren Sie das denn im Nachhinein? Auch inhaltlich ist Hell ja ziemlich starker Tobak,

Sie bekommen es da mit Kannibalen zu tun. Beschäftigt Sie so etwas auch persönlich? Müssen Sie aus so einer Welt, so einer Rolle erst wieder herausfinden oder können Sie am Ende eines Drehtages komplett abschalten?

Herzsprung: Schon wenn ich die Zusage für die Rolle bekommen habe, fange ich damit an, mich intensiv mit dem Drehbuch zu beschäftigen. Irgendwie trage ich die Rolle während der Drehzeit schon mit mir herum, aber nicht so extrem, dass ich da nicht wieder raus komme. Ich konnte am Abend eines Drehtages ganz gut wieder los lassen – nicht zuletzt weil ich wirklich erschöpft und müde war.

Sie haben da ja Einiges mitgemacht: Sie wurden von Pferdebremsen attackiert, mussten in einer Staubwolke drehen…

Herzsprung: Ja, da hieß es auch nicht wie sonst «Bitte», sondern «Staub ab», wenn wir mit dem Drehen begonnen haben. Ich hatte schon wieder völlig vergessen, wie die Bedingungen eigentlich waren. Wenn der Film erst einmal im Kasten ist, denkt man: Alles gut überstanden, Film abgedreht, nichts schief gegangen. Dann vergisst man so etwas wie die Bremsen auch schnell wieder.

Für den Film Vier Minuten haben Sie sich sehr intensiv vorbereitet: Sie haben Kickboxen gelernt, Klavierspielen, haben sich das Gefängnis in Brandenburg sehr genau angesehen. Gab es eine ähnliche Herangehensweise für diesen Film? Haben Sie versucht, mal drei Tage lang nichts zu trinken?

Herzsprung: Ich habe darüber nachgedacht, es auszuprobieren, denn man kann versuchen, sich vieles vorzustellen – weiß man aber wirklich, wie es ist, richtig Durst zu haben? Ich habe dann aber doch auf diese Erfahrung verzichtet. Denn wenn ich wenig trinke, habe ich sofort Kopfschmerzen und kann mich nicht mehr auf mein Spiel konzentrieren. Was mir aber sehr geholfen hat, diese Trockenheit nachzuempfinden, war der ständige Staub und dann standen überall Heizlüfter, die eine große Hitze erzeugt haben. Dadurch hatte ich ohnehin schon einen trockenen Mund und Rachen. Vorbereitet habe ich mich in erster Linie mit viel Sport, da schon im Vorhinein klar war, dass der Film mir auch physisch extrem viel abverlangt,

Es macht Ihnen schon großen Spaß, an Ihre körperlichen Grenzen zu gehen, oder?

Herzsprung: Ja, das sind natürlich auch Rollen, die man nicht jeden Tag angeboten bekommt und da macht man dann alles, um so gut zu sein, wie es nur irgendwie geht.

Wenn Sie in so einem extremen Film mitspielen, wollen Sie dann den Jungs oder dem Publikum beweisen, dass Sie stark genug sind, so etwas durchzustehen, dass sie keine Elfe sind, sondern auch was aushalten können?

Herzsprung: So weit denke ich gar nicht. Es geht mir nicht darum, etwas für mich, also meine Person beim Zuschauer zu erzeugen. Ich sage mir nicht «Hannah zeigt euch jetzt mal, was in ihr steckt». Mir ist letztendlich alles egal – wie ich wirke, wie ich aussehe – die Hauptsache ist, ich spüre meine Rolle. Sonst würde ich mich ja wahrscheinlich wie bei Hell auch nicht so mit Dreck beschmieren lassen – nein, die Eitelkeit der eigenen Persönlichkeit hat beim Dreh nichts zu suchen. Und ehrlich gesagt, der Moment, in dem ich darüber nachdenke, ist, bevor der Film ins Kino kommt, bei der ersten Vorführung. Da bin ich dann zum ersten Mal richtig aufgeregt und da gehen dann die Gedanken los: Oh, Gott, trage ich den Film? Schaffe ich das? Wird das angenommen? Glauben mir die Zuschauer das? Ist das realistisch, dass ich diese Angst spiele?

