Die Karriere zeitweise beendet, der Ruf ruiniert, der alte, aber guterhaltene Name beschmutzt. Nichts aber konnte Karl Guttenberg davon abhalten, seine letzte Chance zu nutzen, noch einmal auf Steuerzahlerkosten ins Fernsehen zu kommen, um sein neues Buch anzukündigen, dass er in einer "Zeit der Reue und Buße" (Guttenberg) zu schreiben beabsichtigt. Scham? Fehlanzeige. Furcht vor Peinlichkeit? Warum denn. Beim "Großen Zapfenstreich", einem Landsknechtsritual, das die aufgeklärte Bürgerarmee mit Hingabe pflegt, zeigt der scheidende Verteidigungsminister auch gleich noch einmal, dass ihm alterhergebrachte Riten stets ein Anlass sind, sofort mit grundlegenden Reformen zu beginnen.
Es ist die 14 Sekunde der vierten Minute im dritten Filmchen der herzzerreißenden Verabschiedung eines ganz großen Militärs, als es geschieht. das Dunkel der Nacht hat sich gnädig über Berlin gesenkt, 450 Prominente, die keine Schamgrenze kennen, und sieben Fernsehsender, davon fünf öffentlich-rechtliche, warten gespannt auf den großen Abgesang für den Abschreiber. Jetzt kommt der Moment, wo der befehlshabende Offizier der Fackelschwenkveranstaltung beim ausscheidenden Minister meldet. Habacht und Hand zum Hut, alles regelgerecht, alles zackig, kantig, deutsch, so wie es auch seinerzeit zum Abschied des greisen Ewigkanzlers Helmut Kohl (kleines Bild) beispielhaft für die Lehrbücher durchexerziert wurde.
Doch dann kommt er wieder, der Einsatz des großen Plagiators, dem es schon bei seiner Doktorarbeit nicht gelungen war, wenigstens korrekt abzuschreiben. Vor Karl zu Guttenberg macht der Offizier in Helm und großem Wichs Männchen. Und von oben, von der kleinen Palettentribüne, die mit den letzten Konjunkturmitteln aus dem Rettungpaket für bedrohte Koalitionen zusammengenagelt wurde, schiebt sich im plötzlich eine Hand entgegen. Die Hand des Mannes, der eben noch oberster Vorgesetzter war. Die Hand des Mannes, der das jetzt nicht mehr ist. Die Hand eines Menschen, der von militärischen Ritualen offenbar so viel versteht wie von der Jurisprudenz.
Bruchteile von Sekunden entscheiden jetzt vor den Augen der ganzen Welt über Eklat oder Triumph, über Desaster oder Totschweigen. Genaugenommen kann der meldende Offizier ohne ein "Rührt Euch" keine Hand schütteln. Genaugenommen kann er die ausgestreckte Hand seines früheren Oberkommandierenden aber auch nicht ungerührt in der Luft hängen lassen. Jede Entscheidung, die der Mann jetzt trifft, wird falsch sein. Vor den Bildschirmen überall im Land steigt die Spannung.
Doch hier nun zeigt sich in beeindruckender Weise, was das Wort vom Bürger in Uniform meint. Ohne einen Befehl dazu bekommen zu haben, löst der Meldende seine Habacht-Position nach einem sekundenlangen Zögern eigenständig auf. Jahrhundertealte Traditionen sind gebrochen, der Bürger hat über den Kommiss gesiegt. Dann fährt der Militär seinerseits die Hand aus, die im Paradehandschuh steckt und darin eigentlich niemals eine andere drücken dürfte. Der Schaden aber ist sowieso angerichtet. Und dieser irreguläre Händedruck nun auch irgendwie ein angemessen peinliches Finale.