Der Abo-Service des Handelsblatts kündigte heute vollmundig an, uns Lesern und potentiellen Abonnenten ein ganz besonderes Schmankerl zu Ostern präsentieren zu können: Ein 2-Jahres-Abo inkl. iPad2 bei einer Ersparnis von rund 1.200 EUR. Die Meldung wurde erwartungsgemäß schnell aufgegriffen und u.a. über ibusiness und turi2 verbreitet.
Doch gerade, wenn es um das iPad2 geht, ist nicht alles Gold, was glänzt. Ausreichend Anlass also, das Angebot der Verlagsgruppe Handelsblatt einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wenn jemand bereit ist, 1.111 EUR für’s Zeitungslesen zu investieren, sollte man annehmen, dass er den Deal auf Herz und Nieren prüft. Bei dem Ostergeschenk des Handelsblatts ist das bisher nicht passiert. Wir legen also die OP-Schürze an, zücken das Skalpell und schälen die glänzende Schale vom Osterei.
Die Anzeige addiert 4 Posten zu einer Summe von 2.316,98 EUR, aus der sich eine „Ersparnis“ von über 1.200 EUR ergeben soll. Einer dieser Posten beträgt 0,00 EUR für die iPad-App und ist daher für das Zahlenspiel unerheblich. Die zweite Angabe bezieht sich auf den Gerätepreis des iPad2. Dieser wird mit 579 EUR in der 32GB WiFi-Variante angegeben – das entspricht dem Listenpreis von Apple, ist also auch unkritisch. Spannend wird es bei den verbleibenden Kostenpunkten, die aus der Handelsblatt-eigenen Sphäre stammen. Hier wurde tief in die Trickkiste gegriffen und getreu dem Motto „Traue keine Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ ein Osterei präsentiert, das ohne die erwähnte glänzende Schale heftig zu stinken beginnt.
Was an diesem Ei faul ist? Zunächst wird der finanzielle Gegenwert eines Handelsblatt-Zweijahres-Abos mit 1.098 EUR angegeben, das sind 599 EUR pro Jahr. So steht das zwar auch in der Preisliste der Zeitung, allerdings handelt es sich hierbei um einen rein virtuellen Preis, da jedes Abo zusammen mit einer Bargeld-Prämie von 225 EUR pro Jahr angeboten wird. Der tatsächliche Preis eines Jahresabos liegt damit bei 374 EUR, oder für zwei Jahre bei 748 EUR.
Weiterhin führt die Anzeige das ePaper der Handelsblatt-Ausgabe mit einem Preis von 639,98 EUR auf. Hier offenbart sich eine frappierende Rechenschwäche des zuständigen Autors: klickstu Laut Preisliste kostet die digitale Ausgabe 299,99 EUR jährlich, was sich über zwei Jahre kaum auf 639,98 EUR sondern vielmehr auf 599,98 EUR summiert. Wer auf den Link zur Preisliste geklickt hat, weiß außerdem, dass das ePaper für Abonnenten der Print-Ausgabe grundsätzlich kostenfrei ist! Zitat Handelblatt:
…oder bestellen Sie direkt das günstige Jahres-Abonnement für € 299,99und sparen Sie € 60 im Jahr! Als Abonnent der Handelsblatt-Zeitung nutzen Sie das Handelsblatt ePaper im Rahmen Ihres Abonnements kostenfrei!
In einer ehrlichen Austellung aller anfallenden Kosten hätte das ePaper also mit einer schlanken 0,00 aufgeführt werden müssen. Summiert man so alle Posten auf, ergibt sich folgendes Ergebnis: iPad2 (579,00 EUR) + Handelsblatt 2-Jahres-Abo (748,00 EUR) + ePaper (0,00 EUR) + iPad App (0,00 EUR) = 1.327 EUR. Damit suggeriert uns das Handelsblatt eine Ersparnis, die 989,98 EUR zu hoch ausgewiesen wird! Das entspricht 1,71 iPad2, oder 2,64 Jahren Handelsblatt-Abo. Am Rande: In der Psychologie spricht man hier von einer Verschiebung der internen Referenzpreise, um die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen, sehr lesenswert erörtert in dieser Seminararbeit der Uni Hamburg – trotzdem kein fairer Schachzug.
Solche Augenwischereien erwarte ich bestenfalls beim Teleshopping, auf einer Butterfahrt oder im deutsch-polnischen Grenzgebiet – bei einem der renommiertesten deutschen (und europäischen) Blätter kann man sich nur an den Kopf fassen, einen Leserbrief schreiben oder hoffen, dass es sich nur um einen großen Irrtum zu Ungunsten des unmündigen Abo-Idioten handelt. Auf der anderen Seite sagt dieses Angebot auch viel über die absurde Strahlkraft des iPad2 aus – eines simplen Tablet-Computers fernab der Technologieführerschaft, der es schafft, sämtliche von Rationalität und Vernunft getriebenen Gedanken vollständig vom Tisch zu fegen. Man stelle sich dieses Angebot mal mit einem Samsung Galaxy-Tab vor…
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