Jeder kennt das: man erinnert sich an eine Situation im Leben, an der man die Zukunft entscheidend verändert bzw. ihr einen Schubs in eine Richtung gibt, von der man im Moment des Geschehens nicht ahnt, wie sehr sich hier etwas entscheidet. Das sieht man erst rückblickend im Abstand von oft einigen Jahren. Und die Einen jammern später dann über die verpassten Chancen; die Anderen nehmen es hin und machen das Beste daraus.
Um eben diesen Punkt im Leben dreht es sich auch in Hannahs Buch. Doch wie sie das macht ist schon außergewöhnlich.
Das Buch erzählt aus der Ich-Perspektive die Geschichte, nein, den Wandel einer jungen Frau die bemerkt, dass sie ihr Leben auf dem Holzweg befährt. Freudlos, risikofrei, hyperordentlich, vegetarisch und oberflächlich lebt sie es dahin. Lissi ist dabei zwar nicht unglücklich, aber eben auch nicht glücklich. Nur: das bemerkt sie nicht. So wie es niemand bemerkt, der sich solcherart in seinem Leben eingerichtet hat.
Lissi, die Ich-Erzählerin, hat jede Nacht einen Alptraum, in dem sie lebendig begraben wird. Hiermit ist Hannah Albrecht zwar keine neue, aber eine gute Metapher dafür eingefallen, wie es sich anfühlt, wenn man das “falsche Leben im richtigen” lebt. Man fühlt sich begraben; abgeschnitten vom Leben – selbst, wenn man es im Wachzustand nicht wahrhaben mag. Das Traumthema durchzieht das gesamte Buch und – da es sich letztlich um einen Entwicklungsroman handelt – wandelt sich der Traum langsam bis er sich auflöst. So wie sich die Titelheldin von Lissi zu Beth verwandelt; rückverwandelt.
Denn Beth ist ihr Alter-Ego; ist die risikoreiche, unordentliche, fleisch-essende und kreative andere Elisabeth (denn so der richtige Name der Hauptfigur). Die, die Lissi hätte werden können, wenn sie sich an einem Punkt in ihrem Leben hätte anders entschieden.
Hannah Albrecht gelingt es, diese beiden Ich’s zusammen zu bringen. Dabei geht es zwar etwas unlogisch zu – allerdings wüsste ich auch nicht, wie es ohne den Einsatz von “Parallelwelten” gelingen kann, die beiden zusammen zu führen.
Die kalt wirkenden Lissi jedenfalls lässt sich von der fast übermäßig (und leider zu “wissenden”) Beth dazu hinreißen; nein: mitreißen, ihr abgeklärtes Leben etwas emotionaler zu leben.
Letztlich – und das darf als kleines Manko des Buches benannt werden – letztlich endet es mit einem mir zu stark aufgetragenen Happy-End.
Aber doch ist das Buch lesenswert und die paar Groschen allemal wert. Denn es berichtet in einer modernen, zeitgemäßen Sprache über Probleme, die wohl genau dieser Moderne angemessen ist.
Nic
PS: Hannah warnte mich vor dem Buch mit den Worten “Das ist ein Mädchenbuch.” Nun, das jedenfalls ist es ganz gewiss nicht.
Hannah Albrecht: Eine von uns Zweien, Amazon-Selbstverlag, ASIN: B00CRW1MCO, 2,99 Euro