Wie ist es, wenn Sie sich selbst auf der Leinwand sehen, ist Ihnen das unangenehm?

Herzsprung: Es gibt Momente, in denen es unangenehm ist, vor allem, wenn ich denke: Oh, das glaube ich mir jetzt nicht. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass es die Figur trifft, kann ich mir ganz gut zuschauen. Wenn ich mich selber sehe, sehe ich, ob es funktioniert, was ich mache oder nicht. Witzig ist, dass man dabei wirklich von sich selber lernen kann – glaube ich mir etwas nicht, merke ich es mir und versuche es beim nächsten Mal besser zu machen.

Würden Sie sich als Perfektionistin bezeichnen?

Herzsprung: Ja, auf jeden Fall. (lacht)

Wenn man sich dann so in einen Film reinhängt, sich die Rolle so zu eigen macht…

Herzsprung: Aber das hilft ja auch! Je mehr ich in die Vorbereitung stecke, desto mehr Freiheit habe ich hinterher beim Spielen. Wenn ich, was ich spielen soll, körperlich auch mal erlebt habe, dann ist es da und es nimmt mir keiner mehr. Mich macht das frei.

Kann man das denn für jeden Film so exzessiv betreiben oder muss man da nicht vielleicht auch irgendwann etwas ökonomischer denken?

Herzsprung: «Ökonomischer» ist ein fieses Wort, bedenkt man, dass wir hier immer noch von einer Form von Kunst sprechen (lacht). Im Ernst: Ich kann nur so arbeiten, kann nur sicher ans Set gehen, wenn ich intensivst vorbereitet bin. Ich nehme lieber eine Rolle weniger an, als nur 90 Prozent geben zu können. Ich hätte, glaube ich, auch dem Team gegenüber ein schlechtes Gewissen, ich meine, es sind wirklich viele Menschen, die an so einem Film mitwirken und da ihr Herzblut reinstecken.

Es gibt viele Schauspieler, die sich für eine Rolle zehn Kilo anfuttern. Würden Sie das auch tun?

Herzsprung: Klar, ich liebe Essen! Aber ich würde das nur mit einer Ernährungsberatung machen, damit es kontrolliert ist, damit ich wieder zurück zu meinem Gewicht komme.

Interessant fand ich an dem Film, dass unter den Extrembedingungen ganz klassische Rollenbilder wieder zutage treten: Da fallen dann so Sätze wie «Wir brauchen die Männer», die Figur, die Sie spielen, soll dem Hoferben Kinder gebären – haben Sie sich mit Fragen der Emanzipation im Zusammenhang mit dem Film beschäftigt?

Herzsprung: Marie stößt es ja ab, wie sie behandelt wird. Ich habe mich absichtlich nicht damit beschäftigt. Wenn ich mich zu sehr damit auseinandersetze, dann erschreckt mich das in der Szene nicht mehr so sehr. Marie ist schlau, sie weiß, sie braucht Phillip. Obwohl… (denkt nach) – Sie haben Recht, sie könnten ja auch einfach mit dem Auto wegfahren… Es zeigt sich darin auch ihre schwer greifbare Bindung zu Phillip, man weiß ja nicht so genau: Ist es Liebe oder Pragmatismus, was die beiden verbindet? Ich versuche allerdings immer, mich mit einer Rolle nicht als Hannah zu beschäftigen. Ich frage mich also nicht, was mich persönlich interessieren würde, sondern: Was braucht die Figur?

Die Schauspielerin Hannah Herzsprung hat mit 30 Jahren schon eine beachtliche Karriere gemacht: Ein Bambi, ein Deutscher Filmpreis, ein Bayerischer Filmpreis, ein Adolf-Grimme-Preis kann sie in ihrem Lebenslauf schon notieren. Die Hamburgerin schaffte ihren Durchbruch, als sie im Film Vier Minuten eine musisch hochbegabte Möderin spielte. Zurzeit ist Hannah Herzsprung im apokalyptischen Film Hell in den Kinos zu sehen.

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Hannah Herzsprung – «Oh, Gott – schaffe ich das?»

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